Großes Vorbild der deutschen Barbershops ist das Schorem in Rotterdam. Der Name steht für Abschaum oder Gesindel, aber auch für „Ich habe ihn rasiert“. Seit 2011 empfangen Robert Rietveld, kurz Bertus, und sein Partner Leen eine auffällig unauffällige Kundschaft. Kerle, die den Eindruck von harten Typen erwecken, setzen sich brav in die Schlange. Termine gibt es nicht in dem Sammelsurium aus antiquarischen Fundstücken, das die beiden Inhaber zusammengetragen haben. Die Kunden haben oft so viele Tattoos auf dem Körper wie das Schorem Bilder an der Wand. Es gibt immer etwas zu sehen, während der Kunde wartet.
Geduld und Muße sind ausdrücklich erwünscht, denn sie sind Teil des Erlebnisses. Ein Glas Whisky, Männermagazine oder Bildbände gehören zur Ausstattung der meisten Barbershops. Für eine Zeit klinkt sich der moderne Mann aus und versetzt sich in eine Zeit, in der die Rollenverteilung klar war. Wobei: Ein Hort für Ewiggestrige wollen die Barbershops nicht sein. Aber ein geschützter Raum, in dem Gespräche über Fußball und Frauen sein dürfen. Letztere würden dabei nur stören. Deswegen arbeiten in der Mehrheit aller Barbershops auch ausschließlich Männer.
Eine Ausnahme ist das Langschmidt in Düsseldorf. „Trust the girls“ lautet das Motto des Ladengeschäfts im Stadtteil Flingern. Damit ist nicht nur der sichere Umgang mit dem Rasiermesser gemeint. Gründerin Julia Zenner und ihre Kollegin Karolina Regenhardt, beide ausgebildete Friseurinnen, tätowiert, kurzhaarig, hatten sich eigentlich schon aus der Branche verabschiedet. Die Motivation kam zurück, als sie die Idee für den Barbershop hatten, inklusive Events und ausschließlich männlicher Kundschaft. „Wir wissen ja, wie wir den Mann haben wollen“, sagt Zenner. Anders als in einem klassischen Barbershop betüddeln sie ihre Kunden gerne. Etwa mit einer Massage der Haut oder dem Einölen der Barthaare. Viele Kunden dösen auf dem Stuhl ein.
Dazu tragen Teile des Handwerks bei, die fast in Vergessenheit geraten sind. Eine Nassrasur mit heißen Tüchern, die die Poren vorab öffnen und die Rasur schonender für die Haut machen soll, lernen junge Friseure üblicherweise nicht mehr. In der Meisterprüfung fehlt das fachmännische Rasieren mit der Klinge.
In Ländern wie der Türkei oder dem Libanon ist der Gang zum Barbier noch verbreiteter, und die Techniken sind bekannter. Zahlreiche Barbershops in Deutschland verlassen sich daher auf tradierte Methoden. Bei der Fadentechnik werden feinste Haare im Gesicht samt Wurzel herausgerissen, mit heißem Wachs auf einem Wattestäbchen geht es weiter zur Nase. Die Stäbchen werden nach ein paar Minuten mit einem kräftigen Ruck entfernt. Das ist nicht Wellness, aber effektiv.
Der Gentlemen’s Circle in Berlin wagt sich auch an die Füße und bietet Pediküre an. Doch der Salon von André Goerner sieht die Dienstleistung nur als einen Teil des Angebots. Vielmehr gehe es darum, ein bestimmtes Lebensgefühl zu inszenieren. Herrensalon, das ist wörtlich gemeint. Treffpunkt und Club von Gleichgesinnten will der Gentlemen’s Circle sein. Die Einrichtung orientiert sich an den Salons aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Die Holztöne sind so dunkel wie der Tabak in den Cohibas, die hier nach Ladenschluss am Smoking Friday geraucht werden dürfen. Für Goerner, der lange Jahre die Salons des Münchner Promi-Coiffeurs Gerhard Meir in Berlin leitete, ist der Gentlemen’s Circle auch ein Rückzugsort von seinem sauber in Weiß gehaltenem Damensalon: „Hier bin ich Mann, hier darf ich’s sein.“