Gründertagebuch Suncoal-Gründer: Wiedersehen mit dem Ex-Chef

Die vier Gründer von Suncoal haben sichere Jobs gegen ein eigenes Unternehmen getauscht. Im dritten Teil des Gründertagebuchs schreibt Hans-Joachim v. Massow über das Wiedersehen mit dem Ex-Chef und die neue Produktionsanlage.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Ergebnis eines Experiments: Aus Stroh und Wasser wird klimaneutrale Kohle Quelle: Hans Scherhaufer für WirtschaftsWoche

Wie reagiert ein Vorgesetzter, wenn die besten Köpfe das Team verlassen, um selbst etwas aufzubauen? Wenn sie ein gutes und sicheres Gehalt gegen eine gute, aber riskante Idee eintauschen? Genau das haben Hans-Joachim von Massow, 30, Friedrich von Ploetz, 30, Tobias Wittmann, 31, und Christian v. Olshausen, 29, getan. Zusammen bauen sie ein eigenes Unternehmen auf.

Im Hafen von Königs Wusterhausen bei Berlin arbeiten die vier daran, die Energieversorgung umweltfreundlicher zu gestalten: Sie kochen Biomasse wie Gartenabfälle zu klimaneutraler Kohle. Dazu erhitzen sie das Grünzeug mit Wasser in einem Kessel, bis sich in der 200 Grad heißen Brühe Wasserstoff von Kohlenstoff spaltet. Heraus kommt schwarzer, energiehaltiger Schlamm, der anschließend zu Kohlestaub getrocknet und als Energieträger weiter verwendet wird. Wenn die Suncoal-Anlage regelmäßig gefüttert wird, kocht sie ohne zusätzlichen Energiebedarf immer weiter.

Mit ihrer Geschäftsidee überzeugten die vier Jungunternehmer die Jury des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs, den die WirtschaftsWoche gemeinsam mit der Werbeagentur Jung von Matt, dem Privatinvestoren-Netzwerk BrainsToVentures, der Kanzlei White & Case, der Personalberatung Heidrick & Struggles und dem Unternehmerverbund Entrepreneurs’ Organization veranstaltet. In der dritten Folge des WirtschaftsWoche-Gründertagebuchs berichtet Mitgründer von Massow über die Suche nach Mitarbeitern und der richtigen Strategie. Und er trifft ein Jahr nach seiner Kündigung seinen früheren Chef wieder.

Präsentation an der Hochschule

22. Oktober

Im Konferenzraum am Hafen von Königs Wusterhausen treffen wir uns mit einem möglichen Kooperationspartner. Unser Blick geht über das Hafengelände – und in die Zukunft: Wir reden über die Bedeutung von Biomasse für die Energiewirtschaft. Bisher gibt es ein grundlegendes Problem: Biomasse, wie zum Beispiel Gartenabfälle, fällt an vielen verschiedenen Orten an, muss aber zu einer Anlage transportiert werden, damit sie effizient verwendet werden kann.

Meistens lohnt sich das nicht, weil in Grünschnitt oder Hühnermist wenig Energie, aber viel Wasser steckt. Außerdem sind die Abfälle keine einheitlichen Stoffe. Die Umwandlung von Biomasse zu Suncoal löst beide Probleme: Weil ein Kilo Suncoal mehr Energie enthält als ein Kilo Biomasse, lohnt sich der Transport viel eher. Außerdem ist Suncoal ein einheitlicher Stoff und kann daher einfacher eingesetzt werden. Nach dem Gespräch ist unser Kooperationspartner optimistisch: Ihm eröffnet unsere Technologie eine geschäftliche Perspektive. Wir vereinbaren weitere Treffen.

23. Oktober

Christian präsentiert unsere Firma in der Technischen Fachhochschule in Wildau. Er kommt mit vielen Studenten und Professoren ins Gespräch. Ein Thema interessiert sie besonders: Suncoal kann wie fossile Kohle genutzt werden, stößt dabei jedoch nur das Kohlendioxid aus, das beim Pflanzenwachstum zuvor gebunden wurde.

Wird fossile Kohle durch Suncoal ersetzt, können so CO2-Emissionen reduziert werden. Uns helfen die Gespräche, um in der Region bekannter zu werden. Außerdem ist der Kontakt zu Hochschulen wichtig, um Kooperationen mit Lehrstühlen zu beginnen und Mitarbeiter, Diplomanden und Praktikanten zu finden.

24. Oktober

Morgens reise ich nach Österreich. Die Universität Innsbruck hat uns zu einem Gastvortrag eingeladen. Ich diskutiere mit den Studenten über Erfolg und Scheitern von Unternehmen. Ich vertrete die These, dass es für den Erfolg eines Unternehmens besonders wichtig ist, die Interessen in der Führungsmannschaft ins Gleichgewicht zu bringen. Es macht Spaß, wieder in der Uni zu stehen.

