Hochbegabte Der richtige Umgang mit den Superklugen

Hochbegabung kann Segen sein - aber auch Fluch. Über die richtige Hochbegabtenförderung wird verstärkt nachgedacht. Eine Langzeitstudie zeigt, was spezielle Überflieger-Klassen bringen und wie es anders funktioniert.

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Schüler des Landesgymnasiums für Hochbegabte (LGH) arbeiten in Schwäbisch Gmünd selbstständig im Schülerzentrum. Quelle: dpa

Zwei von hundert Schülern in Deutschland gelten mit ihrem Intelligenzquotienten von 130 oder mehr als hochbegabt. Einen ebenfalls klar überdurchschnittlichen IQ von 120 haben etwa zehn Prozent. Für Eltern und Lehrer, aber auch die Überflieger kann dies Segen oder Fluch sein. Oft wird herausragendes Lerntalent von Unterforderung im Unterricht, Leistungsverweigerung aus Langeweile und schwierigem Sozialverhalten überschattet. Was tun, wenn der Mini-Einstein als Zappelphilipp nervt?

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Für solch problematische Kinder sind spezielle Förderklassen eine spürbare Hilfe, quasi der Königsweg durch eine ansonsten häufig triste Schulzeit, wie eine neue Langzeitstudie untermauert. Ein Dogma fürs Bildungssystem sind reine Hochbegabtenklassen demnach aber nicht. Denn eine isolierende Förderung ist kein Muss, es gibt auch im normalen Schulbetrieb Optionen bei der Begabtenförderung. Viele sehr intelligente Kinder kommen ohnehin überall klar - eben weil sie sehr intelligent sind.

„Wenn ein hochbegabtes Kind schon in der Grundschule mit seinem Verhalten schlecht zurechtkommt, hat es in einer Begabtenklasse bessere Chancen auf Erfolg. Wenn es in der Grundschule aber überhaupt keine Probleme gab, kommt es mit ziemlicher Sicherheit auch in einer Regelklasse zu Potte.“ So fasst der Entwicklungspsychologe Prof. Wolfgang Schneider von der Universität Würzburg ein zentrales Ergebnis seiner vergleichenden Untersuchung bei anfangs etwa 1000, zuletzt noch rund 600 Schülern von Gymnasien in Bayern und Baden-Württemberg zusammen.

Die Studie dürfte auch all jene interessieren, die voriges Jahr in der Kultusministerkonferenz der 16 Bundesländer parteiübergreifend einen neuen Aufbruch für Hochleistungsschüler gestartet hatten. Zuletzt waren die rot-rot-grünen Ressortchefs im Februar und ihre Unions-Kollegen im Dezember freilich wieder auf konkurrierenden Tagungen zu dem bildungsideologisch vorbelasteten Thema unterwegs.

CDU/CSU legen den Schwerpunkt stärker auf eine Art Eliteförderung, ihr Ziel ist „mehr Chancengerechtigkeit“ - diesmal für exzellente Schüler. Der Sprecher der rot-grünen Bildungsminister, Hamburgs Senator Ties Rabe (SPD), fühlt sich im Gespräch seinerseits durch die Langzeitstudie bestätigt: „Begabtenförderung muss zur Regelaufgabe in jeder Schule und in jeder einzelnen Klasse werden. Reine Begabtenklassen bieten für begabte Schüler keine Vorteile. Im Gegenteil: Solche gesonderten Klassen bergen die Gefahr, dass die Begabtenförderung in den Regelklassen unterbleibt und viele Schüler nicht ordentlich gefördert werden.“

In den Süd-Bundesländern - eines CSU-regiert, das andere grün-schwarz - sei der Hochbegabtenbereich ausgebaut worden, sagt Schneider im dpa-Interview. Und zwar „auf etwa 20 Klassen, in einer Größenordnung, die auch Sinn macht. Da könnten andere Länder durchaus noch nachziehen.“ Der Wissenschaftler betont aber auch: „Man muss es nicht übertreiben. Nicht jedes Gymnasium braucht eine Begabtenklasse.“ Besonders intelligente Schüler müssten nicht grundsätzlich unter sich bleiben - andere Förderwege könnten auch zum Ziel führen.

Vor drei Jahren, bei der ersten Präsentation von PULSS in Würzburg (Projekt für die Untersuchung des Lernens in der Sekundarstufe), klang das noch eindeutiger: „Spezielle Klassen für hochbegabte Schüler an Gymnasien haben ganz klare Vorteile. Überall dort, wo es genügend Bevölkerung gibt - also vor allem in Großstädten -, ist ihre Einrichtung empfehlenswert.“ Besonders laut jubelte 2013 Bayerns CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle: In Hochbegabtenklassen geförderte Schüler zeigten „im Vergleich zu überdurchschnittlich begabten Schülern in Regelklassen einen deutlichen Leistungsvorsprung“, kommentierte der Minister seinerzeit die PULSS-I-Ergebnisse.

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Das stimme auch weiterhin, sagt Psychologe Schneider heute, nach aktuellen Untersuchungen bis hinauf zur zehnten Gymnasialstufe. „Wir haben im Prinzip noch die gleichen Trends. Auch beim Klassenklima und der Anerkennung innerhalb der Klasse haben Begabtenklassen Vorteile gegenüber Regelklassen.“ Hohe Eltern- und Lehrer-Zufriedenheit mit dem Unterricht in Förderklassen falle ebenfalls positiv ins Gewicht, so Schneider. Und es gebe Hinweise, „dass es in den Begabtenklassen in besonderer Weise gelingt, das Mathematik-Interesse von Mädchen anzusprechen“.

Der Bildungsforscher - auch Leiter einer begabungspsychologischen Beratungsstelle in Würzburg - rät Eltern, beim „Verdacht“ auf ein hochintelligentes Kind nicht lange zu warten. „Eine Abklärung relativ frühzeitig ist sehr sinnvoll - auch um zu vermeiden, dass da falsche Erwartungen geweckt werden und ein Kind am Ende nur überfordert wird. Also am besten vor dem Beginn der Schulzeit, wenn sich schon im Kindergarten eine hohe Begabung abzeichnet.“

Die für Schulbildung zuständigen Länder richten sich zunehmend auf solche „Kundschaft“ ein. So hat Baden-Württemberg ein Landesgymnasium für Hochbegabte. In Berlin gibt es Profilklassen mit Förderschwerpunkten, sehr fähige Schüler dürfen früher aufs Gymnasium wechseln. Rheinland-Pfalz bietet Hochbegabtenschulen und Optionen, eine Klasse zu überspringen. Und Hamburg hat an allen weiterführenden Schulen einen Koordinator für das Thema. SPD-Senator Rabe sagt: „Wir haben die Fortbildung intensiviert und die Lehrerbildung auf Begabtenförderung stärker konzentriert.“

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