So ist der Bedarf in Städten wie Ingolstadt oder Heilbronn durchaus vorhanden, dennoch zögern Investoren, entsprechende Immobilienprojekte anzustoßen, denn neben den deutlich geringeren Durchschnittspreisen gegenüber normalen Hotels haben reine Boardinghäuser einen Nachteil: Die Stammgäste verlassen das Haus am Wochenende, mit etwas Pech steht es leer.
Christoph Hoffmann ist Geschäftsführer der 25hours-Hotels, die auch klassische Hotels wie das Hafencity in Hamburg, das Goldman in Frankfurt und demnächst das Bikini in Berlin an der Gedächtniskirche betreiben. Zurzeit wird das 25hours in Wien fertiggestellt. Mehr als 30 der rund 220 Zimmer dort werden so ausgestattet sein, dass Langzeitgäste beherbergt werden können.
Einchecken mit der App
Dazu gehört oft eine eigene Küche. „Wir erwarten nicht, dass viele Gäste dort selber kochen werden“, sagt Hoffmann, doch die eigene Küche gehört momentan zu den Dingen, die neben mehr Platz als nötig gelten. Viel wichtiger, so Hoffmann, sei allerdings, dass der Gast seine Habseligkeiten nicht vorm Wochenende erst ausräumen und danach wieder einräumen muss. Deswegen werden künftig „Rolling Wardrobes“ angeboten, in die der Gast seine Kleidung und andere Gegenstände deponiert. Übers Wochenende werden sie in den Keller gerollt, und montags bei Anreise kommen sie wieder in das Zimmer. Damit entfällt für den Gast die Notwendigkeit, das Zimmer durchzubuchen, um Packstress zu vermeiden, gleichzeitig kann am Wochenende anderweitig vermietet werden.
In Zukunft soll für Langzeitgäste auch das Einchecken via App auf dem Smartphone möglich sein, und der Zimmerschlüssel wird wie beim Einsteigen in ein Flugzeug mit Boardkarte auf dem Smartphone möglich sein. Der Gast soll fast heimkommen können wie in seinem echten Zuhause und seinen Schlüssel bereits in der Tasche tragen. Wer sich für ein mehrmonatiges Projekt in einem Boardinghaus einbucht, darf auch damit rechnen, dass er eigene Bilder aufhängen darf – die dann wiederum die normalen Hotelgäste sehen, die am Wochenende das Zimmer buchen.
Mehr Platz, weniger Service
Zimmer für Langzeitgäste in klassischen Hotelbetrieben bringen dem Gast einerseits ein höheres Maß an Service, schließlich kann er auf die Mitarbeiter zurückgreifen, die für den normalen Hotelbetrieb zugegen sind. Andererseits schätzen viele Gäste vor allem die Privatsphäre reiner Boardinghäuser. Luxushotels der höchsten Kategorie wie das Le Royal Monceau in Paris legen deswegen Wert auf eigene Zugänge und Flure für die Boardingsuiten. Kein Gast der vollständig ausgestatteten Wohnungen muss die belebte Hotelhalle passieren, um in sein Zimmer zu gelangen. „Welche Art von Betrieb Gäste bevorzugen, hängt davon ab, ob sie funktionsbewusst oder lifestylig orientiert sind“, sagt Christian Buer von der Uni Heilbronn.
In der Kontorküche des Henri wird derweil jeden Abend die Gratwanderung versucht zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Der Gastraum des Boardinghauses steht ausschließlich den Hausgästen offen, es treffen sich abends zwangsläufig häufig Menschen, die sich schon die Abende zuvor und am Abend davor dort gesehen haben. Direktorin Isabel Oberdorf bittet allabendlich zum „Abendbrod“, bei dem sie auf Wunsch Gäste miteinander bekannt macht, die zwar ein Haus teilen, aber keine Bekannten sind. Was sonst in Hotels erst abends an der Bar aufgehoben wird, die übliche Distanz und Diskretion, soll hier schon früher bei gemeinsamen Gesprächen am Tisch gelockert werden. „Wenn das so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann denken wir, dass da eine Community entsteht“, hofft Jost Deitmar.