Boardinghäuser Heimat auf Zeit für die neuen Nomaden

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Bedarf ist vorhanden, Investoren zögern

25hours Wien Quelle: Presse

So ist der Bedarf in Städten wie Ingolstadt oder Heilbronn durchaus vorhanden, dennoch zögern Investoren, entsprechende Immobilienprojekte anzustoßen, denn neben den deutlich geringeren Durchschnittspreisen gegenüber normalen Hotels haben reine Boardinghäuser einen Nachteil: Die Stammgäste verlassen das Haus am Wochenende, mit etwas Pech steht es leer.

Christoph Hoffmann ist Geschäftsführer der 25hours-Hotels, die auch klassische Hotels wie das Hafencity in Hamburg, das Goldman in Frankfurt und demnächst das Bikini in Berlin an der Gedächtniskirche betreiben. Zurzeit wird das 25hours in Wien fertiggestellt. Mehr als 30 der rund 220 Zimmer dort werden so ausgestattet sein, dass Langzeitgäste beherbergt werden können.

Die besten Restaurants Deutschlands 2012
Restaurant: SchwarzwaldstubeOrt: Baiersbronn Mehr geht nicht. Alle Punkte, Hauben, Sterne, Löffel, die man haben kann. Und die meisten davon seit 20 Jahren. Harald Wohlfahrt von der Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach in Baiersbronn ist allein wegen der Dauer, mit der er erfolgreich alle Höchstauszeichungen jedes Jahr aufs Neue bestätigt bekommt der Primus inter Pares. Nicht wenige seiner ehemaligen Mitarbeiter, wie Klaus Erfort, sind heute selber ganz oben angekommen. Auch das unterstreicht Wohlfahrts Stellung und Verdienste. Quelle: Presse
Restaurant: VendômeOrt: Bergisch Gladbach Joachim Wissler hat ebenfalls von allen Testern die höchsten Noten erhalten – auch er kann nicht mehr erreichen bei deutschen Restaurantführern. Seine Küche im Vendome im Schlosshotel Bensberg bei Köln gilt aus ausgesprochen komplex und zählt zu den anspruchsvollsten der Welt. Quelle: Presse
Restaurant: SonnoraOrt: Dreis Der stille Star – Helmut Thieltges kocht. Ebenfalls mit allen Lorbeeren ausgezeichnet, die man als Koch erhalten kann. Darauf konzentriert er sich, dafür lebt er. Es gibt keine Fernsehshow, kein Kochbuch, keine ausgedehnten Kreuzfahrten mit ihm als Gastkoch. Thieltges steht im Sonnora in Dreis am Herd und beglückt seine Gäste. Quelle: Screenshot
Restaurant: Gästehaus ErfortOrt: Saarbrücken Er ist einer der jüngsten Spitzenköche und sicher der Jüngste unter denen mit Höchstwertungen in fast allen Führern. Er ist Unternehmer, der mit seiner Kochkunst sowohl sein Stammhaus, das Gästehaus Erfort, betreibt, aber auch so gut organisiert ist, dass er einen bürgerlichen Betrieb, die Brasserie Schlachthof, in unmittelbarer Umgebung in Saarbrücken leiten kann. Er ist ohne Anschluss an ein Hotel damit einer der wenigen Spitzenköche, die die nötigen Investitionen für Küche auf diesem Niveau erwirtschaften können. Quelle: Presse
Restaurant: Restaurant BareissOrt: Baiersbronn Er ist kein Mann überflüssiger Worte – in seinem frisch erschienenen Kochbuch macht er erst gar keine. Fotos aus der Küche, dem Restaurant, den Mitarbeitern sind im edel aufgemachten Einband die Begleitung zu den Bildern der Gerichte, so dass ein Eindruck eines Abends im Restaurant Bareiss im gleichnamigen Hotel in Baiersbronn entsteht. Quelle: Presse
Restaurant: La VieOrt: Osnabrück Lange musste Thomas Bühner zittern – dieses Jahr hat der Hoffnungsträger der vergangenen zwei Ausgaben nun den dritten Michelinstern erhalten. Im La Vie in Osnabrück, dessen Eigner Jürgen Großmann sicher mit Freude die Auszeichnung gefeiert hat, kocht Bühner seit Jahren erfolgreich. Sein Konzept hatte er aber 2011 noch mal verändert. Der Erfolg gibt ihm Recht. Quelle: dpa
Restaurant: Victor's Gourmet-RestaurantOrt: Perl Christian Bau ist nicht unbescheiden. Bau-Stil nennt er sein jüngstes Kochbuch. Eine Wahl hat der Gast im Schloss Berg in Perl eigentlich nicht. Die Gäste müssen Bau die „Carte Blanche“ erteilen, um sich mit ihm auf eine „Voyage Culinaire“ zu begeben. Am Ende aber sind die Tester aller Führer hochzufrieden und nur ein halber von 20 möglichen Punkten im Gault Millau fehlt Bau, um auf Augenhöhe mit Wohlfahrt, Wissler oder Thieltges zu sein. Quelle: Victor's

