Deutsche Auswanderer Warum Deutsche wegziehen: Zwei Auswanderungsberater berichten

Jung und meist hochqualifiziert: Die meisten Deutschen zieht es aus beruflichen Gründen ins Ausland. Quelle: imago images

Deutschland gibt sich Mühe, mehr Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken. Doch was ist mit den Deutschen, die nur noch weg wollen? Zwei Auswanderungsberater berichten über ihre Klientel.

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Deutschland sucht händeringend Fachkräfte: Lkw-Fahrer, Kitapersonal, IT-Expertinnen. Die Zuwanderung soll einfacher werden, lautet der Wunsch der Ampel-Regierung. Wenig im Blick haben sie eine andere Gruppe von Personen: Deutsche, die auswandern. Darunter sind viele Hochqualifizierte.

Gerade Deutschland ist im internationalen Vergleich mobil: In allen OECD-Staaten leben 3,8 Millionen Deutsche. Die Auswanderungsrate – bezogen auf die in Deutschland wohnende Bevölkerung – ist mit 5,1 Prozent höher als bei vielen anderen Industrienationen. Zum Vergleich: Für Menschen in Polen liegt die Rate bei 10 Prozent, bei US-Amerikanern (0,7 Prozent) sowie bei Japanern (0,6 Prozent) sind die Werte hingegen sehr niedrig.

Wer auswandert, sucht sich häufig Hilfe – die finden sie bei sogenannten Auswanderungsberatern. Zwei von ihnen erzählen, mit welchen Motiven Menschen zu ihnen kommen.

von Sophie Crocoll, Konrad Fischer

Da ist Jochen Schuppener, der eine gleichnamige Auswanderungsagentur führt. Er gruppiert seine Klientel in drei Kategorien, die sich bei ihm auch etwa die Waage halten. Da sind Berufstätige, die für eine bestimmte Zeit in einem anderen Land arbeiten möchten. Häufig entsenden Unternehmen die meist um die 25 bis 40 Jahre alten Personen. Sie wählen den Schritt für ihre Karriere und weil sie weltoffen sind, berichtet Schuppener. Bei ihm landen vor allem auswanderungsfreudige Beschäftigte aus der Auto- und Chemieindustrie sowie dem Maschinenbau.

Die Zeitspannen hätten sich in den vergangenen Jahren eher verkürzt, viele bleiben etwa zwei bis drei Jahre: Unternehmen sei aufgefallen, dass Beschäftigte, die etwa zehn Jahre im Ausland waren, oft schwierig zu reintegrieren seien, erklärt Schuppener: „Manche kommen zurück und merken: Ich passe hier einfach nicht mehr rein.“ Er hat auch eine Erklärung dafür. Wer gut in einem anderen Land ankommen wolle, müsse sich lokal anpassen – und viele passten sich sozusagen „zu gut“ an.



Deutsche Auswanderer

„Da gibt es eine große Unwissenheit“

Eine weitere Kategorie der Auswanderungswilligen seien politisch motiviert. „Ein bisschen frustriert, sozusagen deutschlandmüde, fühlen sich teils gegängelt von der Regierung“, beschreibt sie Schuppener. Auch durch die Pandemiebeschränkungen gab es noch mehr Personen als sonst, die aus politischen Gründen seine Beratung aufgesucht haben. Sie erhofften sich vom Auswandern, selbstbestimmter leben zu können, erzählt Schuppener. Auch der Ukrainekrieg schüre Zukunftsängste.

