Verpassen viele Politiker aus diesem Grund den richtigen Zeitpunkt, um sich zur Ruhe zu setzen?
Absolut! Wenn Sie sich Großbritannien ansehen: Die meisten Premierminister mussten aus dem Amt gezerrt werden, beinahe mit Gewalt, weil sie sich mit ihren Fingernägeln in den Teppichen des Regierungssitzes Number 10 Downing Street festkrallten. Wenn sie es erst einmal an die Spitze geschafft haben, dann verlieren viele den Bezug zur Realität. Sie wissen nicht mehr, wann die Zeit für ihren Abtritt gekommen ist. Es ist traurig. Wenn ich Politiker direkt nach der Wahl sehe, denke ich mir: Von hier an geht es bergab.
Wie viel von dem, was in der Politik hinter den Kulissen abgeht, dringt eigentlich jemals an die Öffentlichkeit?
Sehr wenig – und das ist auch gut so. Politik braucht Vertraulichkeit. Eine komplett transparente Regierung würde Chaos bedeuten. Aber je mehr die Bevölkerung versteht, dass Politiker Menschen wie wir alle sind, verstehen sie, warum Fehler passieren. Sie können diese eher verzeihen und entscheiden rationaler, wer sie vertreten soll. Interessanterweise werden ja die effektiven Leute gewählt. Thatcher wurde nie geliebt, aber immens respektiert. Sie wurde drei Mal wiedergewählt. Ich fürchte, dass moderne Politiker viel zu sehr geliebt werden möchten. Das ist nicht ihr Job.
Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien?
Um sich in Szene zu setzen, sind Politiker auf die Medien angewiesen. Aber auf diesem Gebiet hat sich einiges geändert. Vor 30 Jahren haben die Politiker die politische Tagesordnung bestimmt, und die Medien folgten. Heute ist es andersherum – und im Begriff, sich wieder zu verändern dank der sozialen Medien. Wie die Kommunikation über sie abläuft, können wir derzeit noch gar nicht im Detail verstehen. Das ist eine große Herausforderung für die Politik.
Inwiefern?
Politiker benötigen vor allem Zeit, um zu überlegen, welche Botschaft sie überhaupt verbreiten wollen. Früher war das möglich. Heute stehen Politiker unter so einem enormen Druck, dass sie glauben, auf alles sofort eine Antwort haben zu müssen. Das ist ein großes Problem. Ich warte auf den Moment, in dem ein Politiker in eine Kamera sagt: „Darüber muss ich erst einmal schlafen. Frühestens in einer Woche können Sie mit einer Antwort rechnen.“ Niemand weiß, wie sich die Medien in fünf oder zehn Jahren entwickeln werden. Im Übrigen profitieren Politiker auch von den neuen Medien, indem Informationen erhältlich sind, die es früher nicht gab. Wir haben das beim Arabischen Frühling gesehen, und die Folgen könnten umwälzend sein. Das Einzige, was man zum jetzigen Zeitpunkt weiß, ist, dass Politiker nie die Antwort auf alles haben werden.
Sie waren bald ein Jahrzehnt in der Werbung tätig, zuletzt im Vorstand von Saatchi & Saatchi. Hat das Ihren Blick auf die Politik verändert?
Ich habe dort sehr viel über Kommunikation gelernt, etwa, dass ein Publikum sehr heterogen sein kann. Unterschiedliche Gruppen müssen unterschiedlich angesprochen werden, auch wenn es um dieselbe Marke geht. Saatchi & Saatchi brüstete sich damals, dass wir die Regierung verändert hätten. Das stimmte nicht, die Regierung hat lediglich gelernt, wie sie politische Werbung einsetzen konnte.
Wie denn?
Die effektivste Art der politischen Werbung ist negative Werbung. Es ist viel einfacher etwas in drei, vier Worten niederzumachen, als etwas Neues zu schaffen.