Im Büro wurde es mal wieder länger, die Akkus sind leer. Anstatt den Weg zum Fitnessstudio einzuschlagen, wird lieber das heimische Sofa angesteuert. Dort rollen dann höchstens nur noch die Augen, wenn man bei Serien wie "Suits" hängen bleibt. Darin spannt smarten Anwälten der gut definierte Bizeps unterm Sakko, die weibliche Riege tippelt gertenschlank durch die Gänge.
Doch für alle Überstundenschieber und Schreibtischsitzer kommt nun die neue, gute Botschaft. Das effektivste Workout, um fit und schlank zu bleiben, ist vor allem eines: schnell und unkompliziert.
Das belegen zahlreiche neue Studien. Und das Zauberwort dafür lautet High Intensity Training (HIT). Dabei handelt es sich um ein kurzes, knackiges Programm, das überall durchgeführt werden kann und daher perfekt ist für Zwischendurch, auch im Büro.
Das Training ist sogar bewiesen. "Die wissenschaftliche Initialzündung kam vor einigen Jahren aus den USA", sagt Patrick Wahl, Leiter der Abteilung Ausdauerdiagnostik und Belastungsforschung an der Sporthochschule Köln. "Dort haben Forscher den Vergleich gemacht zwischen einer Gruppe, die mehrere Wochen ein jeweils 90-minütiges, moderates Ausdauertraining absolvierte, und einer zweiten Gruppe, die in sehr kleinen Intervallen, vier bis sechs mal 30 Sekunden unter höchster Belastung trainierte."
Was bei HIT am Arbeitsplatz wichtig ist
Es genügt ein kleines Zeitfenster, das variieren und bis zu maximal 30 Minuten betragen kann.
Da man wenig Platz braucht, kann überall trainiert werden. Ob direkt am Schreibtisch, im Aufenthalts- oder Sportraum des Büros (falls vorhanden).
T-Shirt zum Wechseln, Turnschuhe. Wer Jeans trägt, kann diese anbehalten, sonst Jogginghose, eventuell Tubes (Gummibänder für gewisse Übungen), Handtuch für Trainingseinheiten am Boden.
Wer morgens duscht und Deo verwendet, kann ruhig mal für ein paar Minuten ins Schwitzen kommen. Es gibt in der Regel keine Geruchsbildung. Wer stark zur Transpiration neigt, sollte davor und danach mit Deo für guten Duft sorgen.
Es zahlt sich aus, unmittelbar davor nicht zu viel zu essen, da der Körper dadurch mehr an seine Reserven geht. Optimal ist eine HIT-Einheit vor dem Frühstück oder Mittagessen, danach gerne etwas Eiweißhaltiges essen. Während des Trainings viel trinken.
Das Ergebnis war überraschend: Beide Gruppen waren gleich fit. Sie erzielten die gleichen Resultate in puncto Ausdauerleistungsfähigkeit. Doch der zeitliche Aufwand mit HIT war deutlich geringer.
Seitdem wird die Trainingsmethode nicht nur vehement diskutiert, sondern findet immer mehr Anhänger.
Das American College of Sports Medicine befragte weltweit mehr als 3800 zertifizierte Fitness-Profis nach den beliebtesten Fitness-Trends 2014: HIT landete auf dem ersten Platz.
Dass sich dieses Training in den vergangenen Monaten in der Fitness-Welt verbreitet, liegt vor allem an seiner kurzen Dauer. "Kaum jemand hat Zeit für ein ausgedehntes Ausdauertraining", sagt Veronika Chmiel, Diplom-Sportlehrerin und Fitness-Coach aus Düsseldorf. "Wenige Minuten hat jeder übrig, und effektiv ist es eben auch."
Sie rät dazu, zwei- bis dreimal in der Woche ein hohes, intensives Training dieser Art zu absolvieren. "Ob im Büro, zu Hause oder im Urlaub - HIT funktioniert überall."
HIT gibt es inzwischen in verschiedenen Variationen. Die kürzeren Trainingseinheiten dauern nur wenige Minuten. Das Tabata-Training, benannt nach einem Forscher aus Japan, ist in vier Minuten absolviert, andere Programme dauern bis zu 30 Minuten.
Das Prinzip dabei ist jedoch stets gleich: Trainiert wird mit gängigen Fitnessübungen, die jeweils unterschiedliche Muskelpartien ansprechen. Und zwar in sehr kurzen, dafür extrem intensiven und anstrengenden Intervallen, ohne große Pausen. Das Wichtigste dabei: "In den 30 bis 60 Sekunden jeder Trainingseinheit muss man an seine Grenzen gehen und alles geben. So werden in zehn Minuten locker 100 Kalorien verbraucht", sagt Chmiel.
Ein guter Gradmesser für intensivstes Training sei etwa, zu üben, bis die Muskeln förmlich brennen. Ob das gesamte HIT-Training dann etwas kürzer oder länger ausfällt, könne je nach Zeitfenster jeder für sich entscheiden.
Das ideale Training setzt sich aus drei Teilen zusammen: einer kurzen Aufwärmphase, intensiven Übungen für die einzelnen Muskelpartien und einer kleinen Stretch- und Erholungsphase.
