Sie ist nicht nur die erste glamouröse First Lady Chinas. Als professionelle Sängerin ist Peng Liyuan auf vielen Gebieten die Erste, geht dabei oft weit über ihre offizielle Rolle hinaus und illustriert damit das neu gefundene Selbstvertrauen des Energiezentrums Asien. Peng machte zum ersten Mal Schlagzeilen im Ausland, als sie ihren Mann, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, auf seinen ersten Auslandsreisen begleitete. Als sie aus dem Flugzeug stieg, überraschte sie viele Beobachter damit, dass sie vollständig von erstklassigen chinesischen Designern ausgestattet war. Während die Elite des Landes noch vor Kurzem ihre Inspiration im Westen suchte, demonstrierte Peng damit, dass die chinesischen Designer auf dem internationalen Luxusmarkt angekommen waren.
Hermès entschied sich im Jahre 2008 dazu, einem wichtigen Trend zu folgen: dem Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht, sowohl im Konsum als auch in der Produktion. Das französische Unternehmen brachte eine neue Luxusmarke auf den chinesischen Markt. Die Produkte dieser Marke sollten von chinesischen Designern für chinesische Luxuskonsumenten entwickelt und auch in China hergestellt werden. Obwohl der Trend 2008 deutlich war, hatte niemand erwartet, dass China für den globalen Luxusmarkt so schnell so wichtig werden würde.
2012 wurde der chinesische Luxusmarkt der größte in der Region Asien, überholte dabei Japan und war der zweitgrößte der Welt. Wohlhabende Chinesen aus Greater China (einschließlich Macao, Hongkong und Taiwan) gaben damals geschätzte 27 Milliarden Euro für Luxusgüter aus, etwa 12 Prozent des Gesamtvolumens eines 212 Milliarden Euro schweren Marktes.
Jedes Jahr werden Tausende Millionär
In China wohnt nur etwa ein Drittel der Bevölkerung Asiens, aber dort bringen es jedes Jahr Tausende zum Millionär und die Zahl der Superreichen steigt stetig. Diese neu geschaffenen Vermögen treiben die Nachfrage der Chinesen nach Luxusprodukten hoch, und die Entstehung einer neuen Käuferschicht hat bereits jetzt weitreichende Implikationen für den Markt. Lange Zeit schien es selbstverständlich für die Luxusbranche, dass der Markt gegenüber Schwankungen sowohl des Geschmacks als auch der Wirtschaft immun ist. Luxus, so die Logik, gibt die Richtung vor. Die Käufer folgen.
Aber diese Logik könnte sich jetzt als überholt erweisen. Die nächste asiatische – oder auch nur chinesische – Generation könnte einen völlig anderen Geschmack und andere Präferenzen entwickeln als frühere Generationen. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass sie andere Wünsche haben. Und der Schritt von Hermès deutet darauf hin, dass das Unternehmen diesen Paradigmenwechsel erkannt hat.
Hermès startete seine neue Marke mit einem einzigen Geschäft in Shanghai. Das Interieur ist mit einem wabenförmigen weißen Stoff ausgestattet, der den Wänden eine weiche, helle Textur verleiht und die leichte Holzmaserung der Einrichtung unterstreicht. Die Einrichtungsgegenstände weisen keine scharfen Kanten auf und haben oft eine geschwungene Form. Die Marke, Shang Xia, wurde von der Designerin Jiang Qiong Er aus Shanghai von Grund auf neu erschaffen und bedeutet in Mandarin so viel wie „oben-unten“, eine offensichtliche Anspielung auf Yin und Yang. Designerin Jiang sagte, sie wolle alte Handwerkskünste in einem neuen Licht neu entwerfen, damit auch nachfolgende Generationen die Produkte noch wertschätzen.
„Ich glaube, dass der Aufstieg der chinesischen Wirtschaft Kunsthandwerk und Design fördern wird, aber wir werden Geduld haben müssen“, sagt Jiang. „Wir glauben, dass dies zu einer wesentlichen Komponente der Reaktion auf die globalen demografischen Veränderungen und wirtschaftlichen Verschiebungen im Luxusmarkt werden kann: die Anpassung an einst fremdartige asiatische Vorlieben und Kulturen, in dem Maße, in dem asiatische Konsumenten an Selbstbewusstsein gewinnen und sich mit ihrer Rolle als Trendsetter anfreunden.“
Europas Traditionen sind die Welt von gestern
Aber die Zukunft des Luxusmarkts ist asiatisch. Ob es um den Verkauf von Produkten auf dem östlichen Kontinent geht oder darum, asiatische Kunden in Märkten wie den Vereinigten Staaten oder Europa zu bedienen. In der Vergangenheit war Europa, mit seinen Jahrhunderte alten Traditionen, immer König. Aber das ist die Welt von gestern. Inzwischen haben ehemals stumme Bevölkerungsschichten eine Stimme gewonnen und die Kapitalflüsse haben sich verändert. Inzwischen kommen daher Luxuskunden immer öfter aus Asien, mit kulturellen Wurzeln, die traditionellen europäischen Luxusherstellern oft fremd sind.
