Hermès’ Konkurrent Kering hat einen noch direkteren Ansatz für die Expansion in den chinesischen Markt gewählt: sie kaufen Kunden. Ende 2012 übernahm das Unternehmen eine Mehrheit des ansässigen Juweliers Qeelin. Es schwieg sich über den Preis aus, behauptet aber, dass die Firma profitabel und mit 14 Geschäften in China gut positioniert sei. Der Schmuck kostet zwischen 20.000 HKD (2000 Euro) und 300.000 HKD (30.000 Euro) und ist sogar in Europa und Japan erhältlich.
Wir sind der Überzeugung, dass Akquisitionen eine hervorragende Möglichkeit sein können, um in China Fuß zu fassen. Ortsansässige Marken wie die Uhrmacher Shanghai Watch oder Seagull haben ihr volles Potential noch nicht ausgeschöpft und können von der einzigartigen Perspektive und Expertise eines größeren Unternehmens profitieren.
Das ungehemmte Wachstum des chinesischen Luxusmarkts ist bei der Kommunistischen Partei Chinas nicht unbemerkt geblieben. Nach dem Führungswechsel 2012 hat die Partei bei den Ausgaben durch Regierungsbeamte hart durchgegriffen. Das führte zu einem Einbruch dieser Ausgaben, was sich natürlich bei Luxusgeschenken bemerkbar machte. Aber auch bei Dienstleistungen für Beamte, denen der Staat vormals einen üppigen Lebensstil finanzierte.
Während die Kampagne gegen Korruption und Prestigekonsum direkte Auswirkungen auf die Umsätze in der Luxusbranche hatte, gab es Hinweise darauf, dass die Partei in Zukunft mehr tun könnte, um Einfluss auf den Luxussektor zu nehmen. Regierungsbeamte sagten, sie seien besorgt über die Teilung des Landes in Reiche und Arme (oder sogar Super-Reiche und Super-Arme) und verboten im Februar 2013 Werbung für protzige Güter und Dienstleistungen in den Fernseh- und Radiostationen des Landes.
Kritik an Werbeindustrie
Die Werbespots würden, so hieß es, „falsche Werte verbreiten und zu einem schlechten sozialen Ethos beitragen.“ Da dies schon das zweite Mal in zwei Jahren war, dass die Partei solch ein Verbot verhängt hat, sollte die von der Führung des Landes eingeschlagene Richtung nicht ignoriert werden. Unternehmen sollten die Maßnahmen der Partei gegen Luxusmarken allerdings zusammen mit den vorher erwähnten Überlegungen zur Reform der Gebühren betrachten, denn beide sind eine Art Yin und Yang. Während sich die Politik einerseits über den Graben zwischen Arm und Reich besorgt zeigt, hat die Partei auch Änderungen vorgenommen, die den Handel begünstigen.
Nur zögerlich kam die Luxusbranche zu der Einsicht, dass sich die Welt verändert hat. Denn sie war lange Zeit ein von Traditionen regierter Markt, der fest in der Aura der alten europäischen Welt verankert war. Aber das rasche Tempo der Innovation, der demografische Wandel und vor allem der gewachsene Einfluss asiatischer Käuferschichten und Wertvorstellungen haben selbst das trägste Luxusunternehmen aufhorchen lassen.
Und das ist erst der Anfang. Es ist an der Zeit, neu zu denken, was Luxus heute bedeutet.
Dieser Text ist ein übersetzter und überarbeiteter Auszug aus dem neu erschienen englischsprachigen Buch „Rethinking Luxury“ (LID Publishing), das der Autor zusammen mit Martin C. Wittig, Philip Beil und Fabian Sommerrock geschrieben hat.