Friseurtrends Die Rückkehr der Barbershops

Haariges Handwerk: Barbershops zelebrieren fast vergessene Techniken für Bart und Kopfhaar. In den Nostalgiesalons darf Mann noch Mann sein.

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Welche Bakterien im Bart lauern und was man(n) dagegen tun kann
Bakterien im Bart Quelle: Fotolia
Toilette Quelle: dpa
Bakterien Quelle: dpa
Kopfhaare Quelle: dpa
Wie auch die Haare auf dem Kopf sollte der Bart regelmäßig gewaschen werden. Am Besten eignen sich milde Shampoos, die die Haut nicht austrocknen. Von normaler Seife sollten Bartträger dagegen die Finger lassen. Quelle: Fotolia
Hände waschen Quelle: dpa
Kuss Quelle: dpa

Der Bart bleibt dran, und das macht Mühe, Abschneiden kann ja jeder. Ahmed Al Musawi tänzelt mit seiner Schere dicht vor dem prachtvollen, rotflammigen Bart seines Kunden. Zielsicher erwischt er die Haare, die er kürzen will. Sein williges Opfer legt den Kopf vertrauensvoll in den Nacken, als Al Musawi das Rasiermesser am Hals anlegt.

Mit präzisen Bewegungen schneidet er eine Kante zwischen Barthaar und Adamsapfel. Langsam richtet sich der Kunde auf, nickt wohlwollend und blickt zufrieden in sein Spiegelbild. Wie ein getrimmter Buchsbaum ein Grundstück markiert, flankiert der Bart nun das Antlitz seines Trägers. Ein Prachtstück, das zugleich das Image seines Eigners prägen soll.

Barber

Vor einigen Monaten eröffnete Al Musawi in Düsseldorf den Captain’s Barbershop – und liegt damit voll im Trend. Die Zahl der Friseure ist in Deutschland im vergangenen Jahr mit etwa 80.000 Salons konstant geblieben. Doch fast wöchentlich eröffnet momentan ein Barbershop in jeder besseren deutschen Großstadt. Wie viele es genau sind, weiß der Zentralverband des Friseurhandwerks nicht. Der Grund ist bürokratischer Natur: Bereits vor 15 Jahren habe man aufgehört, Herrensalons als eigenständige Betriebe statistisch zu erfassen – bislang sei die Zahl noch zu klein. Aber das könnte sich in ein paar Jahren ändern. Denn die Barbershops verkaufen mehr als einen guten Haarschnitt und eine Rasur. Sie sind Orte der Sehnsucht von Männern, denen in Zeiten der Metrosexualität die letzten Reservate abhanden kommen, in denen sie Mann sein können.

Die besten Adressen für Vintagefriseure

Die Rasur dient längst nicht mehr bloßer Hygiene, sondern ist gleichzeitig Pflege des Persönlichkeit. Der Bart ist seit einigen Jahren Accessoire wie modische Aussage. Auch wenn sich der Schnauzbartträger weiterhin Spott anhören muss: Der Vollbart ist gesellschaftlich vollkommen akzeptiert.

Schon lange gilt ein Bart in vielen Kulturen traditionell als Signal der Männlichkeit. Gleichzeitig steckte dahinter immer auch eine politische Aussage. Auffallend viele Männer aus dem politisch linken Spektrum trugen ihn in den Siebzigerjahren, um ihre Ablehnung bürgerlicher Konventionen zu verdeutlichen.

