Generationenkonflikt Heikle Mischung am Arbeitsplatz

Bis zu vier Generationen treffen derzeit am Arbeitsplatz aufeinander. Wie gehen Unternehmen mit deren unterschiedlichen Werten um?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wohin steuert das Boot? Bis zu vier Generationen treffen derzeit am Arbeitsplatz aufeinander Quelle: Illustration: Birgit Lang

Der US-Managementguru Peter Drucker wurde einmal gefragt, welche Herausforderung für amerikanische Führungskräfte in Zukunft die schwierigste sein würde: "Wie sie den Laden führen, wenn die Leute erst mit 75 in Rente gehen", sagte Drucker. Auch wenn dieses Szenario in Deutschland noch in weiter Ferne ist – Auftragseinbrüche, Kurzarbeit oder gar Entlassungen erfordern derzeit auch von vielen deutschen Managern, die Konzentration auf kurzfristige Probleme zu lenken. Aber die demografische Entwicklung wird langfristig eine Aufgabe stellen, die bislang für viele Unternehmen in dieser Form noch nicht auftrat: Die Zusammenarbeit zwischen Menschen zu organisieren, deren Altersspanne bei mehr als 50 Jahren liegt.

Zum ersten Mal, seit Soziologen den Generationen Namen verleihen, treffen sich Tag für Tag Mitglieder von vier verschiedenen Jahrgängen in Büros und Besprechungen: Veteranen (1928 bis 1945), Babyboomer (1946 bis 1964), Generation X (1965 bis 1978) und Generation Y (1979 bis 2000). Eine Befragung des Personaldienstleisters Kelly Services von mehr als 100.000 Angestellten in 34 Ländern ergab: Ein Drittel hat bereits generationenbedingte Konflikte am Arbeitsplatz erlebt. Und je größer der Altersabstand ist, desto stärker die unterschiedlichen Horizonte, die Grund für Missverständnisse und gelegentlichen Frust sind.

Völlig verschiedene Vorstellung von Arbeitszeit und Führung

"Es gibt keinen Job, in dem wir nur Menschen vorfinden, die wir mögen", beschwichtigt zwar Autor und Psychologe Volker Kitz, der zusammen mit Manuel Tusch "Das Frustjobkillerbuch" veröffentlichte.

In großen oder traditionsreichen Unternehmen aber spielt der Altersunterschied eine große Rolle. In den USA diskutieren daher Unternehmen und Wissenschaft die Generationenfrage. Der amerikanische Büroeinrichter Steelcase hat in diesem Jahr gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Ipsos mehr als 2400 Arbeitnehmer europaweit nach ihren Arbeitsidealen befragt. Ergebnis: Die Jahrgänge haben völlig verschiedene Vorstellungen von Arbeitszeiten, Bürogestaltung und Mitarbeiterführung.

Während beispielsweise 61 Prozent der Veteranen auf Hierarchien und einen persönlichen Arbeitsplatz pochen, sind es bei den Babyboomern lediglich 42 Prozent, in der Generation X nur noch 35 Prozent. Faustregel: Je jünger, desto unwichtiger wird Angestellten die Hierarchie. Das bleibt auch so, wenn die Angehörigen einer Generation älter werden. Ihre prägenden Präferenzen ändern sich kaum mehr.

Stattdessen verändert sich die Gesellschaft, und mit ihr der Arbeitsplatz. Es ist heutzutage normal, dass Enkel ihre Großeltern erleben, wenn sie selbst schon keine Kinder mehr sind – im Jahr 1910 lag die Lebenserwartung bei 48 Jahren, derzeit liegt sie bei 77 Jahren für Männer und 82 für Frauen. So waren immerhin 54 Prozent aller 55- bis 64-Jährigen in Deutschland im vergangenen Jahr noch erwerbstätig – vor 15 Jahren lag die Quote dagegen noch bei 36 Prozent.