Luxuskonsumenten wollen gemeinhin Dinge kaufen, die in der europäischen Tradition und Handwerkskunst verwurzelt sind. Aber wir glauben, dass sich das gerade ändert. Bislang bleiben auch asiatische Käufer noch bei traditionellem europäischen Luxus, aber es gibt viel Raum für neue Marken oder sogar für das Auftauchen unerwarteter Präferenzen. Dass Koreas ein so bedeutendes popkulturelles Zentrum werden konnte, ist eine solche Überraschung.
Zugleich hat der Aufstieg Chinas von einem riesigen und übermütigen Außenposten des Kommunismus zu einer kapitalistischen Bastion der Luxusbranche einen Goldrausch beschert. Noch 2005 war Japan asiatischer Marktführer in Sachen Luxus, und wohlhabende Chinesen haben nur ein Zehntel so viel ausgegeben wie Japaner. Nur sieben Jahre später begannen die Chinesen, japanische Luxuskonsumenten hinter sich zu lassen.
Chinesen ticken anders
Chinas Turbowachstum hat zu einem raketenartigen Anstieg der Ausgaben für Luxus geführt. Obwohl in China insgesamt weniger vermögende Privatpersonen leben als in Deutschland, liegt es bei den mittelhohen und sehr hohen Vermögen vorn, was den schnellen Aufstieg des Landes veranschaulicht. China ist nicht nur dominierend, weil es der größte Kämpfer im Ring ist.
Chinas reiche Konsumenten sind anders als jene anderer Länder. Der Grund ist einfach: die Regierung schränkt die Meinungsfreiheit immer noch stark ein. Aber sie erlaubt es den Bürgern, das ins Land strömende Geld uneingeschränkt auszugeben. Daher wollen sich Konsumenten durch das ausdrücken, was sie kaufen, da ihnen andere Ausdrucksformen kaum erlaubt sind. Die Chinesen bewegen sich gerade weg vom prestigegetriebenen Segment des Luxusmarkts hin zu einem reifen Markt. Sie suchen jetzt vermehrt nach anspruchsvollen Marken.
Studien zeigen, dass die Chinesen im Vergleich zu allen anderen Nationen in der Welt dem Luxus den höchsten Wert beimessen. Den wohlhabenden chinesischen Konsumenten sind ihre Luxuseinkäufe viel wichtiger als ähnlich vermögenden Kunden im Westen. Es ist beinahe so, als würden sie sich einer neuen Identität versichern. Geld ist dabei der Faktor, der ihnen Macht und Stärke verleiht. Chinas Luxuskonsumenten sind auch jünger als ihre Pendants im Westen. Wir haben herausgefunden, dass etwa 45 Prozent der Ausgaben des Landes für Luxusgüter von Leuten stammen, die jünger als 35 Jahre sind, verglichen mit 28 Prozent in Westeuropa.
Gewaltiger Umbruch
Es ist kein Geheimnis, dass jüngere Käufer eher bereit sind Geld auszugeben als ältere, konservativere Konsumenten. Die Altersverteilung ist nicht das einzige Unterscheidungsmerkmal für chinesische Konsumenten. Luxus ist für die Neureichen des Landes inzwischen ein so wichtiges Statussymbol, dass kostspielige Ausgaben auch in Einkommensgruppen angekommen sind, wo sie sich kaum jemand leisten kann. Wir haben auch herausgefunden, dass Haushalte mit einem Jahreseinkommen von kaum 40.000 USD regelmäßig Luxusprodukte kaufen. Und die Haushalte der oberen Mittelklasse tätigen jetzt etwa 12 Prozent der Luxuseinkäufe des Landes.
Das Land erlebt gerade einen gewaltigen Umbruch. „Was China gerade aus der Perspektive des Konsums durchmacht, ist ähnlich dem, was wir während der industriellen Revolution durchmachten“, sagt Brian Buchwald, Chef des Medienunternehmens Bomoda, das wohlhabende chinesische Modekonsumenten als Zielgruppe hat.
