Die Zahlenfrau
Beine einer Frau und vieler Männer Quelle: dpa

Schafft die Manels ab!

Öffentliche Diskussionsrunden, in denen (fast) nur Männer sitzen, vermitteln eine falsche Realität. Zusammen mit Christoph Bornschein und André M. Bajorat fordere ich: Weg mit den Männer-Panels.

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Wenn ich meine LinkedIn-Timeline aufrufe, staune ich immer wieder. Letzte Woche zum Beispiel: Zwei Fotos vom Wirtschaftsgipfel einer großen deutschen Zeitung. Auf der Panelbühne saß eine Frau, ansonsten nur Männer. Im Publikum: ebenfalls nur Männer. Schon länger wird Industrien wie der Auto- oder der Finanzbranche nachgesagt, dass sie zu männerlastig seien. Aber ein Mediengipfel?

Ich möchte nicht mehr an öffentlichen Diskussionsrunden teilnehmen, die nur oder fast nur mit Männern besetzt sind.

Wie finden Männer Manels?

Vielen mag es logisch erscheinen, dass ich mich als Frau zu diesem Thema positioniere. Deswegen habe ich mich mit zwei Männern unterhalten, die ebenfalls nicht mehr an Manels teilnehmen.

Einer davon, Christoph Bornschein (siehe Bild oben), hatte einen entsprechenden Gastbeitrag für ein großes deutsches Medium verfasst, der abgelehnt wurde. Anstatt dessen wurde seine Co-Gründerin von TLGG zum Thema befragt. Eine klassische Sender-Empfänger-Bias: Offenbar werden immer nur Frauen zu Fragen der Diversität befragt. Damit erweisen sich alle Beteiligten einen Bärendienst, denn beides sollte selbstverständlich sein.

Auch André M. Bajorat (siehe Bild oben), Fintech-Urgestein, bezieht klar Stellung gegen Manels und hat mir erzählt, warum das so ist.

Miriam Wohlfarth: Christoph, André, warum ist es wichtig, Manels abzuschaffen?
Christoph Bornschein: „Panels sind ein Abbild öffentlicher Kommunikation und rein männlich besetzte Panels vermitteln die Botschaft, dass nur Männer etwas zu sagen haben. So entsteht keine realistische Perspektive auf Themen, wird immer ein falsches Rolemodel vermittelt.“
André Bajorat: „Richtig, Panels müssen die Realität vermitteln, und die besteht nun mal nicht nur aus Männern. Die in Manels abgebildete, verzerrte Realität muss so schnell wie möglich beendet werden. Während Diskussionsrunden im Fernsehen schon etwas diverser besetzt sind, sieht es bei den Veranstaltungen, die ich besuche, oft traurig aus.“

Christoph Bornschein, André Bajorat Quelle: PR

Sowohl Christoph als auch André haben sich in der Vergangenheit zum Thema Manels geäußert. Die Reaktionen darauf fielen zwiegespalten aus: Viel Applaus von Frauen, wenig Verständnis von Männern. Woran liegt das?

Vor was haben Männer Angst?
Bajorat: „Ich denke, unterschwellig ist das eine Machtfrage. Der Standard-Reflex von Männern, wie ich ihn oft auch im persönlichen Gespräch erlebe, lautet: „Was soll das denn? Es geht doch darum, die Besten zu finden, und nicht darum, zwanghaft eine Frau auf die Bühne zu holen.“ Oder: „Das hat doch bisher auch niemanden gestört“.“

Qualität versus Parität – das alte Totschlagargument. Dabei ist es nicht mein Anliegen, ab sofort alle Panels oder Vorstände weiblich zu besetzen. Oder Frauen auf die Bühne zu holen, die keine Ahnung vom Thema haben.

Bajorat: „In meinem Umfeld kenne ich genug inhaltlich starke Frauen, die sich gut als Speaker eignen. Sie werden nur selten gefragt, oder wenn dann gerne mal mit der lapidaren Begründung „Du, wir suchen noch eine Frau.“ Da hätte ich persönlich auch keine Lust, an einem Panel teilzunehmen.“
Bornschein: „Männer leiden hier oft an einem Einfluss- und Machtverlustreflex. Das ist erst einmal nachvollziehbar: Wenn bisher 100 Prozent der Panels, oder, vergleichbar, 100 Prozent der Aufsichtsratsposten männlich besetzt sind, bleibt bei Berücksichtigung von Frauen natürlich weniger vom Kuchen übrig. Männer sorgen sich darum, hier etwas aus den falschen Gründen zu verlieren. Sie haben Angst, dass ein Posten an eine Frau geht, weil sie eine Frau ist, und nicht wegen ihrer Leistung. Um sich selbst in diesem Reflex zu enttarnen, braucht es ein reflektiertes Selbstbild.“

