Auch der Erfolg von Tadashi Yanai und seinem Textilimperium Fast Retailing mit der Ladenkette Uniqlo beruht auf einem doppelten Konventionsbruch. Yanai schaltet die preistreibenden Zwischenhändler im Einzelhandel aus, indem er seine Kleidung in Eigenregie fertigt. Zugleich zertrümmert er Japans heiligen Gral – Produktion nur in der Heimat – und lässt in Südostasien nähen. So schuf Yanai ein neues Billigsegment für Textilien in Japan. Nun greift Fast Retailing mit Flaggschiff-Filialen in Shanghai, Paris, New York und demnächst Berlin seine Rivalen Inditex (Zara) und H&M auf der globalen Bühne an. Bis 2020 sollen allein in Asien 2000 neue Läden entstehen. Auch Yanai hat Englisch zur Firmensprache erklärt.
Doch kein anderer Unternehmer hat die „Englischisierung“ – seine Wortschöpfung – so auf die Spitze getrieben wie Rakuten-Chef Mikitani.
In Japan bietet das 1997 gegründete Unternehmen ein Online-Einkaufszentrum mit 90 Millionen Produkten von Getränken über Sportkleidung bis zu Schreibwaren an. Die 76 Millionen Kunden allein aus Japan können in 39 000 Web-Shops von Händlern stöbern oder auf einem Marktplatz bestellen. Für die Händler organisiert Rakuten den Web-Auftritt, hilft ihnen beim Marketing, wickelt die Zahlungen ab und übernimmt das Ausfallrisiko. Anders als bei Amazon kümmert sich Rakuten nicht um Lagerung und Auslieferung der Waren, das übernehmen die Händler selbst. Alle Kunden weltweit sammeln beim Einkaufen sogenannte Superpunkte, die sie in jedem der angeschlossenen Geschäfte benutzen dürfen. Mit ihrer Rakuten-ID können sie zudem in einem „Ökosystem“ von Rakuten-eigenen Dienstleistern E-Bücher kaufen, Reisen buchen, Kreditkarten bekommen, Aktien ordern, Bankgeschäfte führen und bei vielen Einzelhändlern per Handy bezahlen.
Kaufrausch im Ausland
Dieses Geschäftsmodell überträgt Rakuten seit zwei Jahren auf seine Zukäufe und Neugründungen im Ausland. Für das US-Shoppingportal Buy.com legte Mikitani 250 Millionen Dollar auf den Tisch, für den französischen Marktführer Priceminister 200 Millionen Euro. Auch der Einstieg in den brasilianischen und den russischen Markt gelang. Kürzlich kaufte Rakuten zudem den kanadischen E-Book-Hersteller Kobo, der Amazons Lesegerät Kindle Konkurrenz machen will, und beteiligte sich mit 100 Millionen Dollar am US-Newcomer Pinterest, einem sozialen Netzwerk für Einkaufstipps.
Deutschland dagegen betrachtet er als profitträchtiges Wachstumsfeld für E-Commerce. Vor einem Jahr übernahmen die Japaner 80 Prozent des Bamberger Startup-Unternehmens Tradoria für einen zweistelligen Millionenbetrag. Mehr als 5600 Miet-Shops von Mode bis Lattenrost bieten dort zehn Millionen Artikel an. Die Tradoria-Führung blieb an Bord und lernte schnell: Gerade ist die erste Service-Zeitschrift für die Händler erschienen, demnächst bieten sie Kunden eine Kreditkarte an. Schon in fünf Jahren will man Amazon als deutschen Marktführer ablösen – dabei macht Amazon allein in Deutschland halb so viel Umsatz wie die Japaner mit ihren vier Milliarden Euro weltweit.
Läuft die Kommunikation mit den Auslandstöchtern wie Tradoria ohnehin auf Englisch, musste Firmenchef Mikitani für die Umstellung daheim umso kräftiger trommeln. Als er der Belegschaft vor zwei Jahren verkündete, sie müsste bald komplett auf Englisch kommunizieren, stand vielen Angestellten der Mund offen. Jeder musste sich Sprachtests stellen. Manager, die schlecht abschnitten, mussten ihr Englisch verbessern, um ihren Job zu behalten.