Expat Thailand Bloß nicht das Gesicht verlieren

Wie sich die politische Krise in Thailand im Arbeitsalltag auswirkt, warum man Meetings mit Vier-Augen-Gesprächen vorbereitet und Montags mit gelbem Hemd zur Arbeit geht, berichtet Expat Henning Streubel.

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Henning Streubel, Partner der Boston Consulting Group Quelle: Russ Campbell

Montags gehe ich mit einem gelben Hemd zur Arbeit. So wie die meisten Thailänder. Der beliebteste aller Thailänder, König Bhumibol Adulyadej, wurde nämlich an einem Montag geboren. Da dem Montag die Farbe Gelb zugeordnet ist, tragen wir nun zu Ehren des Staatsoberhauptes einmal in der Woche gelbe Kleidung.

Monarchie, Religion und Tradition spielen hier in allen Lebensbereichen eine große Rolle: Überall in der Stadt sieht man Bilder des Königs und kleine Altare – und einmal im Jahr kommen buddhistische Mönche in unser Büro, um die bösen Geister zu vertreiben.

Wie ein solcher böser Geist belastet schon seit mehreren Jahren eine politische Krise das Land. Immer mehr Investoren ziehen Nachbarstaaten mit einer stabileren politischen Situation Thailand vor. Geschäftlich beeinträchtigten vor allem die zeitweiligen Einschränkungen des Flugverkehrs unsere Arbeit, da die Berater der Boston Consulting Group (BCG) im ganzen südostasiatischen Raum im Einsatz sind. Ansonsten hat die politische Krise aber zum Glück bislang kaum Auswirkungen auf unseren Arbeitsalltag.

Viele Thailänder sprechen Englisch, in Vietnam brauchen wir dagegen Dolmetscher

Aufgrund des starken Wirtschaftswachstums in Thailand und der gesamten Region wächst auch der Bedarf an Beratungsdienstleistungen. Gerade die Energiebranche boomt hier und bietet uns die Möglichkeit, viele äußerst interessante Projekte zu begleiten.

Für mich als Energieexperten war das einer der Hauptgründe, mich vor drei Jahren für einen Transfer vom Münchner BCG-Büro nach Bangkok zu entscheiden. Zu den größten Herausforderungen meiner Kunden zählt momentan neben der Volatilität der Ölpreise vor allem die Erschließung schwer zugänglicher Gasfelder in der Tiefsee und die Suche nach Abnehmern, die die nötige Infrastruktur für die Nutzung dieser Energiequellen bieten. Meine Kunden sitzen von Australien bis Japan im ganzen Asien-Pazifik-Raum – ich habe also viel Gelegenheit, diese Seite des Globus kennenzulernen.

Meine Vorstellung, Asien sei eben Asien, habe ich dabei schnell revidiert. Singapur zum Beispiel ist äußerst international, hier sprechen alle unsere Geschäftspartner Englisch und haben häufig die westlichen Traditionen übernommen. In Vietnam dagegen müssen wir meist mit Dolmetschern arbeiten, was die Kommunikation natürlich deutlich erschwert.

Hierarchien spielen eine große Rolle

In Thailand musste ich mich vor allem an die stark ausgeprägten hierarchischen Strukturen gewöhnen. In Deutschland äußern alle Teammitglieder – unabhängig von Alter und Hierarchiestufe – stets ihre Meinung, Diskussionen werden offen geführt. Hier dagegen sind meine jüngeren Kollegen zunächst zurückhaltend. Erst wenn sie anfangen mir zu vertrauen, steigt ihre Bereitschaft, ihre eigenen Ansichten zu äußern und kritische Fragen zu stellen.

Auch im Umgang mit thailändischen Kunden spielen Hierarchien eine große Rolle. Das Schlimmste, was man seinem Geschäftspartner antun kann, ist ihn sein Gesicht verlieren zu lassen. Wer ihn also beispielsweise vor seinen Untergebenen kritisiert oder seine Meinung in Anwesenheit anderer infrage stellt, hat für immer verspielt. Um derartige Situationen zu vermeiden, sprechen wir vor wichtigen Meetings mit jedem einzelnen Teilnehmer unter vier Augen. Das ist zwar mehr Arbeit im Vorfeld, aber dafür erlebt man im Meeting selbst keine bösen Überraschungen.

Da in der gesamten Region immer wieder kulturelle und sprachliche Barrieren die Zusammenarbeit erschweren, bemühen wir uns darum, mehr Einheimische für den Beraterjob zu gewinnen. Viele unserer Nachwuchsberater haben ein MBA-Studium an einer renommierten amerikanischen Business School absolviert, wir bauen jedoch auch immer mehr Kontakte zu lokalen Hochschulen auf.

Viele Absolventen dieser einheimischen Universitäten benötigen zwar bei ihrem Einsteig erst einmal ein intensives Englischtraining, aber schon nach kurzer Zeit stehen sie den Studenten internationaler Studiengänge nur wenig oder gar nichts mehr nach.

Neben lokalen Unternehmen arbeiten wir natürlich auch häufig für multinationale Großkonzerne in Südostasien. Sprache und Kultur bilden hier keine Barriere, auch entwickeln sich unter den Expats und Zugezogenen schnell persönliche Beziehungen.

Meine Freude am Joggen ist in Thailand etwas gedämpft

Einziger Haken: Viele dieser von europäischen oder amerikanischen Unternehmen entsandten Mitarbeiter ziehen nach drei oder vier Jahren zurück in ihr Heimatland. Nachfolger übernehmen ihre Posten – und der Aufbau der Kundenbeziehung beginnt von vorne.

Auch privat brachte der Umzug nach Bangkok einige Veränderungen mit sich. Meine Freude am Joggen ist hier etwas gedämpft, da ich mich aufgrund der hohen Luftverschmutzung danach immer fühle, als hätte ich eine Zigarette geraucht.

Andererseits genieße ich es, am Wochenende mal kurz mit meiner Frau und meinen drei Kindern an die traumhaften Strände des Golfs von Thailand zu fahren oder wenig erschlossene Regionen wie Südchina oder Kambodscha zu erkunden. Und wenn ich frühmorgens die Mönche in ihren orangefarbenen Kutten sehe, die mit den ersten Sonnenstrahlen durch die Straßen ziehen, denke ich jedes Mal: Was für ein magisches Land.

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