Sport am Arbeitsplatz
Fitness-Coach Veronika Chmiel empfiehlt Einsteigern Folgendes: Zum einen sollte man eine Grundfitness mitbringen und kein starkes Übergewicht haben. Zum anderen ist es empfehlenswert, sich das Training anfangs von Profis zeigen zu lassen. "Das beugt Fehlern bei der Ausführung vor, und das Fitness-Level kann individuell ermittelt werden." Bereits nach ein paar Übungseinheiten im Studio könne HIT problemlos alleine in den Alltag integriert werden.
Doch was sagen Chefs und Kollegen dazu, wenn der Schreibtisch plötzlich zum Workout-Platz wird? Laut aktueller Statistik der AOK hat sich in den Unternehmen die Notwendigkeit, für Bewegung am Arbeitsplatz zu sorgen, in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Demnach arbeiteten 2004 bundesweit 4800 Unternehmen mit der Krankenkasse an Projekten der Betrieblichen Gesundheitsförderung, 2012 waren es bereits 8200. "Immer mehr Betriebe investieren in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Dieses Engagement senkt wiederum Krankenstände und Fluktuation, steigert die Mitarbeiterzufriedenheit und führt zu mehr Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit", sagt Michael Bernatek vom AOK-Bundesverband. Bewegungsangebote für Mitarbeiter sind dabei ein fester Bestandteil des Projekts.
HIT-Training mit Apps & Co.
Das 7-Minuten-Training: Kurze Trainingseinheit und damit perfekt fürs Büro. Diese App basiert auf einem erfolgreichen HIT-Programm, das im New York Times-Magazin vorgestellt wurde. Sie motiviert durch eine eigene Challenge: 7 Monate lang, 7 Minuten zu trainieren. Kosten: Gratis-App.
Ein effektives 15-Minuten-Workout bietet die Plattform Gymondo an. Das Fitnessprogramm läuft über das Internet, trainiert wird mit erfahrenen Trainern und Physiotherapeuten. Wie mit Apps, kann daher überall trainiert werden, wo es die Technik möglich macht. Eine Online-Mitgliedschaft gibt es ab 9,99 Euro im Monat.
Tabata Pro: Wer HIT nach dem 4-minütigen Tabata-Programm absolvieren, aber beim Training nicht immer auf die Armbanduhr schielen will, bekommt Hilfe durch diese App. Der Timer fürs Einzeltraining ist für 2,69 Euro zu haben.
New Fatburner: Das Ganzkörpertraining von Jutta Schuhn basiert auf Erkenntnissen von HIT und zielt vor allem auf dauerhafte Gewichtsreduktion ab. Die DVD ist bei Amazon erhältlich und kostet 27,90 Euro.
Tägliche Trainings: Bewährte Trainingsübungen sprechen alle wichtigen Muskelpartien an und helfen in wenigen Minuten, fit zu bleiben. Zeigt verbrauchte Kalorien an. Kosten: 3,59 Euro.
Generell gehören in vielen Firmen Fitnessräume und sogar Duschen inzwischen zum festen Inventar. Aber auch wenn der Sport im eigenen Haus noch nicht so etabliert ist: So gut wie jedes Büro verfügt über einen Aufenthaltsraum, der für Sport in den Pausen genutzt werden kann. Und da gilt es dann, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und Vorreiter zu sein. "Man muss sich nur trauen, und die Kollegen ziehen dann vielleicht sogar nach", so Fitness-Trainerin Chmiel. Umdenken lohnt sich, denn es liege auf der Hand: "In der Raucherecke stehen, oder lieber ein paar Minuten was für seine Fitness tun? Was ist wohl positiver?"
Und das Umdenken lohnt sich: Mit den neuesten Resultaten aus Wissenschaft und Praxis ist die bisherige Faustregel "Laufen ohne zu Schnaufen" überholt.
Denn die Muskulatur wird durch intensives Training maximal beansprucht. Das Ergebnis: maximaler Energiebedarf pro Zeiteinheit. Eines darf dennoch nicht fehlen: volle Konzentration.
"Wer halbherzig auf dem Crosser trainiert und dabei Zeitung liest, erziel daher kaum einen Effekt", sagt Chmiel. "Wenn man mit dem Kopf arbeitet, kann man ja auch nicht nebenbei Zeitung lesen. So ist es auch bei körperlicher Arbeit." Zudem profitiere man durch HIT vom so genannten Nachbrenneffekt: "Der Körper ist nach dem Training ausgebrannt und geht an seine Reserven, sprich an seine Fettzellen. Auf diese Weise lernt er, auf direktem Weg an seine Fettpolster zu gehen."
HIT ist also gut, um mit wenig Aufwand fit und schlank zu bleiben. Wer jedoch zum Beispiel Marathon läuft oder viel Fahrrad fährt, sollte variieren: "Eine Leistungsverbesserung erzielt man dann am besten mit einer Kombination aus HIT und einem moderaten, langem Ausdauertraining, etwa an den Wochenenden", so Wahl. Die Wissenschaft zeige, dass sich für eine sehr effektive Leistungssteigerung ein polarisiertes Training empfiehlt. "Das heißt, entweder sehr lang und locker trainieren oder es eben richtig krachen lassen."