Macht es einen Unterschied, ob sich ein Mann oder eine Frau gegen Manels engagiert?
Bajorat: „Gerne wird mir, wenn ich die Teilnahme an einem rein männlich besetzen Panel absage, vorgeworfen, ich wolle mich als Mann dem Zeitgeist anbiedern. Oder dass meine Einwände alle gut und schön seien, aber man sich doch nun bitte wieder auf Inhaltliches und nicht auf Nebenschauplätze fokussieren solle. Was ist die Alternative? Schweigen, um solchen Vorwürfen zu entgehen? Die Diskussion den Frauen überlassen, als sei das nur ihr Problem und kein gesamtgesellschaftliches?“

Gab es ein Erlebnis, bei dem ihr dachtet: Jetzt reicht’s?
Bajorat: „Ein echtes Problembewusstsein ist bei mir durch Unterhaltungen mit Frauen entstanden. Eine Freundin von mir war auf einem Event der Versicherungsbranche: Unter 75 Speakern eine Frau! Spätestens da habe ich beschlossen, nicht mehr an Manels teilzunehmen. Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel auf Linkedin zum Thema Manels veröffentlicht – die Diskussion dazu war teilweise unterirdisch. Da gab es eigentlich so gut wie keine ernsthafte Auseinandersetzung bei den Männern, im besten Fall gönnerhafte Kommentare.“
Bornschein: „Unsere Agentur TLGG arbeitet mit Kunden aus unterschiedlichen Branchen. Und da fällt mir auf: Richtig extrem wird es im nicht-öffentlichen Raum, etwa bei Kundenveranstaltungen. Vor allem im traditionellen Mittelstand wird das Thema oft nicht reflektiert und diskutiert. Da ist dann nicht nur ein Panel männlich besetzt, sondern gleich die ganze Veranstaltung. Klar – es wird immer Orte geben, die nicht divers sind. Auch langfristig wird aus einer Ballermannparty keine Re:publica, und das ist okay so. Aber Frauen aus öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen, ist, als würde man Frauen nicht in Zeitungen zitieren. Da wird eine Öffentlichkeit von Teilinteressen etabliert, die dann als Allgemeininteresse verkauft wird. Letztlich bin ich selbst in vielen Panels ein „diverser Teilnehmer“ – häufig jünger als der Durchschnittsteilnehmer, nie im Anzug. Das Fehlen von Frauen in öffentlichen Diskussionen ist nur das sichtbarste Zeichen mangelnder Diversität.“

Was tut ihr konkret, um mehr sichtbare Diversität zu schaffen?
Bajorat: „Ich bin Mitorganisator einer Finanz-Veranstaltungsreihe. Deswegen weiß ich, dass es durchaus Wege gibt, Panels paritätisch und gleichzeitig inhaltlich attraktiv zu besetzen. Ich gehe bei der Planung aktiv auf Unternehmen und Kontakte zu und frage: „Wen könnt ihr empfehlen?“. Die Devise lautet: Sprechen, zuhören, Kontakte mit anderen teilen. Für eine Veranstaltung habe ich über Twitter nach Speakerinnen gesucht und ganz tolle Vorschläge bekommen. Unter Veranstaltern teilen wir Listen mit passenden weiblichen Speakern. Klar, das kostet alles mehr Zeit als die Besetzung eines Buddy-Panels. Aber nur so kommen wir weg vom „Den kenn ich doch“ hin zu „Die kenn ich doch“, wenn wieder mal eine öffentlichen Diskussionsrunde besetzt werden soll.“
Bornschein: „Wir unterstützen einige Medien, die sich des Themas annehmen, etwa die Edition F oder den Podcast Role Models. In den Bereichen, die wir beeinflussen können, suchen wir den größten Hebel und betätigen ihn, schaffen Evidenzen. Das gilt auch für unser Paritätsstreben im eigenen Unternehmen.“

Wir schaffen das!

Bis wir in Deutschland überwiegend paritätisch besetzte Panels haben, ist es noch ein langer Weg. Andererseits punkten Veranstaltungen wie die Re:publica schon immer mit einer ausgeglichenen Sprecher-Quote, denn die Veranstalter haben sich aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich werde mich auf jeden Fall weiter dafür engagieren, dass öffentliche Veranstaltungen vor allem eines sind: Ein Abbild der Öffentlichkeit – die in Deutschland aus 39 Millionen Männern und 41 Millionen Frauen besteht.

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