Wer im vergangenen Jahrhundert aufwuchs, kann sich vielleicht noch an dieses Gefühl erinnern: Man war verabredet und merkte, dass man es nicht rechtzeitig zum vereinbarten Treffpunkt schaffte. Man steckte im verspäteten Zug oder im Stau – und wusste, da sitzt oder steht jemand und weiß nicht, wo ich stecke, wird allmählich sauer, glaubt, versetzt worden zu sein.
Doch die Gefahr besteht nicht mehr. Denn das verpasste Rendezvous ist ausgestorben. Aus der Welt geschafft durch die Erfindung und flächendeckende Ausbreitung des Mobiltelefons. „Ich komme 5 (10, 20, 30) Minuten später“ ist schon als Standard-SMS in jedem Mobiltelefon gespeichert. Wir können jeden Menschen stets auf dem Laufenden halten, wo wir sind – vorausgesetzt, beide haben ein Smartphone.
Fünf Tipps zur Stressbewältigung
Sagen Sie auch mal „Nein“. Haben Sie gerade keine Kapazitäten für eine neue Aufgabe oder ein Projekt, sagen Sie frühzeitig Bescheid. Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen Sie mit „Ja“ antworten müssen. Aber vielleicht hat ein Kollege gerade mehr Zeit oder die Aufgabe ist doch nicht ganz so dringend.
Niemand ist perfekt, stellen Sie daher keine zu hohen und unrealistischen Erwartungen an sich selbst. Damit blockieren Sie sich nur.
Identifizieren Sie die Auslöser. Jeder Mensch gerät durch andere Dinge unter Druck. Um einen Überblick zu behalten, hilft es, sich eine Liste mit seinen persönlichen Stressfaktoren anzulegen. Stört Sie zum Beispiel das ständige „Pling“ eingehender E-Mails, stellen Sie den Computer auf lautlos und bestimmen Sie einen festen Zeitraum, in dem Sie Mails beantworten.
Stress zu unterdrücken, ist auf lange Sicht keine Lösung. Früher oder später wird er wieder hochkommen. Um das zu vermeiden, sprechen Sie darüber mit einem Kollegen und beziehen Sie auch ihren Chef mit ein. Allein das Gefühl, aktiv etwas gegen den Stress zu tun, hilft bei der Bewältigung.
Machen Sie Sport – Bewegung ist eine gute Methode, um Stress entgegenzuwirken, denn durch Sport werden Glückshormone wie Dopamin ausgeschüttet.
Im Alltag hilft schon ein kurzer Spaziergang zur Kantine oder morgens eine Station früher auszusteigen und den restlichen Weg zur Arbeit zu laufen. Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug und laufen Sie zum übernächsten Drucker statt zum nächstgelegenen.
Vom Aussterben bedroht ist aber auch das im Voraus verabredete Treffen selbst. Man muss sich nicht mal mehr im Vorhinein auf einen festen Ort einigen. „Dann telefonieren wir nochmal“, sagt man bis kurz vor dem Treffen.
Die allgegenwärtige Mobilkommunikation verführt zum Leben auf die letzte Minute. Sie lässt das verbindliche Planen des Alltags als unnötige Beschränkung der Möglichkeiten erscheinen. Warum noch einen festen Einkaufsnachmittag planen, wenn man jederzeit bei Zalando shoppen kann? Wieso sich Gedanken über das nächste Abendessen machen, wenn man mit der richtigen App für jeden Geschmack das passende Schnellrezept findet?
Total verändert hat die völlig losgelöste Kommunikationsmöglichkeit im Verbund mit billigen Fortbewegungsmitteln unser Reisen. Eine Zugfahrt von Unna nach Saarbrücken zu den Enkelkindern wollte noch in den 1980er Jahren Wochen im Voraus geplant werden. Man ging an den Schalter, ließ sich beraten, wo man am besten umsteigt. Das Gepäck gab man bereits Tage zuvor auf.
