Glücksforschung „Geld macht immer glücklich“

Ein Aktienportfolio macht glücklicher als der Porsche vor der Tür. Es sei denn, der Nachbar fährt nur Fiat. Der Ökonom Bernd Raffelhüschen über die vier „Gs“ des Glücks, Statussymbole und die Zufriedenheit im Alter.

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Glück Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Raffelhüschen, einer neuen britischen Studie zufolge sind vermögende Menschen mit ihrem Leben zufriedener. Macht Geld doch glücklich?

Bernd Raffelhüschen: Geld macht immer glücklich, der Volksmund hat hier überhaupt nicht Recht. Jeder der mehr hat, ist zufriedener. Allerdings nimmt - ökonomisch ausgedrückt - der Grenznutzen eines wachsenden Einkommens ab.  Wenn jemand 1000 Euro netto verdient und einen Hunderter mehr bekommt, dann ist der Zuwachs an Glück fast linear, also 100 Einheiten. Wenn aber jemand über ein Nettoeinkommen von 5000 Euro verfügt  und 100 Euro mehr bekommt, dann ist der Zuwachs an Zufriedenheit deutlich geringer.

Zur Person

Den Zusammenhang zwischen Geld und Glück haben die Briten vor allem bei Aktien und Spareinlagen festgestellt. Warum steigt genau damit die Zufriedenheit?

Wenn man sich anschaut, wer Direktinvestitionen wie Aktienkäufe tätigt, dann sind das fast ausschließlich die gebildeten Schichten. Die haben meist ein hohes Einkommen, sind aber auch mit anderen Dingen des Glücks vertraut. Sie sind agiler in der Gemeinschaft, im Bekannten- und Freundeskreis, und leben bewusster. Ich bin mir sicher, dass es eine hohe Korrelation zwischen Aktienbesitz und sportlicher Betätigung, etwa Joggen, gibt. Auch kulturelle Aktivitäten, die ebenfalls glückstreibend sind, korrelieren damit. 

Wo die glücklichsten Menschen wohnen
Platz 30 - BulgarienGleich drei Ränge abwärts ging es für Bulgarien. Die Bulgaren erreichen auf der Skala von 0 ("überhaupt nicht zufrieden") bis 10 ("sehr zufrieden") gerade mal 3,7 Punkte. Damit ist das Land am Schwarzen Meer das Schlusslicht im "Deutsche Post Glücksatlas 2014".
Platz 29 - GriechenlandFür Griechenland ging es im Vergleich zum Vorjahr immerhin einen Platz nach oben. Der Glücks-Index liegt ebenfalls bei 3,7. Quelle: dpa
Platz 28 - PortugalMit einem Lebenszufriedenheitsindex von 3,8 bildet Portugal eines der Schlusslichter des Rankings. Portugiesen, Griechen und Bulgaren sind damit die unglücklichsten Europäer. Quelle: dpa
Platz 27 - RusslandVon Rang 28 auf Rang 27 kletterte Russland empor. Mit einem Wert von 4,2 sind die Russen aber trotzdem immer noch ziemliche unzufrieden. Quelle: dpa
Platz 26 - RumänienIm Vergleich zum Vorjahr ging es für Rumänien um einen Platz nach oben. Der Lebenszufriedenheitsindex liegt bei 4,5.An dieser Stelle überspringen wir einige Plätze und gelangen direkt zu den deutlich zufriedeneren Ländern... Quelle: dpa
Platz 15 - PolenDie Polen erreichen einen Lebenszufriedenheitswert von 6,1 von zehn möglichen Punkten. Quelle: dpa
Platz 14 - TschechienZwei Plätze aufwärts ging es mit der Lebenszufriedenheit der Tschechen: 6,3. Quelle: dpa

Aber ist Vermögen wirklich der Auslöser? Korrelation und Kausalität sind ja zwei verschiedene Dinge.

Da kann ich nur spekulieren. Wir kennen nie wirklich die Kausalitätsstränge, das betont auch der so genannte Glücksatlas, den ich wissenschaftlich betreue. Das Zusammenspiel vieler Komponenten macht den allgemeinen Zufriedenheitszustand aus, nicht einzelne Faktoren.

