"House of Cards"-Erfinder Michael Dobbs "Politik ist kein Geschäft für nette Menschen"

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Vieles in der Politik spielt sich hinter den Kulissen ab

Verpassen viele Politiker aus diesem Grund den richtigen Zeitpunkt, um sich zur Ruhe zu setzen?

Absolut! Wenn Sie sich Großbritannien ansehen: Die meisten Premierminister mussten aus dem Amt gezerrt werden, beinahe mit Gewalt, weil sie sich mit ihren Fingernägeln in den Teppichen des Regierungssitzes Number 10 Downing Street festkrallten. Wenn sie es erst einmal an die Spitze geschafft haben, dann verlieren viele den Bezug zur Realität. Sie wissen nicht mehr, wann die Zeit für ihren Abtritt gekommen ist. Es ist traurig. Wenn ich Politiker direkt nach der Wahl sehe, denke ich mir: Von hier an geht es bergab.

Hier leben die meisten Millionäre
Global Wealth Report 2014Das reichste Prozent der Menschheit besitzt nahezu die Hälfte des gesamten Vermögens weltweit – das ergibt eine Untersuchung der Schweizer Großbank Credit Suisse. Insgesamt liegt das Durchschnittsvermögen weltweit auf einem Rekordhoch: Rund 44.000 Euro hätte jeder Mensch – wären die Vermögen gleich verteilt. Wo die meisten Millionäre leben. Quelle: REUTERS
Rang 10: Spanien – 1 ProzentIn Spanien ist jeder vierte Erwerbsfähige ohne Arbeit – das Land kämpft immer noch mit den Nachwehen der Euro-Krise. Einige scheinen trotzdem Gewinne zu machen. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete Spanien 89.000 neue Millionäre. Insgesamt leben dort 465.000 Millionäre; das entspricht einem Prozent aller Millionäre weltweit. Quelle: dpa
Rang 9: Schweiz - 2 ProzentDie Reichen bunkern nicht nur ihr Schwarzgeld in der Schweiz – viele leben auch dort. Kein Wunder: Es gibt zahlreiche Skigebiete und auch die Alpen und Seen ziehen seit fast 200 Jahren Touristen an.  Die wohl stabilste Volkswirtschaft der Welt beherbergt insgesamt 700.000 Millionäre. Quelle: dpa
Rang 8: Kanada - 3 ProzentKanada zählt zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Geht man nach dem Human Development Index, ein Index der Wohlstand nicht nur anhand materieller Indikatoren misst, belegt der Nachbar der USA Platz vier. In Kanada leben 1.100.000 Millionäre, das sind 105.000 als im Vorjahr. Damit verzeichnet Kanada den siebtgrößten Millionärszuwachs weltweit. Quelle: dpa
Rang 7: China - 3 ProzentChina ist die größte Volkswirtschaft der Welt und verzeichnet rasante Wachstumsraten. Bei den Superreichen zeichnet sich das nur bedingt ab. Ganze acht Länder haben im vergangenen Jahr mehr Millionäre hervorgebracht. Trotzdem: 90.000 neue Millionäre können sich sehen lassen. Insgesamt gibt es in China 1.100.000 Millionäre. Quelle: dpa
Rang 6: Australien - 4 ProzentRiesige Strände, weite Landschaften, Gebirge – was einst eine britische Gefängniskolonie war, zieht täglich mehrere Millionen Touristen an. Doch nicht nur sie lassen es sich gut gehen - in Australien leben mittlerweile 1.200.000 Millionäre. Das sind 106.000 mehr als noch im Vorjahr. Quelle: AP
Rang 5: Italien - 5 ProzentÄhnlich wie Spanien kommt auch Italien nicht aus der Wirtschaftskrise heraus. Fast jeder zweite zwischen 15 und 24 ist dort ohne Arbeit. Doch die Krise tangiert längst nicht alle Italiener. 216.000 können sich dort als Neu-Millionäre bezeichnen. Italien beherbergt damit 1.500.000 Millionäre. Quelle: AP

Wie viel von dem, was in der Politik hinter den Kulissen abgeht, dringt eigentlich jemals an die Öffentlichkeit?

Sehr wenig – und das ist auch gut so. Politik braucht Vertraulichkeit. Eine komplett transparente Regierung würde Chaos bedeuten. Aber je mehr die Bevölkerung versteht, dass Politiker Menschen wie wir alle sind, verstehen sie, warum Fehler passieren. Sie können diese eher verzeihen und entscheiden rationaler, wer sie vertreten soll. Interessanterweise werden ja die effektiven Leute gewählt. Thatcher wurde nie geliebt, aber immens respektiert. Sie wurde drei Mal wiedergewählt. Ich fürchte, dass moderne Politiker viel zu sehr geliebt werden möchten. Das ist nicht ihr Job.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien?

Um sich in Szene zu setzen, sind Politiker auf die Medien angewiesen. Aber auf diesem Gebiet hat sich einiges geändert. Vor 30 Jahren haben die Politiker die politische Tagesordnung bestimmt, und die Medien folgten. Heute ist es andersherum – und im Begriff, sich wieder zu verändern dank der sozialen Medien. Wie die Kommunikation über sie abläuft, können wir derzeit noch gar nicht im Detail verstehen. Das ist eine große Herausforderung für die Politik.

Inwiefern?

Politiker benötigen vor allem Zeit, um zu überlegen, welche Botschaft sie überhaupt verbreiten wollen. Früher war das möglich. Heute stehen Politiker unter so einem enormen Druck, dass sie glauben, auf alles sofort eine Antwort haben zu müssen. Das ist ein großes Problem. Ich warte auf den Moment, in dem ein Politiker in eine Kamera sagt: „Darüber muss ich erst einmal schlafen. Frühestens in einer Woche können Sie mit einer Antwort rechnen.“ Niemand weiß, wie sich die Medien in fünf oder zehn Jahren entwickeln werden. Im Übrigen profitieren Politiker auch von den neuen Medien, indem Informationen erhältlich sind, die es früher nicht gab. Wir haben das beim Arabischen Frühling gesehen, und die Folgen könnten umwälzend sein. Das Einzige, was man zum jetzigen Zeitpunkt weiß, ist, dass Politiker nie die Antwort auf alles haben werden.

Sie waren bald ein Jahrzehnt in der Werbung tätig, zuletzt im Vorstand von Saatchi & Saatchi. Hat das Ihren Blick auf die Politik verändert?

Ich habe dort sehr viel über Kommunikation gelernt, etwa, dass ein Publikum sehr heterogen sein kann. Unterschiedliche Gruppen müssen unterschiedlich angesprochen werden, auch wenn es um dieselbe Marke geht. Saatchi & Saatchi brüstete sich damals, dass wir die Regierung verändert hätten. Das stimmte nicht, die Regierung hat lediglich gelernt, wie sie politische Werbung einsetzen konnte.

Wie denn?

Die effektivste Art der politischen Werbung ist negative Werbung. Es ist viel einfacher etwas in drei, vier Worten niederzumachen, als etwas Neues zu schaffen.

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