Und schließlich könnte man weitere Auswanderer noch in die Kategorie Ruheständler einordnen. Sie stört teils das deutsche Klima, teils auch politische Verhältnisse – vorrangig geht es ihnen oft um die Annehmlichkeiten woanders: In manchen Ländern sind die Lebenshaltungskosten niedriger, man kommt man mit einer kleinen Rente besser aus. Ihnen gehe es oft um ein wärmeres Klima und eine andere Lebensart; sie erhofften sich gar eine Art zweiten Frühling. Schuppener selbst hat einen Beratungsfokus auf Asien. Besonders Thailand sei beliebt bei Ruheständlern. „Dass die politische Lage in Thailand angespannt ist und es viele Unruhen gibt, sehen viele nicht“, merkt er an. „Da gibt es auch eine große Unwissenheit – und teils auch Ignoranz.“

Wenn Schuppener Tipps an Auswanderungsinteressierte gibt, sind ein paar grundlegende folgende: nicht direkt alle Zelte abbrechen. Nicht direkt die Krankenversicherung kündigen, er rät zu einer sogenannten Anwartschaft; eine Art Stand-by-Modus, in der man nur einen geringen Betrag bezahle. Klären sollte man: Wie steht es um Sprachkenntnisse, Eigentum, Einkünfte? Wie ist die politische Situation in dem Land? Denn: „Ein hoher Anteil kehrt zurück. Viele hatten einfach unrealistische Vorstellungen.“

Studie zeigt: Deutsche Auswanderer sind hochqualifiziert

Eine langjährige Studie des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt deutlich, welches Motiv bei Auswanderern überwiegt: 58 Prozent von ihnen zieht es aus beruflichen Gründen ins Ausland. Bei knapp 30 Prozent spielten berufliche Gründe des Partners oder der Partnerin eine Rolle. Vor allem Hochqualifizierte gehen den Ergebnissen zufolge ins Ausland. Von einem „Brain Drain“ könnte man aber keineswegs sprechen, betont Jean Décieux, einer der Studienautoren: Denn der Großteil plane schon vor dem Auswandern, nach einer gewissen Zeit zurückzukehren – und sie bringen neue Erfahrung mit. Das nenne sich „Brain Circulation“. Die Auswanderer sind den Daten des Instituts zufolge zumeist zwischen 20 und 39 Jahre alt. Die Über-50-Jährigen machten nur einen geringen Anteil aus.

Auch Sabina Hoffmann berät Auswanderungswillige. Sie arbeitet in der Raphaelswerk-Beratungsstelle in Hannover. Die Motivation derjenigen, die sich bei ihr Unterstützung holen, sei ebenfalls unterschiedlich. Ein Punkt ist ihr wichtig: Wer gehen will, weil er unzufrieden ist, sollte sich dazu noch in der Heimat Gedanken machen. „Unzufriedenheit nimmt man häufig mit.“ Eine Scheidung sei ein Beispiel, oder finanzielle Schwierigkeiten.

Die beliebtesten Länder der Deutschen zum Auswandern sind die beiden Nachbarländer Österreich und Schweiz. Auf Platz drei: die USA. Warum eigentlich? Immer noch hätten viele ein Bild im Kopf, dass das Land „unbegrenzte Möglichkeiten“ biete, sagt Hoffmann. Während Abkommen die Arbeitsmigration in EU-Ländern vereinfachen, sind die Hürden, in Amerika zu arbeiten, bekanntermaßen deutlich höher. Das Visum hätten einige dennoch „nicht so auf dem Schirm“, erzählt Hoffmann, was sich häufig erst in den Gesprächen zeige. Bei Hoffmann wurde im vergangenen Jahr Kanada als Top-Auswanderungsziel nachgefragt. Doch ein Blick auf die Seite der Einwanderungsbehörde zeige schnell, ob man in eine der Einwanderungskategorien passe – oder nicht.

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Übrigens: Nicht erst seit der Pandemie kämen zu ihr verstärkt Beschäftigte, die mobil arbeiten und sich dafür vorübergehend eine neue Heimat suchen wollen. Und auch um arbeitsrechtliche Fragen, Sozialversicherung und steuerliche Belange hätten sich die wenigsten schon Gedanken gemacht.

„Der Beratungsbedarf für deutsche Rückkehrer ist enorm hoch“, erklärt sie außerdem. Auch für eine ungeplante Heimkehr könne es viele Gründe geben: Das Visum kann nicht verlängert werden, die Eltern zuhause werden pflegebedürftig, man selbst wird krank oder verliert den Job – und auch Heimweh kommt vor.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im März 2023. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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