Heute sucht man dank Bahn-App im Taxi die nächste Verbindung. Und wer schmiert noch Butterbrote für die lange Reise?
Familien diskutierten spätestens in den Weihnachtsferien, ob man wieder auf Norderney oder doch mal in Rimini buchen solle. Heute sind Fuerteventura, Hurghada und die Malediven dank lastminute.com nur einen Smartphone-Wisch voneinander entfernt – und noch am Tag des Abflugs kann man sich entscheiden, lieber doch im Indischen Ozean als im Mittelmeer zu plantschen.
In Großbritannien, so ergab eine Umfrage, die wohl in Deutschland nicht viel anders ausfiele, buchten 44 Prozent der Befragten ihre letzte Urlaubsreise spontan. Und stolz verkündet lastminute-CEO Matthew Crummack, dass es immer mehr mobile Hotelbuchungen nach 18 Uhr für denselben Abend gäbe.
Ohne Plan gibt's Stress
Ist das nicht toll? Diese Freiheit, stets alles noch schnell umwerfen zu können, ein Leben ganz spontan im Moment, befreit von jedem Plan!
Vielleicht. Aber dauernde Planlosigkeit ist auch extrem anstrengend und nervenzehrend.
Denn ein Plan ist nicht nur eine Fessel, sondern auch eine Stütze: Er verschafft einen Erwartungshorizont. Während sich heute viele Menschen kaum noch regelmäßig zu einem gemeinsamen Essen versammeln, gab es in den vormobilen Generationen Hausfrauen, die am Montag planten, was sie am nächsten Sonntag kochen würden.
So unterschiedlich nehmen Männer und Frauen ihre Arbeitswelt wahr
Die Bertelsmann Stiftung hat in einer Studie untersucht, was sich Männer und Frauen von ihrer Arbeit wünschen. Die Ergebnisse unterscheiden sich mitunter sehr stark.
Einer der Hauptpunkte, den Frauen nannten, war beispielsweise "Emotionale Unterstützung", Männer nannten diesen Punkt dagegen kaum.
Zum Thema "Helfen in beruflichen Situationen" zeigen sich zunächst keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine genauere, qualitative Analyse ergab jedoch: Männer beschrieben oft Situationen, in denen sie praktische und direkte Karrierehilfe bekamen. Frauen dagegen beschrieben Beispiele, in denen sie (unerwartet) freundliche Aufmerksamkeit in einer unsicheren Umwelt erhielten.
55 Prozent Frauen erzählten zumindest eine Schadensgeschichte. Es waren immer Situationen, in denen sie ausgegrenzt oder zurückgewiesen wurden. Vielfach wurden ihnen Ressourcen verweigert, die anderen zugestanden wurden. Im Vergleich: nur elf Prozent der Männer erzählten eine Schadensgeschichte.
Hinter solcher Planmäßigkeit steht das Bedürfnis, wenn schon nicht nach absoluter Sicherheit, so doch immerhin nach der einigermaßen großen Wahrscheinlichkeit, dass das Leben in der nahen Zukunft halbwegs in geordneten Bahnen verlaufen wird. Und dass eben gerade nicht unablässig zwischen verschiedenen Optionen entschieden werden muss.
Ohne Erwartungshorizont wird das Leben auf Dauer unruhig und anstrengend. An Kindern sieht man das besonders deutlich: Kinder, die ohne ritualisierte Abläufe dauernd entscheiden dürfen, was sie als nächstes tun wollen, werden schnell unruhig, unzufrieden, unausstehlich.
Erwachsene haben sich – meistens – besser im Griff. Sie quengeln nicht sofort los. Aber die psychischen Wirkungen dauernder Spontaneität dürften bei ihnen ähnlich sein.
