Bluttests Was Arbeitgeber über die Gesundheit wissen dürfen

Konzerne wie Daimler, Merck und Deutsche Telekom bitten angehende Mitarbeiter zu Blut- und Urinchecks und sorgen damit für hitzige Diskussionen – zumal die Blutproben immer aussagekräftiger werden. Die WirtschaftsWoche erklärt, was Arbeitgeber dürfen und wann die Gesundheitsuntersuchungen sogar Pflicht sind.

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Wann dürfen Arbeitgeber Gesundheitsuntersuchungen wie Bluttests machen?

Blutabnahme: Was Blut verrät Quelle: dpa

Entscheidend ist laut Bundesdatenschutzgesetz, ob die mit den Tests erhobenen Daten tatsächlich „erforderlich“ sind. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber nur so herausfinden kann, ob ein Bewerber den Anforderungen der Stelle tatsächlich gewachsen ist. „Ein Unternehmen kann also nicht einfach pauschal alle Mitarbeiter oder Bewerber zu Blut- und Urinchecks bitten“, sagt der Jurist und Datenschutzexperte Thilo Weichert.

„Allerdings sind die gesetzlichen Vorgaben vage“, sagt der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing. Oft müssen die Ärzte deshalb entscheiden, welche Untersuchungen notwendig sind. Beispiel Telekom: Je nach medizinischer Empfehlung sind Blutdruckmessen, Pulsmessen, Hör- und Sehtest, Koordinationstests, Urinprobe, EKG oder ein kleines Blutbild vorgesehen.

Wann ist der Arbeitgeber zu solchen Untersuchungen verpflichtet?

Immer dann, wenn es darum geht, die Beschäftigten oder die Öffentlichkeit zu schützen. „Bewerber mit einer Allergie gegen Lösungsmittel können wir nicht in der Lackiererei einsetzen“, sagt etwa Helmut Schmidt, Konzernarzt von Daimler, und beruft sich auf die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Die Telekom und der Pharmakonzern Merck begründen Untersuchungen mit der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften: Wer etwa am Arbeitsplatz eine Atemschutzmaske tragen muss, kommt danach an einer Blutuntersuchung nicht vorbei.

Auch wer Beamter werden will muss mit gesundheitlichen Eignungstests rechnen – allerdings sind die bundesweit nicht einheitlich geregelt. Es kann also passieren, dass ein Anwärter mit Übergewicht hier verbeamtet wird und dort nicht.

Ganz klare Regeln und Richtwerte gibt es dagegen in der Luftfahrt: Fluglinien dürfen beispielsweise niemanden ins Cockpit lassen, der sehr schlecht sieht.

Wer darf zukünftige Mitarbeiter untersuchen, und was passiert mit den Daten?

Die Untersuchung muss von einem Arzt vorgenommen werden, etwa dem Betriebsarzt oder dem Hausarzt. Für sie gilt die Schweigepflicht: Sie dürfen dem Arbeitgeber nur mitteilen, ob der Kandidat geeignet, bedingt geeignet oder nicht geeignet ist. Eine vergleichende Einschätzung nach dem Motto „Kandidat A ist gesünder als Kandidat B“ ist unzulässig. Auch detaillierte Testergebnisse darf der Arzt nicht weitergeben. Die Bewerber dürfen die Ergebnisse aber einsehen.

Darf die Untersuchung gegen den Willen des Bewerbers vorgenommen werden?

Nein. Selbst ein kleiner Piekser zur Blutentnahme stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Die Zustimmung des Betroffenen ist auch dann nötig, wenn der Arbeitgeber den Gesundheitszustand nur feststellen will, um sich gegen Regressforderungen zu wappnen – etwa für den Fall, dass der Arbeitnehmer später an Krebs erkrankt und seinen Arbeitsplatz verantwortlich macht.

Stets muss der Arbeitgeber den Kandidaten darüber aufklären, welche Untersuchungen vorgenommen werden und warum. An die Testresultate darf er allerdings die Einstellung knüpfen. Wer den Job also haben will, kommt nicht umhin, der Untersuchung zuzustimmen.

Was darf nicht untersucht werden?

Einschränkungen ergeben sich aus dem Antidiskriminierungsgesetz: Danach ist es zum Beispiel unzulässig, über das Blut eine eventuelle Schwangerschaft zu klären. „Auch das neue Gendiagnostikgesetz untersagt Arbeitgebern, von Beschäftigten genetische Analysen zu verlangen“, sagt Arbeitsrechtler Thüsing. Dennoch bleibt eine rechtliche Grauzone: Drogentests etwa sind mancherorts üblich – obwohl das Bundesarbeitsgericht solchen Screenings enge Grenzen gesetzt hat.

Was droht Arbeitgebern, die mehr testen, als erlaubt ist?

„Wenn ein Bewerber der Untersuchung zugestimmt hat, ist eine erfolgreiche Schadensersatzklage gegen den Arbeitgeber so gut wie ausgeschlossen“, ist der Stuttgarter Anwalt für Arbeitsrecht, Jobst-Hubertus Bauer, überzeugt. Lässt sich allerdings nachweisen, dass mehr Daten erhoben wurden als erforderlich, kann das ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz sein und mit bis zu 300.000 Euro Strafe geahndet werden. Die Bußgelder bewegen sich bisher aber kaum in dieser Größenordnung. Unabhängig davon können sich Bewerber beim Betriebsrat des Unternehmens oder beim Datenschutzbeauftragten ihres Bundeslandes über die Praxis des Arbeitgebers beschweren.

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