25. Oktober

In unserem Labor betreiben wir eine Reihe Druckbehälter, um Biomasse zu Kohle umzuwandeln. Bisher haben wir diese Gefäße eingekauft. Heute geht unser erster selbst entworfener Druckbehälter in Betrieb – ein wichtiger Meilenstein. Denn die kleine Anlage ermöglicht viele Experimente. Alles verläuft nach Plan. Wir kommen unserer Vision einen Schritt näher: Wir wollen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ohne in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion zu stehen – denn auch aus Nahrungsmitteln könnte man Energie gewinnen. Das ist aber sehr umstritten. Wir verwenden nur Abfälle.

Hans-Joachim von Massow und Tobias Wittmann (von links), zwei der vier Gründer von Suncoal Quelle: Hans Scherhaufer für WirtschaftsWoche

27. Oktober

Das zweite Tagebuch erscheint in der WirtschaftsWoche. Die Technische Universität Berlin, an der Tobias promoviert hat, veröffentlicht eine kurze Nachricht auf ihrer Web-Seite. Christian wird auf seinen alten Golf angesprochen, der im Heft mit einem Bild gewürdigt wurde und mit Rapsöl fährt. Über unsere Web-Seite nehmen Unternehmen und Privatleute Kontakt zu uns auf. Das sind gute Gelegenheiten, um nach Kooperationen Ausschau zu halten.

28. Oktober

Treffen mit einem Entsorgungsunternehmen. Wir diskutieren, welche Biomassen wir verwenden können. Es gibt viele Reststoffe wie Klärschlamm oder organische Industrieabfälle, die geeignet sind. Die Gesprächspartner sind zufrieden: Abfälle, die wir verwerten können, haben sie genug.

29. Oktober

Wir präsentieren unsere Firma am Hafen Königs Wusterhausen vor Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns. Wir stellen unser Verfahren vor, das es ermöglicht, Anlagen unterschiedlicher Größe zu bauen. Wir können die Kapazität etwa an die Menge Grünschnitt einer Gemeinde oder die Menge organischer Reststoffe eines Industriebetriebes anpassen. So kann Biomasse dezentral in Suncoal umgewandelt werden. Das spart Transportkosten und Energie.

4. November

Seit einem Jahr bin ich Vollzeit selbstständig. Ich treffe meinen ehemaligen Chef der Unternehmensberatung Roland Berger in Berlin. Er berichtet darüber, wie sich das Beraterteam entwickelt hat, dem Friedrich und ich vor der Gründung angehört haben. Wir diskutieren unsere Geschäftsidee. Er ist beeindruckt und gibt uns wertvolle Hinweise und sichert uns seine Unterstützung zu.

Am 10. November steht die Suncoal-Anlage

6. November

Christian, der schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber eine Produktion geleitet und Verantwortung für die Sicherheit übernommen hat, hat ein Sicherheits- und ein Brandschutzkonzept ausgearbeitet und mit der Berufsgenossenschaft und der Feuerwehr abgestimmt. Nun schult er unsere Mitarbeiter.

10. November

Wir erweitern nicht nur unsere Laborkapazität, sondern bauen parallel eine Produktionsanlage auf. Seit Wochen werden Rohre gebogen und Bleche zugeschnitten. Die Bauteile werden verlegt und verschweißt. Mess- und Regelungsarmaturen werden angebracht, verkabelt und über den Schaltschrank mit der Steuerung verbunden. Dabei helfen uns die Mitarbeiter des Hafens sehr. Heute steht die Anlage. Sie wird nun Aggregat für Aggregat in Betrieb genommen. Wir simulieren einen Alarmfall, die Sirenen heulen auf. Am Abend treffen wir uns mit Christoph von Einem von der Anwaltssozietät White & Case zum Essen in Berlin Mitte. Wir besprechen gesellschaftsrechtliche Fragen aus dem Unternehmensalltag.

11. November

Friedrich trifft sich mit anderen Unternehmern aus dem Netzwerk der Entrepreneurs’ Organization (EO). Sie tauschen regelmäßig Erfahrungen aus, sprechen über Vertriebsstrategien und Personalführung. Außerdem nehmen wir am „Accelerator Program“ von EO teil, das speziell für Gründer gedacht ist und zum Preis des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs gehört.

