Deutscher Diversity Preis Die Mischung macht´s

Seite 3/4

Werner Meyer, 63, Commerzbank Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Eine ähnlich hohe Wertschätzung seines Arbeitgebers genießt Thorsten Scheibe. Der 43-Jährige hat sein gesamtes Berufsleben bei der Deutschen Bank verbracht – auch, weil die großes Verständnis für seine private Situation zeigt: Scheibe will sich so intensiv wie möglich an der Pflege seines geistig behinderten 18-jährigen Sohnes beteiligen. So kann auch seine Frau berufstätig bleiben.

Um so flexibel wie möglich arbeiten zu können, hat Scheibe seinen Posten als Leiter einer Bankfiliale in Berlin nach acht Jahren aufgegeben und arbeitet seit Dezember 2009 als Vertriebscoach für die Deutsche Bank. So kann er nicht nur regelmäßig um 15 Uhr zu Hause für seinen Sohn da sein, sondern diesen auch in akuten Notfällen – Scheibe junior leidet unter epileptischen Anfällen – sofort abholen und zu Hause versorgen.

Aufs Abstellgleis hat die Deutsche Bank Scheibe deswegen nicht geschoben: Als "Karrierepause" beschreiben beide Seiten Scheibes Situation – ein Zustand, der enden kann, sobald Scheibes Sohn eine betreute Einrichtung besucht.

"Mitarbeiter mit diesem Engagement und diesem Fachwissen lässt man nicht ziehen", sagt Kerstin Pramberger, die in Deutschland das Diversity-Management der Deutschen Bank verantwortet. "Wenn wir gute Mitarbeiter halten wollen, müssen wir ihnen attraktive und flexible Arbeitsbedingungen bieten."

Offene Atmosphäre bei der Commerzbank

Eine ähnlich offene Atmosphäre herrscht bei der Commerzbank: Hier hat sich mit Arco das größte deutsche Unternehmensnetzwerk für homosexuelle Mitarbeiter gebildet. Gegründet 2002, engagieren sich inzwischen knapp 400 Mitarbeiter der Bank für ein Betriebsklima, das heute weitgehend frei ist von Ressentiments in Fragen sexueller Orientierung.

Das hat auch Werner Meyer ermutigt, offen zu seiner Homosexualität zu stehen. Der 63-jährige Experte für die Finanzierung kommunaler Projekte arbeitet seit 1968 bei der Commerzbank – schon damals, mit Anfang 20, wusste er, dass er sich eher zu Männern als zu Frauen hingezogen fühlte. Trotzdem gründete er eine klassische Familie, führte jahrzehntelang ein Doppelleben.

Die Angst, sich zu outen, lähmte ihn zusehends. Er ließ Aufstiegschancen ungenutzt, rund 30 Prozent seiner Produktivität blieben deswegen über Jahre auf der Strecke, schätzt er heute. "Seine eigene Identität so konsequent zu unterdrücken raubt unheimlich viel Kraft", sagt Meyer. "Das geht auf Kosten der Arbeitsleistung."

Mittelstand mit Nachholbedarf

Unterstützt durch das Commerzbank-Netzwerk Arco, machte Meyer schließlich vor sechs Jahren seine Homosexualität publik. Heute ist die kein Thema mehr: Meyer arbeitet wieder hoch motiviert für die Commerzbank, "meine Handbremse ist gelöst – das rechne ich der Bank hoch an."

Barbara David hört das gern – und bleibt doch realistisch: "Wir machen das nicht nur aus Altruismus", sagt die Leiterin des Diversity-Managements der Commerzbank. Diversity-Management helfe einem Unternehmen, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden "und die besten Mitarbeiter zu finden".

Die sucht auch Kai Teckentrup. Und weil der Geschäftsführer des mittelständischen Tür- und Torherstellers aus Verl qualifizierte deutsche Bewerber in der ostwestfälischen Provinz immer seltener findet, hat das Thema Diversity für ihn strategische Bedeutung.

Als einer der wenigen Mittelständler unterschrieb er die Unternehmensinitiative "Charta der Vielfalt", die sich dem Thema Diversität verschrieben hat. Seit 2000 wirbt er gezielt Menschen mit Migrationshintergrund an, um den Export anzukurbeln. Und etablierte eine Atmosphäre der Offenheit und Wertschätzung, um die Effektivität im Unternehmen zu erhöhen. Etwa durch verstärkten Austausch mit den größten Mitarbeitergruppen – Türken, Polen, Deutsch-Russen. Deren heimliche Gruppenchefs fungieren heute als Sprachrohr in die Belegschaft.

Zusätzlich organisierte er Workshops für seine homogene Führungsmannschaft – weiß, deutsch, katholisch, Familienvater mit zwei Kindern. "Woher sollten die auch wissen", sagt Teckentrup, "was ihre Kollegen aus Anatolien so umtreibt?"

Aushänge weisen hin auf die Regeln des islamischen Fastenmonats Ramadan, umgekehrt sind für Ausländer Deutschkurse Pflicht. Teckentrup bildete multinationale Teams, deren Expertise auf die Bedürfnisse der lokalen Märkte abgestimmt ist. Das Ergebnis: Der Exportumsatz stieg in kurzer Zeit um fünf Prozent. "Wo jemand herkommt, ist mir egal", sagt Teckentrup. "Hauptsache, die Leistung stimmt."

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%