BWLer statt Juristen Neue Manager-Generation

Die Vorstände der deutschen Unternehmen verändern sich: Statt Juristen dominieren Kaufleute und Techniker. Das verstärkt jedoch die Verständigungsprobleme zwischen Politik und Wirtschaft.

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E.On-Chef Bernotat Quelle: Rüdiger Nehmzow für WirtschaftsWoche

In die Chefetagen der großen deutschen Konzerne zieht eine neue Generation Manager ein: Immer jünger sind die Konzernlenker bei Amtsantritt, immer internationaler ausgebildet, aber auch immer unpolitischer. In einer noch unveröffentlichten Studie hat das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung die Karrierewege der Top-Manager in den 50 größten deutschen Industrieunternehmen untersucht. Das Ergebnis: Hatte noch 1990 jeder dritte Vorstandschef Jura studiert, war es 2005 nicht einmal mehr jeder zehnte. Im Gegenzug steigt die Zahl der Techniker und Kaufleute in den Chefetagen. „Die juristische Ausbildung verliert in der Wirtschaftselite deutlich an Relevanz“, sagt Max-Planck-Wissenschaftlerin Saskia Freye. Zu den derzeit amtierenden Vorstandschefs mit juristischem Studium gehören etwa Wulf Bernotat (E.On), Bernd Scheifele (HeidelbergCement) oder Peter Bettermann (Unternehmensgruppe Freudenberg).

Für das Verhältnis von Managern und Politikern hat die Verdrängung der Juristen durch Techniker und Betriebswirte grundlegende Folgen. Sie verringere die Bindung zwischen Wirtschaft und Staat, heißt es in der Studie. Ihre Ausbildung eröffne Juristen ein besonderes Verständnis für Politik. Rechtsreferendare arbeiten vor dem zweiten Staatsexamen etwa in Ministerien, Staatsanwaltschaften oder Gerichten.

Shareholdervalue statt politischer Kompetenz gefragt

Durch diese Erfahrung im öffentlichen Sektor brächten Juristen „eine stärkere Staatsorientierung mit als Ingenieure, Naturwissenschaftler, Betriebs- und Volkswirte“, so Freye. Den sinkenden Anteil der Juristen erklärt die Autorin der Studie auch damit, dass sich Unternehmen seit dem Ende der Deutschland AG stärker am Shareholdervalue orientieren und weniger an gesamtgesellschaftlichen Zielen. Daher sei in den Vorstandsetagen vor allem ein betriebswirtschaftliches Unternehmensverständnis gefragt – und nicht etwa politische Kompetenz.

„Politische Ansprüche an Unternehmen werden von immer weniger Führungskräften verstanden“, heißt es in der Studie. Schließlich hätten immer weniger Manager während ihrer Laufbahn in öffentlichen Unternehmen gearbeitet, dort also, „wo politische Ziele und Interessen wie selbstverständlich berücksichtigt werden müssen“. Das hängt allerdings auch mit der Privatisierungswelle der vergangenen Jahrzehnte zusammen: Hatte 1970 noch jeder dritte Vorstandsvorsitzende Erfahrungen bei Unternehmen in Staatsbesitz, so ist es im Jahr 2005 nur noch jeder zehnte.

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