Die alte Hackordnung ist Geschichte

Die veränderte demografische Struktur betrifft auch die Führungsebene. Die alte Hackordnung – der Chef ist älter als die Mitarbeiter – ist Geschichte. Laut einer Studie der Zeitarbeitsfirma Rand-stad sind mittlerweile 20 Prozent der US-Arbeitnehmer deutlich älter als ihre Chefs. Tendenz steigend.

Der Soziologe Karl Mannheim prägte im Jahr 1928 in einem Aufsatz den Begriff der Generationen. Darunter verstand er Geburtsjahrgänge, die in der Jugend -einschneidende Erlebnisse teilten – historische Ereignisse wie Mauerfall, Mondlandung oder der Sieg einer Fußball-weltmeisterschaft, die Ermordung von John F. Kennedy, die RAF-Attentate oder die Anschläge vom 11. September. Aber auch berufliche Dinge: Die eine Gene-ration wuchs in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit, die andere in Zeiten der Vollarbeit heran.

"Junge Erwachsene haben häufig Angst vor der Arbeitswelt", sagt Lara Fritzsche, Autorin des Buchs "Das Leben ist kein Ponyhof". Die 25-Jährige hat ein Jahr lang eine Schulklasse bis zum Abitur und darüber hinaus begleitet. Die Fülle der Möglichkeiten sähen die angehenden Berufstätigen zwar als Privileg, aber sie machte ihnen auch Angst, sagt Fritzsche. Für viele Ältere ist das unverständlich. Ihr Motto: "Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt."

Diese Arten, die Welt unterschiedlich wahrzunehmen und zu verstehen, lassen sich nicht vereinen. Das ist allerdings auch nicht nötig – wichtig ist der richtige Umgang mit den Unterschieden.

Vorgesetzte brauchen Antworten auf die Frage, wie man Menschen zu kollegialer Mitarbeit motiviert, die nicht zusammen in die Kantine gehen würden. Oder wie man Jüngere dazu bringt, Älteren zuzuhören – und umgekehrt. Auf den kommenden Seiten folgen die Typologien der derzeit arbeitenden Generationen.

Ferdinand Piëch, Vorsitzender des Volkswagen-Aufsichtsrats, gehört zu der Generation der Veteranen Quelle: Illustration: Birgit Lang

Die Veteranen - Jahrgänge 1928–1945 - Prägende Ereignisse: Zweiter Weltkrieg, deutscher Gewinn der Fußball-WM 1954, Contergan-Skandal

Charakter Wenn von der Besinnung auf alte Tugenden die Rede ist, dann sind ihre Werte gemeint. Das Heranwachsen kurz vor, im oder nach dem Zweiten Weltkrieg hat bei VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und Co. Spuren hinterlassen. Von ihren Eltern lernten sie: Aufwärts geht es nur mit harter Arbeit, Disziplin und Sparsamkeit. Durch existenzielle Nöte lernte diese Generation schon in der Kindheit, dass jeder nur im Kollektiv vorankommt – und zwar dann, wenn der Einzelne seine Bedürfnisse hinten anstellt. 

Verhalten als Angestellte Sie wurden geprägt von der verarbeitenden Industrie, in der ein Vorgesetzter Anweisungen gab. Ungehorsam passt da nicht rein. Meinungsverschiedenheiten tragen sie – wenn überhaupt – im Verborgenen aus. Das Arbeitsethos der Generation Y halten sie für wenig effizient. Dementsprechend schwer fällt es ihnen, von einem Jüngeren Befehle zu erhalten. Ab und an brauchen sie die Bestätigung, dass ihre Erfahrung weiter gebraucht wird. 

Verhalten als Führungskräfte Als sie auf den Arbeitsmarkt drängten, war der Top-down-Ansatz der richtige – den haben sie beibehalten. Sie geben klare Anweisungen und handeln hart, aber fair. Machen sie einen Fehler, fällt ihnen die Entschuldigung allerdings schwer. Schlimmstenfalls vertreten sie das Modell Sonnenkönig: Dann treffen sie alle Entscheidungen allein.

