Einwanderer Warum Deutschland für viele Ausländer so attraktiv ist

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Deutschland ist ein ehrliches Land

Marina Preyssat, Frankreich Quelle: Privat

Marina Preyssat, 18, Studentin aus Frankreich

Am 1. Oktober geht es nach Deutschland. Ich bin schon sehr gespannt. Immerhin bin ich wegen meines Faibles für Deutschland extra von meinem Heimatort Aix-en-Provence in Südfrankreich nach Lothringen an das deutsch-französische Hochschulinstitut für Technik und Wirtschaft in Metz gewechselt. Wenn mir das nun die Möglichkeit eines Studienjahrs in Saarbrücken eröffnet, so hoffe ich, dass ich dort Karriere machen und mir ein Leben aufbauen kann.

Für mich ist Deutschland nicht nur der Inbegriff eines wirtschaftlich prosperierenden Landes. Ich finde auch, dass Deutschland kulturell und landschaftlich sehr reich ist. Was das Arbeitsleben angeht, habe ich diese Vorstellung von Teamgeist und Arbeit in Gruppen, die für mich gleichbedeutend mit Erfolg sind.

Thossaporn Saensawatt, 26, Jurastudent aus Bangkok

Thossaporn Saensawatt, Thailand Quelle: Austin Bush für WirtschaftsWoche

Deutschland-Fan bin ich seit 2002. Ich war 14 Jahre alt. Es war Sommer und die Fußball-WM in Japan und Südkorea. Deutschland schoss sich bis ins Finale gegen Brasilien. Bei den Deutschen gab es keine Stars wie Ronaldo. Die Mannschaft war stark, weil alle Spieler gemeinsam auf den Erfolg hingearbeitet haben. Das hat mir imponiert.

In der Wissenschaft ist das ähnlich: Es gibt kein Harvard, Cambridge oder Oxford. Aber ein dichtes Netz an hervorragenden Hochschulen, die Deutschland einzigartig machen. Wenn meine Freunde erzählen, dass sie in Amerika studiert haben, lautet die erste Frage immer: „An welcher Universität?“ Anders ist das, wenn man sagen kann: „Ich habe in Deutschland studiert.“ Das reicht als Qualitätsnachweis.

Ich werde in den kommenden Jahren an der Universität Passau über die Grundprinzipien des Grundgesetzes promovieren. Ich glaube, dass Deutschland eine der besten Verfassungsordnungen der Welt hat. In meiner Heimat Thailand wird die Verfassung oft missbraucht.

Ich war bereits in Deutschland. Einmal war ich mit einer thailändischen Studentengruppe unterwegs. Wir besuchten die Frankfurter Uni und waren mit der Assistentin eines Professors verabredet. Wie das in Thailand üblich ist, kamen wir zehn Minuten zu spät. Die Gastgeberin war verärgert. Sie sagte: „Das geht so nicht, ihr müsst pünktlich sein.“ So direkt würde in Thailand nie jemand Kritik üben. In Thailand geht man Konflikten aus dem Weg. In Deutschland ist man ehrlicher. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber ich glaube, es ist unter dem Strich besser. Ein Höhepunkt steht für mich schon fest: Public Viewing bei der Fußball-WM. Dieses Mal klappt es vielleicht gegen Brasilien.

Maria Marta, 48, und Claudio Zollinger, 52, Ärzte aus Salvador/Bahia

Maria Marta und Claudio Zollinger, Brasilien Quelle: Adenor Gondim für WirtschaftsWoche

Die Idee, nach Deutschland zu ziehen, ist konkreter geworden, je älter unsere beiden Söhne wurden. Wir wollen ihnen ein anderes Gesellschaftsmodell zeigen. In Brasilien wachsen die Kinder in einer anarchischen Gesellschaft auf. Konsum ist König, das überdrehte Chaos der Alltag. Wir sehnen uns nach Deutschland, wo wir nach unseren Kurzbesuchen den Eindruck haben, dass die Jugendlichen noch viel unschuldiger sind, ruhiger aufwachsen können als in Brasilien. Die Kinder können in Deutschland länger Kinder bleiben. In Brasilien schminken und kleiden sich 15-jährige Mädchen schon wie Filmstars und schicken Fotos herum von sich im Bikini. Der ganze Alltag ist übersexualisiert hier in Brasilien. Jugendliche agieren hier schon in der Pubertät wie Erwachsene. Wir schätzen an Deutschland die verlässlichen Regeln. Die Ernsthaftigkeit, mit der dort Dinge behandelt werden: Vom Sport bis zur Tierhaltung und Umweltschutz, alles ist wohldurchdacht organisiert. Es ist letztendlich eine gesellschaftliche Reife, die Deutschland für uns attraktiv macht.

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