14. November

Treffen mit unserem Coach und Investor Bodo Wolf. Er hat 50 Jahre Erfahrung in der Energiewirtschaft mit Kohle und mit Biomasse. Sein Wissen hilft uns sehr: Häufig diskutieren Tobias und Christian mit ihm verfahrenstechnische Fragen. Auch Friedrich und ich haben in seinem Netzwerk Ansprechpartner. Sie helfen uns bei Verhandlungen oder dabei, die Geschäftsidee weiter zu verfeinern. Die Unterstützung ist wichtig und ergänzt unser Team perfekt.

17. November

Ein Artikel über Suncoal erscheint im „Handelsblatt“. Ich lese ihn morgens auf dem Weg nach Königs Wusterhausen. Dort treffe ich einen Logistikexperten. Wir sprechen über den Transport von Biomasse und Kohle und die damit verbundenen Kosten.

Experiment: Eine MItarbeiterin von Suncoal befüllt den Druckluftbehälter mit Stroh und Wasser Quelle: Hans Scherhaufer für WirtschaftsWoche

18. November

Wir haben viele Bewerbungen erhalten und Gespräche mit Kandidaten geführt. Wir suchen vor allem Energie- und Verfahrenstechniker. Inzwischen haben auch Personaldienstleister Unterstützung angeboten. Bisher suchen wir allein, und es klappt auch sehr gut.

20. November

Im Unternehmen entwickeln sich langsam Gewohnheiten. Die konzentrierte Arbeit wird durch eine morgendliche Kaffeerunde und gemeinsame Mittagessen unterbrochen. Wenn jemand im Team Geburtstag hat, feiern wir das immer gemeinsam.

24. November

Friedrich trifft sich mit einem Vertreter unserer Hausbank. Sie muss den Förderbehörden bestätigen, dass die Vorhaben auch wirklich solide finanziert werden. Bei Suncoal ist das kein Problem. Weiter geht es zum Steuerberater. Friedrich klärt die letzten Fragen über die Zulage für Investitionen, auf die Unternehmen in Ostdeutschland einen Anspruch haben.

25. November

An unserem Standort am Hafen wird zweimal im Jahr ein Frühstück für alle angesiedelten Unternehmen organisiert. Diese Plattform hat das Ziel, dass sich die Unternehmen am Standort vernetzen und Synergiepotenziale entdecken. Wir nehmen zum ersten Mal teil und stellen die Firma vor. Eine gute Institution.

Arbeit an einem Controllingsystem

26. November

In Berlin redet der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf einer Veranstaltung von BP über Klimaschutz. Christian und Friedrich sind dabei. Gabriel bekräftigt, dass trotz Wirtschaftskrise die Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht gelockert werden sollen. Ein wichtiges Signal, das gut für die Wirtschaft ist: Rund um den Klimaschutz entstehen sehr viele neue Technologien und Unternehmen, die bereits heute viele Arbeitsplätze geschaffen haben.

27. November

Friedrich arbeitet an der Einführung unseres Controllingsystems. Das Zahlenwerk wird in professionelle Planungssoftware übertragen. Auf dem Papier entsteht eine Abbildung des Unternehmens in Form von Kostenstellen. Die bisherigen Geschäftsvorfälle werden den einzelnen Stellen zugeordnet. Das ist eine mühsame Arbeit. Aber sie lohnt sich. Für die Planung der Liquidität ist es wichtig, zu wissen, wie hoch der Kontostand ist und wie er sich entwickeln wird. Bei Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zahlen kommt es darauf an, die Gründe zu analysieren. Je größer wir werden, umso schwieriger wird das. Die Systematisierung ist deshalb absolut notwendig und wird die Analyse in Zukunft sehr vereinfachen.

28. November

Wir haben vor über einem halben Jahr einen detaillierten Meilensteinplan erstellt. Darin haben wir alle Aktivitäten erfasst, ihre zeitliche Umsetzung geplant und die Verantwortlichen festgelegt. Ein solcher Plan ist nicht nur die Voraussetzung für eine solide Finanzplanung, sondern auch für die konsequente Umsetzung absolut notwendig.

Jeder weiß, wie schwierig es ist, abzuwägen, wie viel Zeit man für die Planung verwendet und wie viel für die Umsetzung. Wir haben alle unser eigenes Maß gefunden. Tobias und Christian haben ihre Meilensteine in tagesaktuelle Aktionspläne übersetzt.

30. November

Erster Advent. Friedrich trifft sich mit anderen Jungunternehmern auf einer Konferenz junger europäischer Unternehmen in Düsseldorf. Ich schreibe das neue Tagebuch, das noch vor Weihnachten erscheinen soll. Ich lasse die vergangenen Wochen Revue passieren. Dieser Rückblick ist eine gute Gelegenheit, das Geplante mit dem Erreichten abzugleichen. Es gibt immer etwas zu tun.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%