Chanel, Louis Vuitton und Gucci sind die Top-Marken
Da chinesische Konsumenten so sehr auf das achten, worauf andere Konsumenten um sie herum achten, haben es Luxusmarken ohne lange Tradition besonders schwer. Chinesische Konsumenten kaufen lieber Marken, über die andere sprechen – oder von denen andere ihnen erzählt haben. Die drei Top-Luxusmodemarken für Chinesen sind Chanel, Louis Vuitton und Gucci. Chinesen sind auch sehr vorsichtige Käufer. Das ist der Grund, warum eine starke Präsenz im Land entscheidend ist. Geschäfte oder Events vor Ort geben zögerlichen Käufern die Gelegenheit, einen interessanten exklusiven Artikel zunächst einmal zu sehen und anzufassen, bevor sie ihn mit nach Hause nehmen.
Die ersten Käufe einer bestimmten Marke erfolgen fast immer in China, aber Shopping im Ausland nimmt ebenfalls zu. Luxusmarken haben bereits erfolgreich begonnen, auf diese Trends zu reagieren. Schwergewichte wie Gucci und Hermès betreiben mittlerweile chinesische Filialen im zweistelligen Bereich, während sie in der Vergangenheit nur eine Handvoll hatten.
Im Ausland kaufen chinesische Konsumenten gern ein – und das aus gutem Grund. Hohe Zölle treiben die Preise von Luxusgütern im Inland in die Höhe. Unternehmen sollten davon ausgehen, dass die Zollgebühren in China etwa 30 Prozent des Warenpreises dort betragen – aber eine Reihe von Faktoren kann diese Diskrepanz auf bis zu 70 Prozent steigen lassen. Bei kleinen Accessoires machen diese Gebühren den Wohlhabenden nicht so viel aus. Wenn sie allerdings auf die Rechnung für einen Ledermantel, eine Uhr oder ein Auto aufgeschlagen werden, können diese Artikel dadurch unerschwinglich oder deutlich unattraktiver werden.
Hohe Zölle auf Luxusartikel
Chinesische Konsumenten wissen, dass sie angesichts der hohen Gebühren unter Umständen sogar kostenneutral im Ausland einkaufen können. Oft zahlen sie diese 30 Prozent lieber für einen Flug oder ein Hotel in Paris. Das chinesische Handelsministerium weiß, dass Zollgebühren Konsumenten abschrecken, und vor einigen Jahren wurden drastische Senkungen diskutiert. Aber die Beamten hatten Sorge, dass eine Änderung der Gebühren als Geschenk an die Reichen aufgefasst werden könnte, so dass am Ende doch nichts geschah. Obwohl die Regierung die Gebühren für einige Importe gesenkt hat, so etwa 2012 auf Milchpulver, kassiert sie immer noch hohe Gebühren auf Luxusartikel.
Weil das Einkaufen zu Hause so teuer ist, unterscheiden sich die Luxuskunden des Landes darin, wo sie ihr Geld ausgeben. Die meisten kaufen immer noch im chinesischen Kernland, trotz der hohen Gebühren. Nur eine kleine Minderheit meidet den Inlandsmarkt vollständig. Allerdings kauft etwa die Hälfte der chinesischen Luxuskonsumenten im Ausland und zu Hause ein. Das macht sie sehr einflussreich. Die meisten dieser Einkaufstouren führen nach Hongkong und Macao, aber immer mehr chinesische Luxuskunden ziehen inzwischen auch Europa als Shopping-Ziel in Betracht.
Shopping-Tourismus im Trend
Obwohl die Chinesen das meiste Geld für Luxus immer noch in China ausgeben, zeigen sie immer mehr Interesse, in Europa einzukaufen – und auch in den USA, immer noch der Luxusmarkt Nummer Eins. Shopping-Tourismus ist ein demografischer Trend, den Unternehmen bei ihren Werbeaktivitäten in Europa berücksichtigen sollten. Warum? Analysten glauben, dass Prada 2012 die Hälfte seines Umsatzes in Europa (ohne Italien) mit chinesischen Touristen gemacht hat. Dank dieser Umsatzspritze kletterten die europäischen Umsatzzahlen des Modehauses 2012 um ein Drittel nach oben. Luxusunternehmen sollten auch benachbarte asiatische Märkte im Auge behalten, um chinesische Kunden anzulocken. Orte wie Singapur und Südkorea üben einen besonderen Reiz auf wohlhabende chinesische Konsumenten aus.
