Griechenland Mit Restaurants und Kochshows gegen die Krise

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Kein Platz für Spielereien

Industriell hergestellte Produkte galten als besonders gut, ausländische als noch besser. „In den Achtziger- und Neunzigerjahren musste alles importiert sein, ob das nun Kleider, Autos oder eben Lebensmittel waren“, sagt Kallidis. Erst vor einem knappen Jahrzehnt kam der Wendepunkt.

Als erster Koch machte sich Alexandros Kardasis auf die Suche nach regionalen Spezialitäten, nachdem er in Paris bei der französischen Legende Joël Robuchon am Herd gestanden hatte. Er setzte Trachanas auf die Karte, reisförmige Nudeln aus Ziegenmilch. Der Mann mit dem Zopf ist seinem Stil treu geblieben. Die Kundschaft lässt er genau wissen, von wo das Olivenöl stammt (Kreta) und die gelben Erbsen (Santorini). Der Michelin hat ihm einen „Bib Gourmand“ verliehen, eine Auszeichnung für sorgfältig zubereitete, preiswerte Mahlzeiten.

Rückkehr zu heimischen und preiswerten Lebensmitteln

Die Kollegen beäugten Kardasis’ Experimente damals neugierig. Doch richtig an Dynamik gewann die Bewegung erst mit der Krise. Die zwang Gastronomen, knapper zu kalkulieren, weil die Kunden stärker auf den Preis achteten. „Vor der Krise haben wir die Portion Fisch für 38 Euro serviert“, sagt Kallidis, der sein Restaurant Aneton im Athener Vorort Pefki 2005 eröffnete. „Heute kochen wir Sardinen – einen Fisch, den wir vor fünf Jahren nie angefasst haben, weil er uns billig erschien.“

Als es mit der Wirtschaft bergab ging, verwandelte Kallidis sein Restaurant. Die guten Weingläser verschwanden ebenso auf dem Speicher wie die Baumwollservietten. „Auf dem Teller ist kein Platz mehr für Spielereien mit Balsamico-Reduktion“, sagt Kallidis. „Wir halten es schlicht.“

Gruß aus der Küche: Vorspeise im Athiri: Lammfleisch mit Aprikosengelee. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

In seinem Lokal kostet kein Hauptgericht mehr als 20 Euro, Vor- und Nachspeisen weniger als 10. Auf den Tisch kommt „Comfort Food“. Zu diesen Trost spendenden Gerichten zählen frittierte Zucchini. Doch anders als in der traditionellen griechischen Version, kommt hier ein wenig Maismehl in den Ausbackteig, für den maximalen Knuspereffekt. Zum Nachtisch gibt es, eher ungriechisch, eine Art umgewidmetes Snickers: Ganache aus bester Valrhona – Schokolade mit Erdnussbutter.

Im Aneton ist ohne Reservierung kein Tisch zu bekommen, auch im Athiri und im Hytra laufen die Geschäfte gut. Sternekoch Mantis weiß, dass seinen Preisen Grenzen gesetzt sind. Sein Degustationsmenü mit 14 Gängen kostet 68 Euro, im internationalen Vergleich ein Schnäppchen. Doch an einem langen Tisch können Gäste auch nur etwas trinken. Oft kommen Theaterbesucher aus den unteren Stockwerken nach der Vorstellung noch herauf.

Köche wie Mantis freuen sich, dass die Gäste die Importware nicht vermissen. „Meine Kunden sind begeistert, dass nur griechische Produkte auf den Tisch kommen“, sagt er. „Und sie haben Lust, Neues auszuprobieren.“ Der Sohn eines Klempners variiert Luxuselemente mit weniger Exklusivem. Auf die Wachtel mit griechischer Trüffel folgt in seinem Degustationsmenü ein bodenständiges Schwein mit erdigem Kohl.

Kallidis beobachtet, dass die Kundschaft zwar neugieriger ist. Manche Vorurteile sind trotzdem hartnäckig. Im Pilion beispielsweise, einer grünen Halbinsel zwischen Athen und Thessaloniki, weigern sich die Kastanienproduzenten, ihre Ware zu Mehl zu verarbeiten, das sie gewinnbringend exportieren könnten. Die Begründung: Ihre Eltern hätten während der deutschen Besatzungszeit Kastanienmehl essen müssen.

Als Kallidis in einer Folge seiner Sendung aus Kreta das Mehl des Johannisbrotbaumes pries, erinnerte ihn hinterher seine Mutter daran, dass es sich dabei um Schweinefutter handelt. Kallidis erzählt das lachend. Er weiß, dass seine Mission noch lange nicht beendet ist.

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