Hypnotherapie Hilft Hypnose gegen Stress?

Hypnose verbinden viele Menschen mit Bühneninszenierungen, bei denen Zuschauer manipuliert werden. Therapeutische Hypnose hat damit aber nicht viel zu tun. Quelle: Getty Images

Meditation kann helfen, um besser mit Stress im Job umzugehen. Doch nicht jeder kann damit etwas anfangen. Eine Alternative: Hypnose. Was Sie von einer Behandlung bei einem seriösen Therapeuten erwarten können.

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Vor einigen Jahren bekam Katharina S., heute 31 Jahre alt, urplötzlich Panikattacken. „Ich konnte mir nicht erklären, wieso“, erinnert sich die Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie wollte das Thema so schnell wie möglich angehen. Das Problem: „Es war schon damals wahnsinnig schwierig, einen Psychotherapieplatz zu finden.“ Katharina S. telefonierte mit ihrer Krankenkasse, die ihr eine Hypnotherapie empfahl. Diese sei noch nicht so etabliert und daher stünden die Chancen besser, schnell einen Termin zu bekommen. Tatsächlich funktionierte das – und die Therapie auch.

Anders war es bei Mareike G. Sie litt unter Reizdarmbeschwerden, hinter denen sie eine psychische Ursache vermutete und die laut Studien gut auf Hypnose ansprechen. G. fuhr für eine Sitzung bei einer Therapeutin, die ihr empfohlen worden war, extra vom Ruhrgebiet nach Frankfurt am Main. „Es hieß von Anfang an, dass ich nur eine Sitzung brauche“, erzählt die 32-Jährige. „Aber leider hat sie überhaupt nichts gebracht.“

Studien belegen, dass nicht jeder für Hypnose gemacht ist: Zehn bis 15 Prozent der Menschen sprechen nicht auf sie an und erleben keine Trance. Hypnotherapie ist seit 2006 vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) in Deutschland anerkannt – bezogen auf zwei Anwendungsbereiche bei Erwachsenen: Psychische und soziale Faktoren bei körperlichen Erkrankungen sowie Abhängigkeiten und Missbrauch. Die Gutachter betrachteten insgesamt zwölf Anwendungsbereiche. Den Antrag für die Anerkennung hatten die Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (MEG) sowie die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH) gestellt. Mehr als die Hälfte der Studien, die sie für das Gutachten vorlegten, konnten vom WBP nicht berücksichtigt werden – etwa, weil methodische Mindestanforderungen nicht erfüllt oder Stichproben zu klein waren.

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von Silke Wettach

Ein Blick ins Wissenschaftsnetzwerk Cochrane zeigt auch Jahre später: Studien können oft nur Hinweise auf die Wirksamkeit von Hypnose geben. Weil es insgesamt so viele Einsatzmöglichkeiten gibt, ist die Zahl der Untersuchungen zu einzelnen Anwendungsbereichen jeweils recht klein. Eine Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit von klinischer Hypnose und Hypnotherapie im Jahr 2019 im Auftrag der MEG bestätigt diesen Eindruck. Wenn Analysen „relativ unterschiedliche Studien in die Auswertung einschließen“, führe das zu schwer interpretierbaren Ergebnissen.

Inzwischen gibt es eine aktuellere Studie, die ebenfalls von der MEG angeregt und finanziert wurde und die belegt, dass Hypnotherapie bei depressiven Episoden ähnlich wirksam wie kognitive Verhaltenstherapie ist. Sie hält zum Beispiel aufgrund der größeren Stichprobe beteiligter Probanden höheren methodischen Standards stand als vorherige Untersuchungen.

„Der Puls fährt total herunter“

„Das Menschenbild der Hypnotherapie geht davon aus, dass ein Individuum die Ressourcen zur Veränderung bereits in sich trägt“, schreibt der WBP. Vor allem bei Burnout-Patienten gehe es darum, dass diese eine innere Haltung einnehmen, mit der sie Problemsituationen besser begegnen können, erklärt Reinhold Zeyer, Vorstandsmitglied der MEG und selbst Hypno- und Verhaltenstherapeut.

Vor der ersten Hypnose spricht er darum mit seinen Patienten über ihr Anliegen, ihre Erfahrungen und Lösungsansätze. „Wenn sie Stress auf der Arbeit haben, erörtern wir zum Beispiel zunächst: Was ist das Ziel? Was bräuchte ich, um besser mit der Situation zurechtzukommen? Und worauf habe ich überhaupt Einfluss?“ Dieses Gespräch setze meist bereits einen unbewussten Prozess in Gang und leite die anschließende Hypnose in eine hilfreiche Richtung.

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In ihren Sitzungen saß Katharina S. mit geschlossenen Augen und gemütlich in eine Decke gehüllt auf einem Sessel und erlebte ein ganz besonderes Gefühl der Entspannung, das sie so noch nicht kannte: „Du schläfst nicht, aber bist trotzdem tiefenentspannt. Dein Puls fährt total herunter.“

Dieser Zustand – die therapeutische Trance – kann sich laut Zeyer ganz verschieden anfühlen: Schlafähnlich, als sei man in Watte gepackt oder wie in einer Blase, als habe man eine unsichtbare Mauer zwischen sich und seiner Umwelt. Manche Patienten berichten statt von einer „schläfrigen Müdigkeit“ sogar eher von einer „besonderen Wachheit“. Andere kennen das Trance-Gefühl bereits vom Sport oder davon, von einem Buch gefesselt zu sein. Ihre Therapeutin stellte Katharina S. während der Sitzungen Fragen, die sie mit „ja“ oder „nein“ und recht kurz beantworten konnte. Zwischendurch sollte sie beschreiben, wie es ihr geht.

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