Denken Sie nur daran, wie populär der Song „Gangnam Style“ und das zugehörige Video war – viele junge Chinesen finden Psy und ähnliche K-Pop-Stars viel angesagter als die ehemals vorherrschenden Künstler aus Japan. Es war schließlich immer schon wichtig für junge Leute, Trends an Orten zu finden, die ihre Eltern ignoriert haben. Für die Tourismusindustrie Südkoreas ist das Eindringen südkoreanischer Kultur in China ein Segen, da die Besucherzahlen jährlich stark zunehmen. Das ist zum Teil auf den wachsenden Wohlstand zurückzuführen, aber auch auf das chinesische Interesse an südkoreanischer Kultur.
Greater China – einschließlich Macao, Hongkong und Taiwan – ist ein bedeutsamer Markt für ausländische Luxusunternehmen. Während traditionelle Luxusmarken damit Erfolg hatten, einfach Läden zu eröffnen und eine starke Online-Präsenz zu zeigen, probieren viele, wie Hermès, spezielle Wege aus, um den dynamischen chinesischen Markt noch mehr abzuschöpfen.
Luxus neu überdenken
Hermès’ Konkurrent Kering hat einen noch direkteren Ansatz für die Expansion in den chinesischen Markt gewählt: sie kaufen Kunden. Ende 2012 übernahm das Unternehmen eine Mehrheit des ansässigen Juweliers Qeelin. Es schwieg sich über den Preis aus, behauptet aber, dass die Firma profitabel und mit 14 Geschäften in China gut positioniert sei. Der Schmuck kostet zwischen 20.000 HKD (2000 Euro) und 300.000 HKD (30.000 Euro) und ist sogar in Europa und Japan erhältlich.
Wir sind der Überzeugung, dass Akquisitionen eine hervorragende Möglichkeit sein können, um in China Fuß zu fassen. Ortsansässige Marken wie die Uhrmacher Shanghai Watch oder Seagull haben ihr volles Potential noch nicht ausgeschöpft und können von der einzigartigen Perspektive und Expertise eines größeren Unternehmens profitieren.
Das ungehemmte Wachstum des chinesischen Luxusmarkts ist bei der Kommunistischen Partei Chinas nicht unbemerkt geblieben. Nach dem Führungswechsel 2012 hat die Partei bei den Ausgaben durch Regierungsbeamte hart durchgegriffen. Das führte zu einem Einbruch dieser Ausgaben, was sich natürlich bei Luxusgeschenken bemerkbar machte. Aber auch bei Dienstleistungen für Beamte, denen der Staat vormals einen üppigen Lebensstil finanzierte.
Während die Kampagne gegen Korruption und Prestigekonsum direkte Auswirkungen auf die Umsätze in der Luxusbranche hatte, gab es Hinweise darauf, dass die Partei in Zukunft mehr tun könnte, um Einfluss auf den Luxussektor zu nehmen. Regierungsbeamte sagten, sie seien besorgt über die Teilung des Landes in Reiche und Arme (oder sogar Super-Reiche und Super-Arme) und verboten im Februar 2013 Werbung für protzige Güter und Dienstleistungen in den Fernseh- und Radiostationen des Landes.
Kritik an Werbeindustrie
Die Werbespots würden, so hieß es, „falsche Werte verbreiten und zu einem schlechten sozialen Ethos beitragen.“ Da dies schon das zweite Mal in zwei Jahren war, dass die Partei solch ein Verbot verhängt hat, sollte die von der Führung des Landes eingeschlagene Richtung nicht ignoriert werden. Unternehmen sollten die Maßnahmen der Partei gegen Luxusmarken allerdings zusammen mit den vorher erwähnten Überlegungen zur Reform der Gebühren betrachten, denn beide sind eine Art Yin und Yang. Während sich die Politik einerseits über den Graben zwischen Arm und Reich besorgt zeigt, hat die Partei auch Änderungen vorgenommen, die den Handel begünstigen.
Nur zögerlich kam die Luxusbranche zu der Einsicht, dass sich die Welt verändert hat. Denn sie war lange Zeit ein von Traditionen regierter Markt, der fest in der Aura der alten europäischen Welt verankert war. Aber das rasche Tempo der Innovation, der demografische Wandel und vor allem der gewachsene Einfluss asiatischer Käuferschichten und Wertvorstellungen haben selbst das trägste Luxusunternehmen aufhorchen lassen.
Und das ist erst der Anfang. Es ist an der Zeit, neu zu denken, was Luxus heute bedeutet.
Dieser Text ist ein übersetzter und überarbeiteter Auszug aus dem neu erschienen englischsprachigen Buch „Rethinking Luxury“ (LID Publishing), das der Autor zusammen mit Martin C. Wittig, Philip Beil und Fabian Sommerrock geschrieben hat.