
Angekündigt war eine Podiumsdiskussion über Frauenförderung. Aber diskutiert wurde am Dienstag beim Brunch der Personalberatung PEAG im Düsseldorfer Ständehaus nicht. Auf dem Podium saßen die nordrhein-westfälische Ministerin für Emanzipation Barbara Steffens von den Grünen und die Vizepräsidentin der Westfälischen Hochschule Katrin Hansen. Und die waren sich einig: Wir brauchen Frauenquoten. Auch die moderierende Handelsblatt-Redakteurin wollte sich offensichtlich gar nicht vorstellen, dass irgendjemand etwas gegen Quoten haben könnte. So war das Gespräch, was Gespräche über dieses Thema in Deutschland fast immer sind: ein kollektiver Monolog, in dem die Sinnhaftigkeit der Quote nicht begründet, sondern vorausgesetzt wird.
Steffens und Hansen spulten professionell dieselben Argumente ab, die auch beim fast zeitgleich stattfindenden „Frauengipfel“ im Bundeskanzleramt zu hören waren: Die Quote ist überfällig, weil die bisherigen freiwilligen Maßnahmen der Unternehmen zur Frauenförderung nicht oder zu langsam wirken. NRW-Emanzipationsministerin Steffens: „Ohne Quote werden wir es erst schaffen, wenn es zu spät ist.“ Und Hansen assistierte: „Es gibt kein Unternehmen mehr, in dem man sich keine Gedanken über Frauenförderung macht. Aber es ist die Frage, wie schnell das greift.“
Zu langsam? Der Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten der 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten Unternehmen ist zwischen Januar 2011 und März 2013 von 6,5 auf 11,1 Prozent gestiegen. Das ist in nur zwei Jahren ein Anstieg um rund 80 Prozent, zum Jahresende kann man möglicherweise von einer Verdopplung sprechen. Doch die einflussreiche Pressure-Group „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAr) spricht lieber von „4,6 Prozentpunkten“, die „nur eine marginale Verbesserung“ seien.





Der künstlich geschaffene Zeitdruck – meist mit dem angeblichen Fachkräftemangel notdürftig begründet – ist eine der argumentativen Keulen, mit denen in kürzester Zeit in Deutschland ein Konsens herbeigeprügelt wurde. Die Quote ist auf dem besten Wege ein ebenso alternativloses Ziel der politischen und wirtschaftlichen Eliten in Deutschland zu werden wie die Rettung des Euro. Ebenso wie die Euroretter verkünden auch die Quotenpolitiker immer wieder dieselben Kampfbegriffe. Zu den wichtigsten gehören die so genannten „gläsernen Decken“, also von Männern installierte Strukturen, die Frauen angeblich den Aufstieg in Organisationen verwehren. Belege für die Existenz dieser ominösen Hindernisse sind nicht vorhanden, aber auch nicht notwendig, solange der Glaube an sie immer wieder herbeigebetet wird.
Nicht fehlen dürfen in jeder Quotenpredigt auch die Klagen über die zu bekämpfenden „Seilschaften“ der Männer in Führungspositionen und der Wunsch nach mehr „Netzwerken“ von aufstiegswilligen Frauen. Auf die Frage, was denn der Unterschied zwischen beiden sei, erklärte Emanzipationsministerin Steffens geduldig: Männer-Seilschaften seien gleichbedeutend mit Klüngel, also: „Wenn inkompetente Männer trotzdem nach oben kommen“. Die Netzwerke der Frauen hingegen seien „inhaltlich“ motiviert, es gehe darum, geeignete Kandidatinnen zu finden. Da mochte Hochschulvizepräsidentin Hansen nicht widersprechen. Sie bekannte freimütig, ihre Professur über das „Netzwerk Frauenforschung NRW“ bekommen zu haben. Mit Klüngel habe das selbstverständlich nichts zu tun. Hansens Kompetenz besteht unter anderem darin, dass sie nun Gender-Aspekte in alle Lehrveranstaltungen einfließen lassen kann.
"Qualifikation statt Quote"





Dass es weniger Frauen als Männer in den Führungsetagen gibt, ist eine Tatsache. Doch dies muss nicht unbedingt an diskriminierenden Hindernissen und Männer-Seilschaften liegen, die es zu beseitigen gilt. Es dürfte vielmehr an einer ganzen Reihe von Faktoren liegen, unter denen das offenbar geringere Interesse der Frauen an bestimmten Karrierewegen und ihre Bildungs- und Ausbildungsvorlieben sicherlich eine große Rolle spielen. Allen „Girls’ Days“ zum Trotz wird nur eine kleine Minderheit der jungen Frauen Ingenieurin. Auch viele begabte Frauen, das zeigen sozialwissenschaftliche Untersuchungen, entscheiden sich für andere Wege als begabte Männer – nach freiem Willen. Vermutlich träumen weniger junge Frauen als junge Männer von einem Leben als Konzernvorstand. Darin, wie es die Bundeskanzlerin auf dem Frauengipfel am Dienstag formulierte, „eine Vergeudung von menschlichen Möglichkeiten“ zu sehen, zeugt von dem bevormundenden und zutiefst freiheitsfeindlichen Antrieb der aktuellen Gleichstellungspolitik. Wer ist denn die Kanzlerin, dass sie sich ein Urteil über die „menschlichen Möglichkeiten“ ihrer Mitbürgerinnen anmaßen könnte?
Auch wenn die staatliche Quote erst 2018 kommen sollte und zunächst auf Aufsichtsräte beschränkt sein sollte, das Prinzip Quote hat die Diskurshoheit schon jetzt erobert: Unkritische Aufmunterungsveranstaltungen wie der Frauengipfel der Kanzlerin und die unermüdliche Lobby-Arbeit von Organisationen wie FidAr und dem „Netzwerk Frauenforschung NRW“ haben es geschafft, dass die geringere Zahl von Frauen auf bestimmten Führungspositionen als Indiz für Diskriminierung akzeptiert wird. Und dass nun Gleichheit durch eine rechtlich fixierte Ungleichbehandlung herbeigeführt werden soll. Dieses Ziel der Gleichstellung wird allgemein als so herausragend akzeptiert, dass offene Einwände gegen das Mittel Quote als unschicklich erscheinen. Immer mehr Unternehmen haben das Prinzip auch ohne gesetzlichen Zwang übernommen: Die Telekom, Allianz, BMW und die meisten anderen Konzerne haben sich feste Frauenquoten für Führungspositionen auferlegt.