Einchecken mit der App

Dazu gehört oft eine eigene Küche. „Wir erwarten nicht, dass viele Gäste dort selber kochen werden“, sagt Hoffmann, doch die eigene Küche gehört momentan zu den Dingen, die neben mehr Platz als nötig gelten. Viel wichtiger, so Hoffmann, sei allerdings, dass der Gast seine Habseligkeiten nicht vorm Wochenende erst ausräumen und danach wieder einräumen muss. Deswegen werden künftig „Rolling Wardrobes“ angeboten, in die der Gast seine Kleidung und andere Gegenstände deponiert. Übers Wochenende werden sie in den Keller gerollt, und montags bei Anreise kommen sie wieder in das Zimmer. Damit entfällt für den Gast die Notwendigkeit, das Zimmer durchzubuchen, um Packstress zu vermeiden, gleichzeitig kann am Wochenende anderweitig vermietet werden.

In Zukunft soll für Langzeitgäste auch das Einchecken via App auf dem Smartphone möglich sein, und der Zimmerschlüssel wird wie beim Einsteigen in ein Flugzeug mit Boardkarte auf dem Smartphone möglich sein. Der Gast soll fast heimkommen können wie in seinem echten Zuhause und seinen Schlüssel bereits in der Tasche tragen. Wer sich für ein mehrmonatiges Projekt in einem Boardinghaus einbucht, darf auch damit rechnen, dass er eigene Bilder aufhängen darf – die dann wiederum die normalen Hotelgäste sehen, die am Wochenende das Zimmer buchen.

Mehr Platz, weniger Service

Zimmer für Langzeitgäste in klassischen Hotelbetrieben bringen dem Gast einerseits ein höheres Maß an Service, schließlich kann er auf die Mitarbeiter zurückgreifen, die für den normalen Hotelbetrieb zugegen sind. Andererseits schätzen viele Gäste vor allem die Privatsphäre reiner Boardinghäuser. Luxushotels der höchsten Kategorie wie das Le Royal Monceau in Paris legen deswegen Wert auf eigene Zugänge und Flure für die Boardingsuiten. Kein Gast der vollständig ausgestatteten Wohnungen muss die belebte Hotelhalle passieren, um in sein Zimmer zu gelangen. „Welche Art von Betrieb Gäste bevorzugen, hängt davon ab, ob sie funktionsbewusst oder lifestylig orientiert sind“, sagt Christian Buer von der Uni Heilbronn.

In der Kontorküche des Henri wird derweil jeden Abend die Gratwanderung versucht zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Der Gastraum des Boardinghauses steht ausschließlich den Hausgästen offen, es treffen sich abends zwangsläufig häufig Menschen, die sich schon die Abende zuvor und am Abend davor dort gesehen haben. Direktorin Isabel Oberdorf bittet allabendlich zum „Abendbrod“, bei dem sie auf Wunsch Gäste miteinander bekannt macht, die zwar ein Haus teilen, aber keine Bekannten sind. Was sonst in Hotels erst abends an der Bar aufgehoben wird, die übliche Distanz und Diskretion, soll hier schon früher bei gemeinsamen Gesprächen am Tisch gelockert werden. „Wenn das so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann denken wir, dass da eine Community entsteht“, hofft Jost Deitmar.

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