Tipps zum richtigen Entspannen
Damit sich der Stress des Arbeitstags nicht aufstaut, sollten öfter kleine Pausen eingelegt werden. Ärzte empfehlen etwa jede Stunde eine kleine Unterbrechung von wenigen Minuten. Eine lange Pause ist nicht so effektiv wie viele Minipausen. Voraussetzung: Die Selbstbestimmtheit. Die Unterbrechungen müssen selbst gewählt sein, erzwungene Pausen vergrößern Ärger und Stress nur noch.
Sowohl die Pause als auch die Feierabend-Aktivitäten sollten sich möglichst vom Arbeitsalltag unterscheiden. Es muss nicht immer das süße Nichtstun sein – auch ein Spaziergang, ein Telefonat mit Freunden oder ein Kaffee mit den Nachbarn wirken sich positiv aus. Wer viel sitzt, dem tut Bewegung gut. Wer arbeitstechnisch viel unterwegs ist, dem tut es gut, es mal ruhiger angehen zu lassen.
Gerade, wer viel im Büro sitzt, belastet seine Wirbelsäule stark, schmerzhafte Verspannungen sind die Folge. Das schlägt auch auf die Psyche. Viele kleine Entspannungs- und Dehnungsübungen helfen da weiter.
Den Arbeitsstress einfach weg atmen – das geht. Wer angespannt ist, verändert auch seine Atmung, sie wird schneller und flacher. Eine Atemübung ist zum Beispiel, beim Einatmen durch die Nase langsam bis fünf zu zählen, beim Ausatmen durch den Mund ebenso. Solche Rituale können auch den Übergang in den Feierabend erleichtern.
Im Idealfall sollten alle Aufgaben abgeschlossen sein, bevor man in den Feierabend oder Urlaub geht. Sonst löst allein der Gedanke an die noch bevorstehende Arbeit wieder Stress aus.
Leider ist das nicht immer möglich. Wer kann, sollte Liegengebliebenes an einen Stellvertreter delegieren. Wo auch das nicht möglich ist, kann eine To-Do-Liste weiterhelfen. Sie nimmt die Angst, etwas zu vergessen und verhindert, dass man im Kopf immer wieder die anstehenden Aufgaben durchgeht. Diese Liste sollte man nach dem Aufschreiben verbannen, bis man wieder im Büro ist.
Es ist Feierabend – tun Sie nur das, wozu sie auch Lust haben. Lassen Sie sich nicht von Verpflichtungen und Terminen beherrschen, seien sie spontan. Diese selbstbestimmten Freiräume helfen dabei, sich zu entspannen. Wer in seiner Freizeit ehrenamtlich arbeiten möchte, darf das natürlich auch tun, solange die Arbeit Freude bereitet.
Und schließlich: Als Massenphänomen betrifft das Last-Minute-Leben nicht nur jeden einzelnen mobilen Planlosen. Wenn Planlosigkeit und dauernder spontaner Entscheidungszwang zum Lebensmodell wird, hat das gesellschaftliche Folgen. Ein kollektiver Erwartungshorizont, also ein möglichst verlässlicher, gemeinsamer Plan für die nächste Zukunft, an den sich alle halten müssen, ist Bedingung dafür, dass so etwas wie eine Gesellschaft überhaupt existiert. Regelmäßigkeiten, die dauernde spontane Entscheidungen überflüssig machen, waren für den Soziologen Pierre Bourdieu eine Hauptvoraussetzung jeder Gesellschaft.
Eine Menge von Menschen, die dauernd kurzfristige Entscheidungen treffen, die dauernd improvisieren (müssen oder wollen) und sich nicht mehr darauf verlassen können, dass morgen gilt, was gestern galt, ist keine Gesellschaft mehr - sondern nur noch eine unberechenbare, unzuverlässige Menschenmasse.
Soziologen nennen diesen Prozess der Störung oder Auflösung gesellschaftlicher Ordnung „Anomie“. Émile Durckheim behauptete vor 120 Jahren, dass solch eine Anomie die Menschen seelisch krank mache, Angst hervorrufe – und sogar zum Selbstmord führen könne.