Das optimale Büro der Veteranen: Kaum einer will im Großraumbüro arbeiten

Arbeitsstil Sie suchen jemanden, der die Firmenkasse verwaltet? Veteranen sind dafür genau richtig. Sie sind ehrlich, verlässlich, sorgfältig und loyal. Daher kommen sie Anweisungen sofort nach – wenn sie der Chef erteilt. Veränderungen sind ihnen allerdings nicht geheuer, wenn nicht gar zuwider. 

Optimales Büro Ihr Arbeitsplatz gehört für sie zur beruflichen Identität – daher brauchen sie ihr Reich. Konferenzräume sollen davon klar abgetrennt sein, kaum einer will im Großraumbüro arbeiten.

Der US-Präsident Barack Obama zählt zu der Generation der Babyboomer Quelle: Illustration: Birgit Lang

Die Babyboomer - Jahrgänge 1946–1964 - Prägende Ereignisse: Ermordung John F. Kennedys, Mondlandung, Studentenbewegung

Charakter In keiner Generation kamen so viele Kinder zur Welt wie zwischen 1946 und 1964. Die Babyboomer wuchsen auf in der Zeit des Wirtschaftswunders – darunter auch der heutige US-Präsident Barack Obama. Der Vater ging arbeiten, die Mutter kümmerte sich zu Hause um den Nachwuchs. Daher sind es die Boomer gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Inoffizieller Höhepunkt: 1966 kürte das US-Magazin "Time" die ganze Generation zur Person des Jahres, da sie "Wandel als Wert an sich" begriff.

Verhalten als Angestellte Sie stehen in einem ständigen Konflikt mit sich selbst: Einerseits wissen sie um den Wert von Kooperation und Zusammenarbeit, andererseits müssen sie sich ständig beweisen. Daher brauchen die Boomer immer wieder öffentliches Lob. Statussymbole wie ein Firmenparkplatz und ein Ehrentitel sind ihnen wichtig. Werden sie ihnen genommen, reagieren sie ungehalten oder resignativ. 

Verhalten als Führungskräfte Sie sind kollegial und stets um Harmonie bemüht . Falls Konflikte auftauchen, bleiben sie diplomatisch – das erwarten sie auch von ihren Angestellten. Ihnen missfällt wenn Angestellte Formalia missachten und in E-Mails Wörter abkürzen oder falsch schreiben.

Das optimale Büro für die Babyboomer: Am liebsten arbeiten sie mit Kollegen zusammen

Arbeitsstil Dass die Boomer der geburtenstärksten Generation angehören, hat zwei Folgen: Zum einen sind sie teamfähig – Studien belegen,  dass sie Besprechungen am liebsten in großen Gruppen abhalten.  Zum anderen sind sie durchsetzungsstark. Auch deshalb haben sie für andere Generationen Vorbildfunktion: In der Steelcase-Studie sagten 64 Prozent, dass sie von ihnen am meisten lernen. Allerdings neigen die Boomer zur Ich-Bezogenheit.

Optimales Büro Ihre Teamfähigkeit zeigt sich auch am Arbeitsplatz. Zwar bevorzugen sie ein eigenes Büro, in das sie sich notfalls zurückziehen können. Am liebsten jedoch arbeiten sie mit Kollegen zusammen – daher lieben die Boomer eine Zone für Teamarbeiten.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist Mitglied der Generation X Quelle: Illustration: Birgit Lang

DIe Generation X - Jahrgänge 1965–1978 - Prägende Ereignisse: Deutscher Herbst, Nato-Doppelbeschluss, Mauerfall

Charakter In ihrer Kindheit war die wirtschaftliche Lage schlecht, oft arbeiteten beide Elternteile, die Scheidungsraten stiegen. Daher war die Generation, zu der auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gehört, nach der Schule oft alleine. Die Schlüsselkinder merkten früh, dass viele der vermeintlich sicheren Institutionen – sei es eine Ehe oder ein fester Arbeitsplatz – schnell verschwinden können. Und daher lernten sie, dass sie sich auf niemanden verlassen können – außer auf sich selbst. 