Zehn Strategien für ein zufriedeneres Leben
Tipp 1: Geben Sie Ihr Geld für Erlebnisse ausInvestieren Sie in Aktivitäten und Abenteuer – am besten mit Familie oder Freunden. Ob Klettern, Kegeln oder Kanutour: Gemeinsame Erlebnisse bleiben Ihnen oft noch jahrelang im Gedächtnis - und müssen noch nicht einmal viel kosten. Quelle: dpa/dpaweb
Tipps 2: Ernähren Sie sich gesund Tomaten statt Schokoriegel, Äpfel statt Chips: Frische Früchte und knackiges Gemüse stärken das Abwehrsystem, sorgen für den notwendigen Vitaminbedarf und sind oft noch günstiger als Süßigkeiten. Wer Obst und Gemüse nicht gerne pur verzehrt: Trauben, Erdbeeren oder Karotten lassen sich auch ideal zum Smoothie oder Cocktail verarbeiten. Quelle: dpa
Tipp 3: Helfen Sie anderen Menschen Menschen sind soziale Lebewesen – und wer seinen Mitmenschen Gutes tut, wird auch selbst glücklicher. Das belegen zahlreiche Studien und Experimente. Denken Sie deshalb auch im Alltag an Ihre Mitmenschen und helfen Sie mit kleinen Gesten – führen Sie den Rentner über die Straße oder spenden Sie für einen gemeinnützigen Zweck. Oft helfen schon kleine Beträge. Quelle: dpa
Tipp 4: Vergleiche Sie keine PreiseDer Schnäppchenjäger ist schnell enttäuscht, wenn die Hose, die er gerade im Geschäft X erstanden hat, im Laden Y doch noch fünf Euro günstiger ist. Das heißt: Wägen Sie vorher gründlich ab, ob sich der aufwändige Preisvergleich wirklich lohnt – und sparen Sie sich lieber die Zeit, die die Suche in Anspruch nimmt. Quelle: dpa
Tipp 5: Fragen Sie andere um RatOft hilft es, andere Menschen um ihre Meinung zu fragen – beispielsweise, wenn Sie wieder einmal vor dem Regal mit den DVDs stehen und sich nicht entscheiden können. Denn mehrere Studien belegen: Wenn wir wissen wollen, wie sehr uns ein Erlebnis gefallen wird, sollten wir andere Leute um Rat fragen. Quelle: AP
Tipp 6: Buchen Sie Ihren Urlaub frühzeitigWer seine Reise so früh möglich bucht, kann die Vorfreude länger genießen als der Last-Minute-Urlauber. Überlegen Sie deshalb nicht lange hin und her, sondern entscheiden Sie sich frühzeitig – oft sind die Flugpreise dann auch noch günstiger. Quelle: dpa
Tipp 7: Leben Sie mit gewissen RisikenDie Menschen mögen es sicher – und deshalb überversichern sich viele. Doch nicht jede Kamera- oder Handyversicherung ist wirklich sinnvoll – und oft verdienen nur die Versicherungsgesellschaften an den eigentlich überflüssigen Policen. Kündigen Sie daher unnötige Versicherungen. Ärgerlich ist es zwar, wenn das teure Smartphone verkratzt. Doch meist funktioniert es trotzdem noch. Quelle: REUTERS

Welche Komponenten sind das?

Wir haben vier große Blöcke, die Zufriedenheit erklären. Gesundheit, Geld, Gemeinschaft und die genetische Disposition – also die Frage, ob ich der Typ bin, der das Glas halbvoll oder halbleer sieht. Diese vier G‘s machen das Glück aus. Und die sind eher multiplikativ verknüpft als additiv.

Das heißt in der Praxis?

Wenn jemand in Aktienvermögen schwimmt, sein Gesundheitszustand vom Feinsten ist, die beste Ehe der Welt führt, tolle Freunde hat und kulturell aktiv ist – aber von seiner genetischen Disposition ein echter Frustkopf, dann nützt ihm das ganze Zeug überhaupt nichts. Eine ausgewogene Verteilung der Glückskomponenten hat die größte Hebelwirkung auf die Zufriedenheit.

Referenzgruppe entscheidend für Glücksempfinden

Studien kommen zu dem Schluss, dass Geldausgeben, also der Konsum, nicht unbedingt glückstreibend wirkt. Macht der Lamborghini vor der Tür nicht glücklicher?

Wir haben noch nicht wirklich untersucht, ob der Porsche-Fahrer zufriedener ist als der Mini-Cabrio-Fahrer. Konsumtive Sachwerte sind häufig Statussymbole. So ist im statistischen Durchschnitt der Hanseat häufiger mit der untertriebenen Variante von Sachwerten unterwegs, während der Münchner auch mal einen drauflegt. Zufriedenheit aus Statussymbolen zu beziehen, gelingt auf Dauer nur den Wenigsten.

Bin ich auch glücklicher, wenn ich weiß, dass ich mehr verdiene als mein Nachbar?

Ja, die relative Einkommensposition ist wichtig. Ausschlaggebend für das persönliche Glücksempfinden ist immer auch die Referenzgruppe. Es ist in den Datensätzen immer wieder der Neideffekt zu erkennen. Wenn ich nicht mehr kriege und der Andere auch nicht – dann empfinden das viele das besser, als wenn der Andere deutlich mehr bekommt und man selbst nur ein bisschen.

