Besser gemacht hat es in den 90er-Jahren Mitbewerber Daimler, der in die Schlagzeilen geriet, weil die Mercedes-A-Klasse beim sogenannten Elch-Test auf die Seite kippte. Zwar stürzte sich die Presse auf diesen Skandal, Daimler reagierte darauf – im Gegensatz zu VW – mit einer offensiven Werbekampagne mit dem Slogan: "Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt." Der Konzern bekannte sich nicht nur zum Scheitern, sondern hielt die Öffentlichkeit auch auf dem Laufenden darüber, wie er den Fehler beheben konnte. Obwohl das Unternehmen zunächst gescheitert war, wurde daraus im Nachhinein keine Niederlage, sondern ein Sieg.
Für Stöhr gehören das Scheitern und der Erfolg unmittelbar zusammen. "Im Erfolgreich-Sein steckt auch die Gefahr des Scheiterns. Gleichzeitig kann das Scheitern aber auch die Quelle des Erfolgs sein", meint der Philosoph. Denn: Nur wer bereit ist, zu scheitern, wird sich weiterentwickeln und so lernen, erfolgreich zu sein – so wie es bereits der irische Schriftsteller Samuel Beckett formulierte: "Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuche es wieder. Scheitere besser."
Natürlich steht am Anfang des Versagens erst einmal die Enttäuschung, vielleicht auch die Wut – aber vor allem die Scham gegenüber dem Umfeld. "Die Menschen brauchen in dieser Situation erst einmal Zeit, die negativen Emotionen zu verarbeiten", sagt Abele-Brehm.
Doch anstatt unbeirrt fortzufahren und die Niederlage zu verdrängen, sollten die Betroffenen laut Abele-Brehm ihr Scheitern nach der emotionalen Verarbeitung auf ehrliche Weise analysieren – allein, aber auch mit Freunden oder Familienmitgliedern. "Man sollte sich darüber im Klaren werden, wie es dazu kommen konnte, inwieweit man selbst dafür verantwortlich ist und wie man es beim nächsten Mal besser macht."
In manchen Fällen gelingt es sogar, dass endgültige Scheitern noch kurzfristig abzuwenden. Denn Menschen versagen nicht von heute auf morgen. Wenn sie eine Niederlage erleben, ist dieser laut Stöhr ein schleichender Prozess vorausgegangen, der verschiedene Phasen durchläuft.
In den meisten Fällen, weiß Stöhr, deutet sich der potenzielle Misserfolg bereits unterschwellig an – der Betroffene ist vielleicht etwas unsicher, aber er nimmt die Gefahr noch nicht bewusst als ein mögliches Scheitern wahr. Dann, in der nächsten Phase, registriert er das potenzielle Scheitern. Die dritte ist die Entscheidungsphase, in der die Weichen für das zukünftige Handeln zu stellen sind. Die zwei Grundoptionen sind: "Halte ich weiter an meinem Ziel fest – weil ich beispielsweise schon Zeit und Geld investiert habe? Oder gebe ich das Ziel auf und stelle neue Weichen, verliere dabei allerdings die bereits eingesetzten Ressourcen?"
Als Stöhr nach der Wende in der DDR selbst vor dieser Entscheidung stand, entschied er sich für die zweite Option: Er verließ die Uni, absolvierte eine Management-Ausbildung, machte sich als Trainer selbstständig und gründete seine "Philosophische Praxis" – mit der er heute noch erfolgreich ist.