Verhalten als Angestellte Spannung, Spaß und der Wunsch nach Individualität treiben sie an. Wenn sie die nicht bekommen, sind sie schnell wieder weg. Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte hat sich jeder Fünfte aus der Generation in den vergangenen zwölf Monaten nach einem neuen Job umgesehen – mehr als alle anderen Jahrgänge. 40 Prozent gaben mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten als Hauptmotiv für einen Jobwechsel an. 

Verhalten als Führungskräfte Sie sind nach oben gekommen, weil sie spannende Aufgaben suchten, und nicht, weil sie Macht brauchten. Besonders auf Ältere wirken sie gelegentlich ruppig, denn sie führen Mitarbeiter gerne per knapper E-Mail und SMS.

Das optimale Büro der Generation X: Sie sind kreativ und arbeiten in kleinen Gruppen

Arbeitsstil Sie brauchen Bestätigung – ganz gleich, ob kreativer, intellektueller oder finanzieller Natur. Daher halten sie sich immer mehrere Optionen offen, falls etwas schiefgeht. Ihrem Beruf bleiben sie treu, nicht aber ihrem Arbeitgeber. 

Optimales Büro Sie sind kreativ, und daher achten sie auch auf die kleinen Details – Aussehen und Qualität der Büroräume sind ihnen wichtig. Da sie zu einem gewissen Einzelgängertum neigen, arbeiten sie höchstens in kleinen Gruppen. Am liebsten sind ihnen flexible Mehrzweck-Räume und mobile Arbeitsplätze. Nur 35 Prozent pochen auf einen eigenen Schreibtisch.

Facbook-Gründer Mark Zuckerberg gehört der Generation Y an Quelle: Illustration: Birgit Lang

Die Generation Y - Jahrgänge 1979–2000 - Prägende Ereignisse: Zweiter Golfkrieg, Internet-Boom, 11. September 2001 

Charakter Nach der Schule ging es für die Geburtsjahrgänge ab 1979 meist zum Sportverein, in die Musikschule oder zum Töpfern. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beschäftigte sich früher „viel mit Mathe und Informatik, aber auch Latein und Griechisch“. E-Mails schreiben, Musik hören, im Internet surfen und telefonieren gleichzeitig? Kein Problem – diese Generation ist mit Multitasking und neuen Medien groß geworden. 

Verhalten als Angestellte Sie haben ein starkes Bedürfnis nach Kritik – falls sie konstruktiv ausfällt. Die Personalberatung Robert Half fand heraus: 60 Prozent der Generation Y wollen mit ihrem Vorgesetzten mindestens einmal täglich kommunizieren und regelmäßig erfahren, welcher Sinn sich hinter den Aufgaben versteckt. Sie erkennen Autoritäten und Hierarchien zwar an, lassen sich von ihnen aber nicht einschüchtern.

Verhalten als Führungskräfte Sie strotzen vor Energie. Für einige Routiniers mag diese Tatkraft einschüchternd sein. Aber gerade junge Vorgesetzte sind auf ihr Team angewiesen. Mit Feedback haben sie gelernt umzugehen.

Das optimale Büro der Generation Y: Wo sie arbeiten, ist ihnen letzlich egal

Arbeitsstil Pragmatischer Egoismus ist ihnen nicht fremd – Netzwerken ist selbstverständlich. 76 Prozent wollen am Arbeitsplatz Freunde finden – wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Denn sie wissen, dass Freundschaften zumindest im Büro nicht von Dauer sind, weil sie nicht ihr Leben lang denselben Arbeitgeber haben werden. Sie sind realistisch, andererseits ist ihre Loyalität zeitlich begrenzt. Sie streben nach einem sinnvollen Job, der ihnen eine gesunde Mischung aus Arbeit und Zeit für Familie und Hobbys bietet. 

Optimales Büro Wo sie arbeiten, ist ihnen letztlich egal. Hauptsache, der Platz ist komfortabel und erlaubt Teamarbeit. Moderne Technologie gehört dazu, der modern ausgestattete Arbeitsplatz gilt der Generation als Zeichen der Anerkennung. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%