1951 kamen Sie dann an die Kunstschule nach Wismar. Wie frei lebten Sie als Kunststudent in der DDR?
Wir waren sehr privilegiert, bekamen 2000 Mark im Monat, hatten eine Intelligenz-Lebensmittelkarte, die uns anderthalb Kilo Fleisch pro Woche garantierte – so viel wie den Schwerstarbeitern in den Uranbergwerken. Ich hatte sogar ein Auto mit Fahrer, um in den Badeorten die Polit-Propagandatafeln zu installieren, die wir gemalt hatten. Und um den Menschen auf dem Land die Parteitagsbeschlüsse vor Augen zu führen. Finanziert hat das ein Kombinat, dem ich danach Rechenschaft ablegen musste, weil sie mein Studium unterstützten.
Sie haben 1951 auch an den Weltjugendspielen in Ostberlin teilgenommen und hatten so erstmals die Gelegenheit, Westberlin zu besuchen. Ein Kulturschock?
Nein, wir fühlten uns sehr gefestigt in unseren Vorurteilen. Der Kapitalismus war für uns wie ein Futtertrog, mit dem man Schweine lockt.
Und dem Sie widerstehen konnten?
Wir haben uns Klamotten in Westberlin gekauft – elegante Mäntel, Ringelsocken, Kreppschuhe. An manchen Tagen gingen wir fünf Mal ins Kino.
Ein feines Leben...
...das mir aber zunehmend unheimlich wurde, vor allem nach dem Tod Stalins und dem Aufstand im Juni 1953.
Weil Sie um Ihre Privilegien fürchteten?
Nein, weil ich merkte, dass mir die Fähigkeit abhanden zu kommen drohte, meine von Staatsseite anerzogene Lügenfähigkeit weiter als solche zu erkennen. Die Propaganda, die ich den Bauern aufsagte, nicht mehr als Lüge wahrzunehmen, das machte mir Angst – und ich bin gegangen.
Nach wochenlangen Verhören auf dem Gelände eines ehemaligen KZs...
...man dachte, ich sei von der DDR eingeschleust...
...kamen Sie 1955 schließlich in Düsseldorf an. Warum landeten Sie dort?
Weil dort mit Otto Pankok ein Antifaschist unterrichtete, den ich sehr bewunderte. Der mich erst wieder zurückschicken wollte, mich dann aber einschrieb, als ich in meiner Verzweiflung losheulte. Und der mir eine Matratze ins Klassenzimmer legte, damit ich nicht mehr in den ausgebombten Häusern der Stadt schlafen musste. Seine Frau Hulda hat mich sonntags manchmal zum Kuchen eingeladen.
Wie haben Sie Ihre neue Heimat erlebt?
Als reaktionäre, fremde Welt. Die Leute hier dachten ganz anders als dort, von wo ich kam. Ich war ein Fremder, gelandet in einer Gegenwelt, ohne Gesprächspartner. Ich war nicht ganz da und nicht ganz hier, aber immerhin bei mir selbst. Heinz Mack...
...mit dem Sie ab 1961 gemeinsam mit Otto Piene die Künstlergruppe Zero bildeten...
...lud mich zur Abendausstellung „Das rote Bild“ ein. Gleichzeitig wollte ich hier sein, dem Ruhrgebiet hingewandt, wo sich das dichteste Arbeitspotenzial befindet.
Was die Kreativität fördert
Der Psychologe Travis Proulx von der Universität von Kalifornien ließ Probanden sinnfreie Passagen aus Kafkas "Landarzt" lesen. In anschließenden Tests fanden sie mehr Lösungswege und schnitten besser ab als diejenigen, die eine redigierte Version gelesen hatten.
Frank Fischer von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität analysierte die Gruppenarbeiten von 300 Studenten. Vorher hatte er den Raum mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet. Siehe da: Teilnehmer, die zwischen Sitzen und Stehen wechselten, kamen häufiger zu richtigen Ergebnissen als nur im Sitzen - und hatten 24 Prozent mehr Ideen.
Im Schlaf findet kombinatorisches Denken statt, wie Denise Cai von der Universität von Kalifornien in San Diego 2009 bestätigen konnte. Sie ließ 77 Teilnehmer verschiedene verbale Aufgaben lösen, einige Probanden konnten zuvor ein Nickerchen halten - die lösten die Aufgaben am besten.
Der Sozialpsychologe Jens Förster von der Jacobs-Universität Bremen fand in einer Studie heraus, dass die Teilnehmer eine kniffelige Aufgabe eher lösten, wenn sie zuvor an ihren Partner gedacht hatten. Der Gedanke an Liebe lässt in die Zukunft blicken - was dabei hilft, Dinge miteinander in Beziehung zu stellen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.
In blauer Umgebung steigt der Einfallsreichtum. Ravi Mehta und Rui Zhu von der Universität von British Columbia in Vancouver ließen Freiwillige im Jahr 2009 verschiedene Aufgaben lösen - roter Hintergrund verbesserte zwar die Leistung bei der Detailaufgabe, blau jedoch die Kreativität.
Wovon haben Sie gelebt?
Ich habe von den Feldern Lauch gesammelt, in der Akademie das Fenster angelehnt gelassen, um nachts Koks aus dem Keller zu holen. Ich habe Schicht gearbeitet in einer Glasfabrik, für 400 Mark im Monat, morgens um fünf ging es los. Vom ersten Lohn habe ich mir ein Fahrrad gekauft, mit dem bin ich nach Amsterdam und Paris gefahren – geschlafen habe ich draußen.
Sie hatten damals schon zwei kleine Kinder – wie hat das zum Leben gereicht?
Über Geld habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich hatte in allen Geschäften Schulden, habe anschreiben lassen, vom Bäcker bis zum Heizölhändler. Es gab dann eben mal ein Bild, um den Betrag zu begleichen.
Hat Sie diese materielle Not bedrückt?
Nie. Wenn ich Geld brauchte, habe ich schon mal ein Fest veranstaltet in meiner Scheune, die Atelier und Wohnraum zugleich war. 200 Gäste, 5 Mark Eintritt, da blieb was übrig. Die Scheune hatte ich von der Stadt gemietet, für 50 Mark im Monat.
Sind Sie an ökonomischen Zusammenhängen nicht interessiert?
Doch, ich war immer ein ökonomisch denkender Mensch. Aber so war das bei mir immer mit dem Geld – ich habe es auf mich zukommen lassen, immer im Vertrauen, dass es sich schon regeln wird. Wenn man Geld braucht, kommt es auf einen zu. So war das mein ganzes Leben lang, sonst könnte ich gar nicht solche Werkstätten unterhalten.
Viele Künstler stehen im Alter vor der Armut, weil sie nicht rechtzeitig vorgesorgt haben – wie steht es bei Ihnen?
Ansparen ist jedenfalls Quatsch. Es geht darum, den Kreislauf des Geldes in Bewegung zu halten. Wer über Jahre Vertrauen zu anderen Menschen hergestellt hat, bekommt auch was, wenn er es wirklich braucht.