Ein gepflegter Bart ist eine haarige Angelegenheit
Die schlechte Nachricht vorneweg: Nicht jedem Mann steht Bart. Vor allem steht nicht jedem ein Vollbart. Welcher Bart-Typ jemand ist, hängt von den jeweiligen Gesichtszügen und der Form des Gesichtes ab. Quelle: dapd
Aber: Ein Vollbart kann aus einem optischen Milchbubi einen Mann machen. Das findet zumindest Haar-Experte Bruce Reith aus Düsseldorf. Wer sehr feine, weibliche Gesichtszüge kaschieren und männlicher aussehen möchte, sollte über einen Vollbart nachdenken. Allerdings braucht der Bart entsprechende Pflege. Quelle: AP
Wie auch die Haare auf dem Kopf sollte der Bart regelmäßig gewaschen werden. Am Besten eignen sich milde Shampoos, die die Haut nicht austrocknen. Von normaler Seife sollten Bartträger dagegen die Finger lassen. Quelle: Fotolia
Um den Bart zu trimmen, damit es nicht wild wuchert und sprießt, empfehlen sich elektrische Bartschneider, Kamm und Schere oder Rasiermesser. Letztere sollte man allerdings lieber dem gelernten Friseur beziehungsweise Barbier überlassen. Quelle: REUTERS
Wer mehr möchte, als nur einen ordentlich gestutzten Bart, sollte auf spezielles Wachs für Bärte oder Pomade zurückgreifen, um den Bart in entsprechende Formen zu bringen. Von Haargel oder -Spray ist abzuraten. Quelle: REUTERS
Sollte einmal ein Haar eingewachsen sein, empfiehlt sich der Gang zur Kosmetikerin. Bei Versuchen, das Haar selbst mit einer Pinzette zu entfernen, kann sich die Haut entzünden und es können Narben entstehen. Sollte die Haut bereits entzündet sein, kann ein Hautarzt Abhilfe schaffen. Verhindern lässt sich das Einwachsen durch die Trockenrasur. Quelle: Fotolia
Und auch nicht jeder hat die Veranlagung zum Rauschebart: Wo nichts wächst, wächst nichts. Es gibt zwar eine ganze Palette Haarwuchsmittelchen für das Gesicht, ein dauerhaftes Ergebnis bringt allerdings keines davon zustande. Quelle: dpa

An der Spitze der Bewegung stehen heute die Anhänger der Rockabilly-Kultur. Doch dazu gesellen sich nun modisch orientierte Mächtige, auch auf deutschen Chefetagen. Henkel-CEO Kasper Rorsted hat sich ebenso für die dichte Gesichtsbehaarung entschieden wie Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner oder der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. In Mode ist der Bart außerdem bei jenen Menschen, die sich in Verbindung mit Wollmütze, Gesichtsschmuck und dicken Hornbrillen äußerlich und intellektuell vom Mainstream distanzieren wollen. Alle echten und vermeintlichen Hipster haben seit einiger Zeit Anlaufstellen, in denen sie ihre Haare wieder korrekt ausrichten lassen können. Offenbar ist die Zahl der Bartträger groß genug, um der Friseurbranche eine kleine Erfolgsstory zu bescheren.

Harte Kerle mit Geduld

Großes Vorbild der deutschen Barbershops ist das Schorem in Rotterdam. Der Name steht für Abschaum oder Gesindel, aber auch für „Ich habe ihn rasiert“. Seit 2011 empfangen Robert Rietveld, kurz Bertus, und sein Partner Leen eine auffällig unauffällige Kundschaft. Kerle, die den Eindruck von harten Typen erwecken, setzen sich brav in die Schlange. Termine gibt es nicht in dem Sammelsurium aus antiquarischen Fundstücken, das die beiden Inhaber zusammengetragen haben. Die Kunden haben oft so viele Tattoos auf dem Körper wie das Schorem Bilder an der Wand. Es gibt immer etwas zu sehen, während der Kunde wartet.

Geduld und Muße sind ausdrücklich erwünscht, denn sie sind Teil des Erlebnisses. Ein Glas Whisky, Männermagazine oder Bildbände gehören zur Ausstattung der meisten Barbershops. Für eine Zeit klinkt sich der moderne Mann aus und versetzt sich in eine Zeit, in der die Rollenverteilung klar war. Wobei: Ein Hort für Ewiggestrige wollen die Barbershops nicht sein. Aber ein geschützter Raum, in dem Gespräche über Fußball und Frauen sein dürfen. Letztere würden dabei nur stören. Deswegen arbeiten in der Mehrheit aller Barbershops auch ausschließlich Männer.

