Globalisierung Junge Wilde revolutionieren Japans Wirtschaft

Sie sprechen Englisch und pfeifen auf Traditionen: Unternehmer aus der Mode- und Internet-Kultur mischen Japans verkrustete Wirtschaft auf und greifen global an – auch in Deutschland.

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Rakuten-Chef Hiroshi Mikitani Quelle: REUTERS

Der japanische Milliardär Hiroshi Mikitani hat eine einfache Erklärung dafür, warum Nippons einstige Industrieikonen im globalen Wettbewerb zurückfallen: „Wenn alle Angestellten von Sony oder Panasonic Englisch sprächen, dann wären sie viel besser als Samsung aus Südkorea.“ Englisch sei das entscheidende Instrument zur Globalisierung. Und eben auch zum Wandel der Firmenkultur in Japan: „Damit können wir aus unserer Schale ausbrechen.“ Im Japanischen kann man sprachlich geschickt ins Unverbindliche ausweichen, aber auf Englisch muss man Ja oder Nein sagen. Der 47-Jährige geht bei seinem eigenen Unternehmen, dem Internet-Verkaufsportal Rakuten aus Tokio, mit gutem Beispiel voran: Seit Anfang Juli benutzen seine 7000 Mitarbeiter in Japan unabhängig von ihrer Herkunft für alle Konferenzen, E-Mails und internen Dokumente ausschließlich die englische Sprache.

Die interne Kulturrevolution soll der weltweiten Expansion des E-Commerce-Riesen den entscheidenden Schub geben. Noch ist Rakuten – benannt nach dem ersten freien Markt in Japans Geschichte – „die größte E-Commerce-Firma, von der Sie noch nie gehört haben“, unkt der einflussreiche US-Blog „Tech Crunch“. Tatsächlich liegen die Japaner mit ihrem Umsatz von vier Milliarden Euro und 743 Millionen Euro Gewinn weit hinter Amazon und Ebay. Doch Mikitani hat Ehrgeiz: Rakuten soll der „weltgrößte Internet-Marktplatz“ werden. Den Aktienkurs hat er seit der Finanzkrise in Euro immerhin schon verdreifacht.

Klartext in Japan

Der Unternehmer gehört zu einer kleinen, aber wachsenden Zahl von Firmenchefs, die japanische Geschäftspraktiken über Bord werfen, um international angreifen zu können. Sie befördern nach Fähigkeiten, stellen Ausländer ein, lassen Frauen aufsteigen und planen feindliche Übernahmen. Anders als das Establishment kennen diese Querdenker das Ausland gut und zahlen Gehälter nach Leistung.

Gleichzeitig schämen sich die jungen Unternehmer nicht für ihren ungezügelten Ehrgeiz und nehmen auch bei der selbstkritischen Analyse ihres Heimatlandes kein Blatt vor den Mund. Das nach innen gewandte Denken des mittleren Managements, das der langjährige Sony-Vorstandschef Howard Stringer kürzlich anprangerte, kritisieren diese neuen Entrepreneure als „Galapagos-Syndrom“ – Japans Inselwirtschaft stecke in der evolutionären Sackgasse.

Die jungen Unternehmer warnen: Vom Export hochqualitativer Waren könne Japan bald nicht mehr zehren, doch für den Verkauf von Software und Dienstleistungen als Alternative brauche man eine globale Weltsicht. „Viele Japaner haben noch nicht verstanden, dass wir nicht überleben können, ohne uns dem globalen Wettbewerb zu stellen“, sagt etwa der 35-jährige Yoshikazu Tanaka. Sein soziales Netzwerk Gree baut auf kostenlose Spiele für Smartphones und strebt bis Ende 2013 weltweit eine Milliarde Nutzer an, fünf Mal so viele wie bisher.

Dank Zukäufen in den USA und China hat Gree den Facebook-Spielepartner Zynga beim Umsatz bereits überholt. Wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg trägt Tanaka gerne Kapuzenpullover, löchrige Jeans und Turnschuhe. Alle Gree-Vorstände sind jünger als 40 Jahre, Krawatte trägt demonstrativ keiner.

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