Chinesische Formensprache Gestalten statt Klauen

Chinesische Unternehmen erkennen den Wert guter Produktgestaltung. Mit Hilfe aus dem Westen entwickeln sie eine eigene Formensprache. Unternehmen wurden vielfach für ihr Produktdesign ausgezeichnet.

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Lenovo-Designer Yao Yingjia Quelle: Lenovo

Design aus China? Damit verbinden die meisten Menschen außerhalb des Landes selber kleine Buddhas, Seidenblusen, dekorative Schriftzeichen und viel Chrom an den Autos. Und wenn es nicht Winkekatzen sind, dann sind Produkte aus Chinas Unternehmen oft welche, die dem westlichen Betrachter verblüffend bekannt vorkommen. Eine Reihe von Autos, die spielend jeden Tatbestand des Plagiats erfüllen, zeigen, dass das Land seiner Tradition entsprechend zunächst von Vorbildern lernen will, bevor es selber zur Meisterschaft gelangt. Für die Designer aus aller Welt ein Ärgernis, dass sich viele Unternehmen mindestens einmal frech bedienen an der Formensprache der zeitgenössischen Industrie- und Produktdesigner.

Die besten Produktdesigns 2012
FreudenfeuerWenn es gut läuft, wird er nie gebraucht. Scheinbar nutzlos hängt ein Feuerlöscher an der Wand. Er schmückt auch nichts. Trotzdem drängelt er sich mit seiner roten Alarmfarbe in den Vordergrund – damit er im Ernstfall rasch gefunden wird. Der Firephant des schwedischen Herstellers GPBM Nordic AB begeisterte die Juroren Marten Claesson aus Schweden, den Koreaner Ken Nah und den Chinesen Renke He, „weil er so selbsterklärend wie einfach zu nutzen und im Notfall schnell einsatzbereit ist. Er verwandelt ein bislang unauffälliges Produkt in ein farbenfrohes Objekt mit zeichenhafter Aussage.“ Da spielt es bei einem Brand kaum noch eine Rolle, wenn der Nutzer nicht Schwedisch versteht. Die Piktogramme unter dem Wort „Brandsläckare“ erläutern die Funktion bildhaft. Quelle: Pressebild
LeuchttürmchenDie Designer Stefan Diez, Simon Ong und Guto Indio da Costa sahen hier mehr als nur ein Glasgefäß, in dem ein Feuer brennt: „Die Leuchte überführt das traditionelle Motiv eines wärmenden Feuergefäßes in eine zeitgemäße Formensprache. Als eine spannende Synthese aus Windlicht und Feuerstelle erinnert sie an die Form einer Flasche. Sie stellt damit auch in symbolischer Hinsicht eine sehr überzeugende Neuinterpretation dar.“ Der finnische Gestalter Ilkka Suppanen hatte bei dem mit Bioethanol betriebenen Licht für den Hersteller Iittala zusätzlich die Form alter Leuchtfeuer im Sinn, die bis zum 19. Jahrhundert entlang des Bottnischen Meerbusens Seefahrer leiteten und dann von modernen Leuchttürmen abgelöst wurden. Quelle: Pressebild
Zwischen-BikeHusqvarna Nuda 900 R – der etwas sperrige Name des Gefährts verrät dennoch ein wenig über die Idee. „Nuda“, wie nackt, bezieht sich auf die Kategorie der „Naked Bikes“, die keine Form von Bekleidung besitzen. Die Juroren Martin Darbyshire, Lutz Fügener und Ken Okuyama attestieren der Maschine, dass sie „mit ihrer minimalistischen und spannungsreichen Formensprache eine sehr gelungene Neuinterpretation der Marke darstellt und dem Betrachter ihre sportlichen Qualitäten vermittelt“. Als eine Mischung aus Naked Bike und der Kategorie Supermoto, die für Rennmotorräder steht, entzieht sich die 900 R den üblichen Schubladen. Alles an der 900 R soll sportlich und dynamisch wirken, vom Scheinwerfer bis zum Heck. Quelle: Pressebild
AllesmerkerFotos aus dem vergangenen Urlaub auf Bornholm, gescannte Zeugnisse, Lieblingsfilme – ausgelagerte Festplatten sind zurzeit der leichteste Weg, große Mengen an Daten außerhalb des Computers zu speichern und sie auf Reisen mitzunehmen. Und sie sehen irgendwie alle immer nach kleinen Kästchen aus mit Buchsen. Die Juroren Gordon Bruce, Cheng Neng Kuan und Renke He erheben die von Toshiba produzierte Festplatte STOR.E Edition hingegen zu einem „stilvollen Accessoire, deren ästhetisiert. Sie ist funktional, überaus schnell in der Datenübertragung und dabei leicht zu bedienen.“ Quelle: Pressebild
HochsitzSitzlehnen aufrecht und die Tische wieder hochgeklappt – bei Start und Landung kann der Sitz Basic Line 3520 von Recaro Aircraft Seating seine Vorteile nur zum Teil ausspielen. Sie sind zunächst unsichtbar. Dank leichter Materialien konnte das Gewicht des Sitzes reduziert werden, was hilft, die Spritkosten zu senken. Darüber hinaus begeisterte die Juroren Martin Darbyshire, Lutz Fügener und Ken Okuyama „die Funktionalität und Ergonomie. Das gesamte Konzept ist stimmig und durchdacht und vermittelt ein Gespür für jedes Detail.“ Die Sitze sind für die Kurz- und Mittelstrecken entwickelt worden, wo jeder zusätzliche Zentimeter zwischen Knie und Rückenlehne des Vordermanns von den Passagieren als Wohltat geschätzt wird. Je schmaler das Sitzpolster, desto mehr Platz. Quelle: Pressebild
Schicke WippeErwachsene bleiben wohl einfach drin liegen in dem Stoff, der um einen Holzrahmen gespannt ist. Dabei lädt die Shallow Swing zum Schaukeln ein. Quelle: Pressebild
PanzerknackerUngebetene Gäste in Gestalt von Einbrechern können ihr Handwerk stilvoll verrichten mit der verstellbaren Brechstange von Hultafors. Dank des isolierten Griffs schont sie die Hände bei der Arbeit. Quelle: Pressebild