Ernsthafte und grundsätzliche Kritik am Weg in den Quotenstaat formiert sich daher fast nur außerhalb der Parteien und Unternehmen. Mit der „Frankfurter Erklärung“, einer Initiative des BWL-Professors Günter Buchholz, fordern einige Hundert Männer und Frauen, darunter viele Professoren, unter dem Motto „Qualifikation statt Quote“ das Ende der Gleichstellungspolitik. Es ist kein Zufall, dass die Kritik oft aus dem Wissenschaftsbetrieb kommt. Einem Sektor, der wie der gesamte öffentliche Dienst besonders stark von der staatlichen Gleichstellungspolitik betroffen ist. Eine hohe Frauenquote wird bei Evaluierungen von Instituten und Hochschulen als Qualitätskriterium angenommen – unabhängig davon, was die Frauen in Forschung oder Lehre tatsächlich leisten.
Buchholz und die 578 Unterzeichner treffen mit ihrer Kritik genau den wunden Punkt der Quotenpolitik: Gleichstellung ist nicht Gleichberechtigung, wie oft unterstellt, sondern bedeutet geradezu das Gegenteil davon. Das Grundgesetz fordert Gleichberechtigung – und eben nicht Gleichstellung. „Gleichberechtigung bedeutet die Gewähr gleicher Chancen bei erstens völliger Wahlfreiheit und zweitens Ergebnisoffenheit. Gleichstellung hingegen bedeutet Ergebnisgleichheit, unter Ignoranz oder gar Missachtung gleicher Chancen“, heißt es in der Erklärung. Und weiter: „Gleichstellungspolitik ist ungerecht. Sie nimmt erstens die verfassungswidrige Diskriminierung von Männern nicht nur billigend hin, sondern sie betreibt sie vorsätzlich, während sie gleichzeitig eben dies verleugnet. Und sie diskriminiert zweitens auch Frauen, nämlich solche, die ihre Positionen allein durch ihre eigene Qualifikation und Leistung erreicht haben, und die jetzt erleben müssen, dass andere Frauen durch Gleichstellungspolitik ohne Ansehen ihrer Leistung beruflich aufsteigen können und an ihnen vorbeiziehen.“
Die Rückkehr der Privilegiengesellschaft
Dass es hinter dem Schleier der öffentlichen Quotenpropaganda bereits einen großen Unmut gegen die diskriminierenden Folgen von Gleichstellungsmaßnahmen in Unternehmen und im öffentlichen Dienst gibt, zeigte auch die Intranet-Revolte bei Daimler. Aus einem Beitrag einer Mitarbeiterin in einem Blog entwickelte sich eine hitzige Debatte, in der viele Kollegen ihrem Zorn über konzerninterne Frauenquoten freien Lauf ließen. Dadurch angeregt hat der Verein „agens“ in diesen Tagen einen Aufruf verfasst, um Berichte von Betroffenen zu sammeln. Es ist der erste Versuch, die psycho-sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Gleichstellungsungerechtigkeit zu erfassen.





Der Quotenstaat, auf den wir zusteuern, ist ein tiefer Einschnitt in die rechtliche und gesellschaftliche Wirklichkeit. Seine Propagandisten und Profiteure sind eine zahlenmäßig ziemlich kleine Schicht von ohnehin schon gut gestellten Frauen, denn nur für sie, nicht für die Kassiererin, die Lehrerin oder Krankenschwester kommen die quotierten Führungsposten in Frage. Sie wollen, wie es in der Frankfurter Erklärung heißt „unter Verletzung des Leistungsprinzips, außerhalb des Wettbewerbs und unter Inkaufnahme der Diskriminierung von konkurrierenden Männern in berufliche und gesellschaftliche Positionen gelangen“. Bezahlen wird dafür die gesamte Gesellschaft, nicht nur durch die Effizienzverluste, die jede Verletzung des Leistungsprinzips mit sich bringt.
Die Gesellschaft bezahlt durch die Aufweichung eines kostbaren Verfassungsprinzips: Die Quote schafft einen Präzedenzfall für die Aushebelung des Gleichheitsgrundsatzes. Zum freiheitlichen Rechtsstaat gehört unabdingbar, dass am Beginn jedes Verfahrens gleiche Rechte stehen und der Ausgang offen ist. Quotenregelungen und Gleichstellungsmaßnahmen bedeuten genau das Gegenteil der hehren Ziele Emanzipation und Diskriminierungsverbot, mit denen sie oft in einem Atemzug genannt werden.
Auf dem Arbeitsmarkt des Quotenstaats wird jeder Mensch nicht allein nach seinen Fähigkeiten bewertet, sondern auch nach seinem Geschlecht, also einem angeborenen Merkmal. Die Quote ist daher ein Schritt zurück zur vormodernen Privilegiengesellschaft, in der die Geburt über Lebenschancen mitentschied.