Expat Warum Bescheidenheit in den USA zu Problemen führt

Bei amerikanischen Kunden muss man den richtigen Ton treffen, und der sollte nicht zu leise sein. Amerikaner strotzen vor Selbstbewusstsein, sagt Peter Brünke, der die Tochter der Huss Umwelttechnik im kalifornischen Palm Springs leitet.

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Peter Brünke

An meinem ersten Arbeitstag in Palm Springs war mir schon ein wenig mulmig zumute. Ich saß etwas verloren an einem Ikea-Tisch, in einem 400-Quadratmeter-Büro.

Vor mir lagen mein Laptop, mein Handy – und ein Produkt, das hier niemand kannte: der Huss-Diesel-Rußpartikelfilter.

Bei kleineren Autos hat sich Diesel in den USA bis heute nicht durchsetzen können. Die Amerikaner mögen ihn nicht, er hat ein schlechtes Image. Viele halten Dieselmotoren für die Hauptursache des Smogs in Los Angeles und New York.

Doch wir hatten einen entscheidenden Vorteil: Die Umweltvorschriften werden stetig verschärft, insbesondere in Kalifornien unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Huss beliefert vor allem Hersteller von Baumaschinenfahrzeugen und Schulbussen, die nach den neuen Gesetzen Partikelfilter nachrüsten müssen, weil sie für neue Fahrzeuge ohne diese Technik keine Zulassung mehr bekommen. So konnten wir unsere Nische schon nach zwölf Monaten erobern und beschäftigen mittlerweile 20 Mitarbeiter in Kalifornien und New York.

Dennoch muss man beim Kunden den richtigen Ton treffen, und der sollte nicht zu leise sein.

Amerikaner strotzen vor Selbstbewusstsein, sie singen bei jeder Gelegenheit ihre Nationalhymne und sehen sich als das Zentrum der Welt. „World Champion“ und „the best in the world“ sind hier Ausdrücke die jedem leicht über die Lippen gehen. Deswegen ist Bescheidenheit keine Zier, wenn man in den USA erfolgreich sein will.

Darauf muss man sich einstellen, vor allem im Vertrieb. Der Geschäftspartner könnte sonst denken: „Wenn noch nicht einmal der Verkäufer von seinem Produkt überzeugt ist, wie kann ich ihm dann vertrauen?“

Skepsis, Vorbehalte, mögliche Probleme – davon will hier niemand etwas hören. Ohne eine aggressive „Yes-we-can-do-it-Mentalität“ kommt man hier nicht voran. Deutsche Bedenkenträger-Tugenden sollte man sich also unbedingt abgewöhnen.

Beim amerikanischen Lebenslauf wird teilweise getrickst

Weil mir das zu Beginn noch nicht klar war, musste ich vor allem beim Einstellen von neuen Mitarbeitern immer wieder Lehrgeld zahlen.

Die Lebensläufe von Bewerbern sehen immer perfekt aus, und im Gespräch gibt es im Wesentlichen nur zwei Antworten: „Das ist kein Problem für mich.“

Und: „Diese Aufgabe habe ich schon einige Male erfolgreich gelöst.“ Und falls der Bewerber in irgendeinem Bereich keinerlei Erfahrung hat, erwidert er, dass er besonders schnell lerne. Doch leider sieht die Realität oft anders aus: Ein amerikanischer Lebenslauf ist selten vollständig, außerdem wird teilweise getrickst und gelogen. Eine Frau, die sich als Assistentin beworben hatte, verfügte beispielsweise nur über rudimentäre Anfängerkenntnisse von Office-Software wie Word oder Excel. Dabei hatte sie angegeben, sie habe bereits fünf Jahre Erfahrung als Büro-Assistentin.

Aber auch meine amerikanischen Mitarbeiter mussten sich erst an ihren deutschen Chef gewöhnen. Eine Assistentin holte ich an ihrem zweiten Arbeitstag in mein Büro und bat sie, die Tür zu schließen, um in Ruhe ihre Aufgaben der nächsten Tage durchzugehen. Verwundert stellte ich fest, dass sie plötzlich mit zitternden Händen und Panik in den Augen vor mir saß. Erst später fand ich heraus, dass eine geschlossene Tür meist die Entlassung des Mitarbeiters bedeutet und Türen im Regelfall offen bleiben.

Meine erste Entlassung musste ich dennoch früh hinter mich bringen. Ich setzte meine erste Sekretärin bereits nach zwei Wochen wieder vor die Tür, nachdem sie mit der Begründung, sie sei für den Tag fertig, um drei Uhr nachmittags nach Hause ging – ohne es mir mitzuteilen. Hire and fire sind hier an der Tagesordnung. Am nächsten Morgen um zehn war ihre Nachfolgerin da.

Das gute Wetter und die Sonne Kaliforniens haben einen spürbaren Einfluss auf die Arbeitsmoral der Menschen. Mittlerweile stellen wir lieber Bewerber von der Ostküste ein. Die Mitarbeiter von dort scheinen hartes und zuverlässiges Arbeiten eher gewohnt zu sein.

Trotz allem gefällt mir die Mentalität hier. Bemerkenswert ist der enorme Vertrauensvorschuss, den Amerikaner neuen Geschäftspartnern entgegenbringen. In Deutschland muss man sich Vertrauen immer erst hart erarbeiten.

Weil die Amerikaner deutlich schneller neue Projekte oder neue Kundenbeziehungen starten, kommt es zwar öfter zu vermeidbaren Fehlern. Doch Fehler werden umgekehrt auch schneller verziehen, sofern man gemeinsam mit seinem Kunden nach einer Lösung sucht.

Der Fernsehjournalist Claus Kleber, der lange Jahre als Korrespondent aus Washington berichtete, schrieb einen, wie ich finde, schlauen Satz über diesen Unterschied zwischen Amerika und Deutschland: Amerika sei ein Land, das immer wieder schreckliche Fehler mache – die meisten durch das Handeln. Die Fehler Deutschlands hingegen entstanden in den vergangenen Jahrzehnten eher durch die Angst vor dem Handeln.

An manches werde ich mich in Nordamerika allerdings nicht gewöhnen. So vermisse ich als gebürtiger Franke einen gepflegten Biergarten. Und die Varianten-Armut der meisten amerikanischen Speisekarten – mit den immergleichen Steaks, Burgern, Ribs, Chicken Wings, Caesar-Salaten, Pasta oder Pizza – lässt mich immer wieder wehmütig von Schweinebraten, Knödeln, Rotkraut und einem gepflegten bayrischen Bier träumen.

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