Die größten Mythen vom Glück
1. Du bist deines eigenen Glückes Schmied......sagt jede Mutter gerne zu ihren Kindern. Dabei stimmt diese Predigt des individualistischen Glücks so nicht.  Der Mensch als soziales Wesen ist eingebunden in die Gesellschaft, deren Regeln, soziale Normen und Werte er beachten muss. Unbegrenzte Selbstverwirklichung und radikaler Individualismus sind schon deshalb nicht möglich. Zwar ist jeder selbst dafür verantwortlich, seine Träume zu verwirklichen, doch schafft dies niemand ohne die Hilfe oder die Unterstützung seiner Mitmenschen. Quelle: dpa
2. Kinder sind glücklicherSie sind unbeschwert, denken weniger nach und sind demnach glücklicher. Pustekuchen. Forscher des US-National Opinion Research Center in Ann Arbor haben herausgefunden, dass die glücklichsten Menschen die sogenannten „jungen Alten“ sind. Sie stellten die Frage: "Im Großen und Ganzen, was würden Sie sagen: Wie fühlen Sie sich zurzeit? Würden Sie sagen, Sie sind zurzeit: a) sehr glücklich, b) ziemlich glücklich oder c) nicht allzu glücklich?" Das Ergebnis: „Sehr glücklich“ sind vor allem Menschen zwischen 65 und 70 Jahren. Quelle: dpa
3. Ziele machen glücklichVorsicht, auch hier versteckt sich ein Mythos. Zielen können glücklich machen, aber nur, wenn man sie auf die richtige Weise angeht. Wenn Sie sich einreden, etwas tun zu müssen, um glücklich zu sein, laufen Sie mit dem Kopf gegen die Wand. Wer sagt „Ich muss....tun“, macht sich zum Opfer und setzt sich selber unter Druck. Keine gute Voraussetzung für Glück. Besser ist es, sich zu sagen „Ich möchte gerne...tun“. Damit zeigen Sie, dass Sie sich das Ziel freiwillig gesetzt haben. Quelle: dpa
4. Elternglück ist das schönste GlückSchlaflose Nächte, stinkende Windeln und die unvorhersehbaren Launen pubertierender Teenager: Kinder zu haben ist kein Zuckerschlecken. Vielleicht gerade deshalb reden sich viele Eltern ein, dass die lieben Kleinen ihr Leben bereichern und „sooooo glücklich“ machen. Psychologen haben jetzt herausgefunden, dass auch das Elternglück ein Mythos ist. Denn die frischgebackenen Eltern, so die Psychologen, reden sich ihr Leben mit Kind und Kegel schön, so wie Menschen, die einen Haus- oder Autokauf rationalisieren. Quelle: dpa
5. Geld macht glücklichViele Menschen machen große Augen, wenn Sie einen schicken Sportwagen sehen, das I-Phone 6 oder den neusten Schrei von Gucci.  Sie denken „Wenn ich DAS hätte, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden.“ Falsch! Eine Studie der University of British Columbia hat bewiesen, dass viel Geld oder materieller Reichtum zwar weniger traurig macht, auf Dauer aber nicht glücklich. „Viel Geld und tägliches Glücksgefühl, da gab es keinerlei messbaren Zusammenhang“, so die Forscher. Quelle: dpa

Ökonomisch rational ist das nicht.            
Deswegen sind wir bei unseren wohlfahrtstheoretischen Untersuchungen nur empirisch unterwegs und sagen klar, dass wir kein wirkliches Modell haben, so etwas zu erklären.

Sind junge Menschen, die noch kein Vermögen aufbauen konnte, unglücklich?

Es gibt einen U-förmigen Verlauf von Zufriedenheit im Alter. Der junge Mensch hat ein unheimlich hohes Zufriedenheitsniveau. Am Anfang des Lebens ist man noch etwas blauäugig unterwegs. Mit 30 sackt es dann ab, wenn Karriere und Familie kommen. Eine Familie bedeutet auch Stress, Kinder zu erziehen ist nicht einfach nur ein Glückszustand. Mit 50 oder 55 Jahren steigt die Zufriedenheit dann wieder an. Und der 60- bis 70-Jährige ist ähnlich zufrieden wie der 20- bis 30-Jährige.

Nach Ihrem Glücksatlas 2014 ist das wirtschaftsschwächere Schleswig-Holstein glücklicher als das wohlhabende Bayern. Auf individueller Ebene sind vermögende Menschen aber zufriedener als ärmere. Wie passt das zusammen?          
Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen-Nord sind im Glücksatlas immer oben. Nehmen wir das Beispiel Geld. Der Hanseat hat Geld bis zum Abwinken, Hamburg hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Bundesrepublik. Dazu wertvolle Immobilienbestände, ein größeres kulturelles Angebot und eine bessere medizinische Versorgung, wie in Großstädten üblich. Hamburg muss also ganz oben mitschwimmen und tut es auch. Die Schleswig-Holsteiner haben eigentlich wenig. Aber offensichtlich haben sie eine genetische Disposition, dass sie aus dem Wenigen eine sehr hohe Zufriedenheit ziehen können. Erstaunlich ist, dass die zufriedensten Menschen Europa auch im Norden leben, ganz in der Nähe von  Schleswig-Holstein: Es sind die Dänen.   

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