Entscheider und ihre Bärte
Henriquatre-Bart und Christoph Maria Herbst Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Seemannsbart und Hans-Werner Sinn Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Vollbart und Umberto Eco Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Thomas Müller Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Walrossbart und Dieter Zetsche Quelle: Bild Reuters/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche

Eine Ausnahme ist das Langschmidt in Düsseldorf. „Trust the girls“ lautet das Motto des Ladengeschäfts im Stadtteil Flingern. Damit ist nicht nur der sichere Umgang mit dem Rasiermesser gemeint. Gründerin Julia Zenner und ihre Kollegin Karolina Regenhardt, beide ausgebildete Friseurinnen, tätowiert, kurzhaarig, hatten sich eigentlich schon aus der Branche verabschiedet. Die Motivation kam zurück, als sie die Idee für den Barbershop hatten, inklusive Events und ausschließlich männlicher Kundschaft. „Wir wissen ja, wie wir den Mann haben wollen“, sagt Zenner. Anders als in einem klassischen Barbershop betüddeln sie ihre Kunden gerne. Etwa mit einer Massage der Haut oder dem Einölen der Barthaare. Viele Kunden dösen auf dem Stuhl ein.

Dazu tragen Teile des Handwerks bei, die fast in Vergessenheit geraten sind. Eine Nassrasur mit heißen Tüchern, die die Poren vorab öffnen und die Rasur schonender für die Haut machen soll, lernen junge Friseure üblicherweise nicht mehr. In der Meisterprüfung fehlt das fachmännische Rasieren mit der Klinge.

In Ländern wie der Türkei oder dem Libanon ist der Gang zum Barbier noch verbreiteter, und die Techniken sind bekannter. Zahlreiche Barbershops in Deutschland verlassen sich daher auf tradierte Methoden. Bei der Fadentechnik werden feinste Haare im Gesicht samt Wurzel herausgerissen, mit heißem Wachs auf einem Wattestäbchen geht es weiter zur Nase. Die Stäbchen werden nach ein paar Minuten mit einem kräftigen Ruck entfernt. Das ist nicht Wellness, aber effektiv.

Was die Frisur über den Mann aussagt
Schon vor dem beeindruckenden 3:0-Sieg im Dezember 2016 gegen RB Leipzig sorgte Bayerns Abwehrchef Mats Hummels für Aufsehen. Der Nationalspieler präsentierte sich 2016 im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga den überraschten Zuschauern mit blond gefärbten Haaren. „Ich bin glücklich, dass es nicht so schlimm aussieht wie befürchtet. Ich hatte richtig Bammel davor“, sagte Hummels im TV-Sender Sky. Er habe sich die neue Haarfarbe zulegen müssen, weil er eine Oktoberfest-Wette verloren habe. Wer sich dagegen bewusst für eine solche Frisur entscheidet, will damit etwas ausdrücken. Ob langes, kurzes, oder gar kein Haar, ob Vokuhila oder Lockenkopf: jede einzelne Frisur verrät etwas über den Träger - denn der Mann von heute nutzt das Haar, soweit es denn noch vorhanden ist, als Persönlichkeitsmerkmal. Der Frisuren-Experte Armin Morbach hat für die WirtschaftsWoche zusammengefasst, was die Frisur über die Persönlichkeit eines Mannes aussagt. Armin Morbach ist der wohl bekannteste Hair- und Make-up-Artist Deutschlands. Als Schwarzkopf-Haarexperte ist er für die jährlichen Trendlooks verantwortlich. Quelle: dpa
Ben Kingsley Quelle: AP
Uli Hoeneß Quelle: AP
George Clooney Quelle: rtr
Olli Geißen Quelle: dpa
Karl-Theodor zu Guttenberg Quelle: rtr
Joachim Löw Quelle: dpa

Der Gentlemen’s Circle in Berlin wagt sich auch an die Füße und bietet Pediküre an. Doch der Salon von André Goerner sieht die Dienstleistung nur als einen Teil des Angebots. Vielmehr gehe es darum, ein bestimmtes Lebensgefühl zu inszenieren. Herrensalon, das ist wörtlich gemeint. Treffpunkt und Club von Gleichgesinnten will der Gentlemen’s Circle sein. Die Einrichtung orientiert sich an den Salons aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Die Holztöne sind so dunkel wie der Tabak in den Cohibas, die hier nach Ladenschluss am Smoking Friday geraucht werden dürfen. Für Goerner, der lange Jahre die Salons des Münchner Promi-Coiffeurs Gerhard Meir in Berlin leitete, ist der Gentlemen’s Circle auch ein Rückzugsort von seinem sauber in Weiß gehaltenem Damensalon: „Hier bin ich Mann, hier darf ich’s sein.“

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