Ist das nicht toll? Diese Freiheit, stets alles noch schnell umwerfen zu können, ein Leben ganz spontan im Moment, befreit von jedem Plan!
Vielleicht. Aber dauernde Planlosigkeit ist auch extrem anstrengend und nervenzehrend.
Denn ein Plan ist nicht nur eine Fessel, sondern auch eine Stütze: Er verschafft einen Erwartungshorizont. Während sich heute viele Menschen kaum noch regelmäßig zu einem gemeinsamen Essen versammeln, gab es in den vormobilen Generationen Hausfrauen, die am Montag planten, was sie am nächsten Sonntag kochen würden.
So unterschiedlich nehmen Männer und Frauen ihre Arbeitswelt wahr
Die Bertelsmann Stiftung hat in einer Studie untersucht, was sich Männer und Frauen von ihrer Arbeit wünschen. Die Ergebnisse unterscheiden sich mitunter sehr stark.
Einer der Hauptpunkte, den Frauen nannten, war beispielsweise "Emotionale Unterstützung", Männer nannten diesen Punkt dagegen kaum.
Zum Thema "Helfen in beruflichen Situationen" zeigen sich zunächst keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine genauere, qualitative Analyse ergab jedoch: Männer beschrieben oft Situationen, in denen sie praktische und direkte Karrierehilfe bekamen. Frauen dagegen beschrieben Beispiele, in denen sie (unerwartet) freundliche Aufmerksamkeit in einer unsicheren Umwelt erhielten.
55 Prozent Frauen erzählten zumindest eine Schadensgeschichte. Es waren immer Situationen, in denen sie ausgegrenzt oder zurückgewiesen wurden. Vielfach wurden ihnen Ressourcen verweigert, die anderen zugestanden wurden. Im Vergleich: nur elf Prozent der Männer erzählten eine Schadensgeschichte.
Hinter solcher Planmäßigkeit steht das Bedürfnis, wenn schon nicht nach absoluter Sicherheit, so doch immerhin nach der einigermaßen großen Wahrscheinlichkeit, dass das Leben in der nahen Zukunft halbwegs in geordneten Bahnen verlaufen wird. Und dass eben gerade nicht unablässig zwischen verschiedenen Optionen entschieden werden muss.
Ohne Erwartungshorizont wird das Leben auf Dauer unruhig und anstrengend. An Kindern sieht man das besonders deutlich: Kinder, die ohne ritualisierte Abläufe dauernd entscheiden dürfen, was sie als nächstes tun wollen, werden schnell unruhig, unzufrieden, unausstehlich.
Erwachsene haben sich – meistens – besser im Griff. Sie quengeln nicht sofort los. Aber die psychischen Wirkungen dauernder Spontaneität dürften bei ihnen ähnlich sein.
Tipps zum richtigen Entspannen
Damit sich der Stress des Arbeitstags nicht aufstaut, sollten öfter kleine Pausen eingelegt werden. Ärzte empfehlen etwa jede Stunde eine kleine Unterbrechung von wenigen Minuten. Eine lange Pause ist nicht so effektiv wie viele Minipausen. Voraussetzung: Die Selbstbestimmtheit. Die Unterbrechungen müssen selbst gewählt sein, erzwungene Pausen vergrößern Ärger und Stress nur noch.
Sowohl die Pause als auch die Feierabend-Aktivitäten sollten sich möglichst vom Arbeitsalltag unterscheiden. Es muss nicht immer das süße Nichtstun sein – auch ein Spaziergang, ein Telefonat mit Freunden oder ein Kaffee mit den Nachbarn wirken sich positiv aus. Wer viel sitzt, dem tut Bewegung gut. Wer arbeitstechnisch viel unterwegs ist, dem tut es gut, es mal ruhiger angehen zu lassen.
Gerade, wer viel im Büro sitzt, belastet seine Wirbelsäule stark, schmerzhafte Verspannungen sind die Folge. Das schlägt auch auf die Psyche. Viele kleine Entspannungs- und Dehnungsübungen helfen da weiter.
Den Arbeitsstress einfach weg atmen – das geht. Wer angespannt ist, verändert auch seine Atmung, sie wird schneller und flacher. Eine Atemübung ist zum Beispiel, beim Einatmen durch die Nase langsam bis fünf zu zählen, beim Ausatmen durch den Mund ebenso. Solche Rituale können auch den Übergang in den Feierabend erleichtern.
Im Idealfall sollten alle Aufgaben abgeschlossen sein, bevor man in den Feierabend oder Urlaub geht. Sonst löst allein der Gedanke an die noch bevorstehende Arbeit wieder Stress aus.
Leider ist das nicht immer möglich. Wer kann, sollte Liegengebliebenes an einen Stellvertreter delegieren. Wo auch das nicht möglich ist, kann eine To-Do-Liste weiterhelfen. Sie nimmt die Angst, etwas zu vergessen und verhindert, dass man im Kopf immer wieder die anstehenden Aufgaben durchgeht. Diese Liste sollte man nach dem Aufschreiben verbannen, bis man wieder im Büro ist.
Es ist Feierabend – tun Sie nur das, wozu sie auch Lust haben. Lassen Sie sich nicht von Verpflichtungen und Terminen beherrschen, seien sie spontan. Diese selbstbestimmten Freiräume helfen dabei, sich zu entspannen. Wer in seiner Freizeit ehrenamtlich arbeiten möchte, darf das natürlich auch tun, solange die Arbeit Freude bereitet.
Und schließlich: Als Massenphänomen betrifft das Last-Minute-Leben nicht nur jeden einzelnen mobilen Planlosen. Wenn Planlosigkeit und dauernder spontaner Entscheidungszwang zum Lebensmodell wird, hat das gesellschaftliche Folgen. Ein kollektiver Erwartungshorizont, also ein möglichst verlässlicher, gemeinsamer Plan für die nächste Zukunft, an den sich alle halten müssen, ist Bedingung dafür, dass so etwas wie eine Gesellschaft überhaupt existiert. Regelmäßigkeiten, die dauernde spontane Entscheidungen überflüssig machen, waren für den Soziologen Pierre Bourdieu eine Hauptvoraussetzung jeder Gesellschaft.
Eine Menge von Menschen, die dauernd kurzfristige Entscheidungen treffen, die dauernd improvisieren (müssen oder wollen) und sich nicht mehr darauf verlassen können, dass morgen gilt, was gestern galt, ist keine Gesellschaft mehr - sondern nur noch eine unberechenbare, unzuverlässige Menschenmasse.
Soziologen nennen diesen Prozess der Störung oder Auflösung gesellschaftlicher Ordnung „Anomie“. Émile Durckheim behauptete vor 120 Jahren, dass solch eine Anomie die Menschen seelisch krank mache, Angst hervorrufe – und sogar zum Selbstmord führen könne.