Umso überraschender war der Name des Gewinners des Preises "designteam of the year" des Jahres 2013 - in direkter Folge auf Porsche. Die internationale Jury kürte das Unternehmen Lenovo und schwärmte von „beispielhafter Designarbeit“ und einer „Unternehmensstrategie, in der innovative und hochwertig gestaltete Produkte den wirtschaftlichen Erfolg nachhaltig prägen“. Ist das bereits die Wende vom Billigmachen zum Bessermachen?

Lenovos Designchef und Vice President Yao Yingjia nutzte die Preisverleihung für eine selbstbewusste Ankündigung: "Lenovo hat sich zum Ziel gesetzt, weltweit führend im PC-plus-Zeitalter zu werden - der Ära der Tablets, Smartphones, Smart-TVs und PCs." Die Auszeichnung sei eine "großartige Ermutigung, weiter Teil der globalen Designentwicklung zu sein - oder gar die Führung zu übernehmen". An Selbstbewusstsein mangelt es nicht.

Die Führung? Das sehen Kollegen aus Europa noch kritisch. Lenovo mache "cleanes Design, das aber nicht über das Gestaltungsniveau anderer Hersteller herausrage oder in dieser Branche Impulse setzt", meint Tom Schönherr, Managing Partner von Phoenix Design aus Stuttgart, die unter anderem aus Loewe eine Premiummarke formten.

Die chinesischen Unternehmen gewichten jedoch den Wert eigenständigen Designs immer stärker. Statt erfolgreiche Konzepte forsch zu adaptieren, setzen sie auf Hilfe aus Europa oder den USA. Der Autohersteller Quoros holte den erfahrenen Designer Gert Hildebrand, der unter anderem den Golf 3, einige Modelle bei Opel mitgestaltet hat und Chefdesigner bei Mini war.

Flacher Sieger - Das IdeaPad von Lenovo bekam den Designpreis red dot award. Quelle: Presse

Der Computerhersteller Lenovo zumindest meldete das beste Quartal der Firmengeschichte. Der Umsatz stieg auf ein Rekordhoch von 9,4 Milliarden Dollar. Ein Plus von zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Gestaltung ist seit der Übernahme der IBM-PC-Sparte ein Thema, und hier gehen die Chinesen mittlerweile eigene Wege. Bewusst hat der Hersteller darauf verzichtet, dem Idol Apple nachzueifern. Statt ausschließlich auf monochromes Alufinish zu setzen, verwenden sie frische Farben und Gerätehüllen, die zugleich an Leder und Gummi denken lassen - wie es Apple nun in der jüngsten Generation der iPhones tut.

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