Glücksatlas zeigt Widersprüche Pendler könnten es besser haben

Homeoffice: Eine Lösung für Pendler-Stress Quelle: imago images

Wer jeden Tag weite Strecken zur Arbeit pendelt, ist gestresster und unzufriedener mit Job und Leben. Der aktuelle Glücksatlas der Deutschen Post zeigt, dass Pendler ihr Glück selbst in die Hand nehmen könnten.

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Pendeln ist Gift für die Lebenszufriedenheit der meisten Menschen. So lässt sich in einem Satz der an diesem Donnerstag vorgestellte Glücksatlas der Deutschen Post zusammenfassen. Schwerpunktthema war in diesem Jahr neben der allgemeinen Zufriedenheit der Menschen in Deutschland der Weg zur Arbeit. Die darauf verwendete Zeit wirkt sich in den meisten Fällen negativ auf das Befinden der Arbeitnehmer aus. 54 Prozent derer, die mindestens 40 Minuten pro Arbeitsweg brauchen, sagten demnach, dies verschlechtere ihre Lebensqualität. Grundlage sind Antworten von 5100 Menschen, die zwischen April und Juni dieses Jahres befragt wurden.

Dass lange Wege zur Arbeit langfristig unzufrieden und sogar krank machen, ist keine neue Erkenntnis. Ebensowenig die, dass der Weg zur Arbeit mit dem Auto wegen der erforderlichen Konzentration, Staus und Parkplatzsuche besonders belastend ist. Dabei haben laut Statistischem Bundesamt sieben von zehn Arbeitnehmern einen Arbeitsweg von weniger als 30 Minuten zu bewältigen – was dafür spräche, dass viele das Auto eigentlich stehenlassen und andere Verkehrsmittel nutzen könnten. Die durchschnittliche Entfernung ist unterdessen auf rund elf Kilometer gestiegen.

Dennoch nutzen 68 Prozent der Arbeitnehmer das Auto, um zur Arbeit zu gelangen. 14 Prozent fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, neun Prozent mit dem Fahrrad. Acht Prozent gehen zu Fuß. Je länger Pendler unterwegs sind, desto geringer ist ihre Zufriedenheit, zeigt der Glücksatlas. 72 Prozent derer, die 40 Minuten oder länger unterwegs sind, beurteilen ihren Arbeitsweg als stressig und sehen darin verlorene Lebenszeit. Immerhin 43 Prozent der Langstreckenpendler sagen aber auch: „Ich genieße den Weg zur Arbeit“. Wer weniger als 20 Minuten unterwegs ist, tut dies aber noch häufiger: Hier gaben 63 Prozent an, die Zeit zu genießen.

Quelle: Presse

Interessant ist: Nicht nur die Lebenszufriedenheit sinkt durch Stress und Belastung bei langen Arbeitswegen. Auch die Arbeitszufriedenheit leidet, wenn die Arbeitnehmer nach 40 Minuten oder längerer Anfahrt schließlich an ihrem Arbeitsplatz ankommen. Sind unter denBefragten mit einem bis zu 20 Minuten langen Weg noch 32 Prozent topzufrieden mit ihrer Arbeit (das heißt, sie haben auf einer Skala von 0 bis 10 eine 9 oder 10 gewählt), so trifft das bei denen mit einem mindestens doppelt so langen Weg nur noch bei 24 Prozent zu. Bei den Langfahrern sind auch nur 35 Prozent mit ihrem Leben topzufrieden, während die mit kurzem Arbeitsweg es in 42 Prozent der Fälle sind.

Die Gründe für lange Pendelzeiten und für die Wahl des Verkehrsmittels sind vielfältig: In ländlichen Gebieten kann das Auto die einzige Möglichkeit sein. Wohnen nahe am Arbeitsplatz ist in vielen Städten teuer. Zudem müssen Wohnort und Arbeitsplatz ja häufig nicht nur für eine Person miteinander harmonieren – bei Paaren und Familien müssen mindestens zwei Personen von zuhause aus zu einem Arbeitsort, hinzu kommen Wege zu Kitas und Schulen. Um diese Herkulesaufgabe ein wenig zu entschärfen, gibt es allerdings schon seit längerem eine technisch einwandfreie Alternative: das Arbeiten von Zuhause.

von Konrad Fischer, Simon Book

Die Akzeptanz des Homeoffice ist laut Glücksatlas jedoch immer noch gering dafür, dass das Pendeln so viele Menschen stresst und unglücklicher macht. 74 Prozent gaben an, noch nie von zuhause aus gearbeitet zu haben. Nur 30 Prozent sagten aber, dass Arbeitgeber oder Tätigkeit dies nicht erlaubten. Die Hemmnisse liegen eher in den Köpfen vieler Arbeitnehmer, scheint es: 70 Prozent geben an, sie wollten Berufliches und Privates auseinanderhalten. 62 Prozent glauben, der soziale Austausch mit den Kollegen käme zu kurz, 58 Prozent halten die digitale Kommunikation für einen unzureichenden Ersatz.

30 Prozent sehen das Homeoffice als Unmöglichkeit, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind, also Firmenlaptop, Zugänge und sonstige Tools nicht zur Verfügung stehen. Acht Prozent würden offenbar gerne aus dem Homeoffice arbeiten, haben aber Hemmungen, vom Angebot Gebrauch zu machen. Zwölf Prozent glauben zudem, Karrierenachteile zu haben, wenn sie nicht immer präsent sind.

Quelle: Presse

Gerade sie sollten vielleicht mal diejenigen fragen, die regelmäßig von zuhause aus arbeiten. Neun Prozent der Arbeitnehmer tun dies sogar täglich, acht Prozent mindestens einmal pro Woche. Weitere neun Prozent arbeiten gelegentlich, das heißt alle zwei bis vier Wochen einmal oder noch seltener aus der Ferne. Die Heimarbeiter entkräften jedoch mit ihren Angaben einige der Probleme, die die Büro-Arbeiter anführen. So sagen 84 Prozent, die Kommunikation mit den Kollegen sei gut. 74 Prozent nennen die Arbeitsatmosphäre entspannter, 65 Prozent halten sich selbst für produktiver. 86 Prozent heben hervor, dass sie ihre Arbeitszeit flexibler einteilen können.

Nutzer von Homeoffice geben in vier von fünf Fällen an, dass sie dies tun, um Beruf und Familie besser oder überhaupt unter einen Hut zu bekommen. Nur 44 Prozent fehlt der soziale Austausch mit Kollegen. Arbeits- und Lebenszufriedenheit erreichen bei den Nutzern von Homeoffice bessere Werte: 38 Prozent sind sehr zufrieden mit ihrer Arbeit (versus 30 Prozent der Pendler), 45 Prozent mit ihrem Leben (versus 40 Prozent der Pendler). Insgesamt sagen 84 Prozent der Heimarbeiter, dass sich diese Arbeitsweise positiv auf ihre Lebensqualität auswirke.

Quelle: Presse

Großes Verbesserungspotential birgt die Ausstattung von Arbeitnehmern mit Geräten und Zugängen. Nur 37 Prozent haben einen Firmenlaptop zur freien Verfügung. 41 Prozent können auf ihr Firmennetzwerk zugreifen. 35 Prozent besitzen ein Firmen-Smartphone, 22 Prozent ein Headset. Verbesserungen in diesem Bereich könnten die Anzahl der Heimarbeiter deutlich erhöhen – und die der Pendler zumindest tageweise verringern. Es würde, folgt man den Zahlen des Glückatlas, schon einige Arbeitnehmer zufriedener und entspannter machen.

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