Karriere Der Bürofreund - Segen oder Fluch?

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Zwei Kolleginnen trinken gemeinsam Kaffee. Der Wert von Freundschaften am Arbeitsplatz hat sich erhöht. Quelle: nyul - Fotolia.com

Freundschaften lassen sich zwar nicht erzwingen, durch ein offenes, konstruktives Miteinander aber fördern. Davon profitiert ein Unternehmen genauso wie der Einzelne: Von einem befreundeten Kollegen kann man vor allem Unterstützung und ehrliche Rückmeldung erwarten. Freunde sagen einander Dinge, die sich sonst keiner zu sagen traut, geben Rat ohne versteckte Agenda und interessieren sich für das Wohlergehen des anderen.

Das ist nicht nur gut für die Psyche, sondern auch für die Karriere. Der Psychologe Shawn Achor von der Harvard-Universität untersuchte jüngst den Zusammenhang zwischen Job-Freundschaften und beruflichem Fortkommen. Sein Fazit: Wer sich auch menschlich für seine Kollegen interessiert, erhöht seine Chancen auf eine Beförderung um 40 Prozent.

Sozialmuffel hingegen wurden der Studie zufolge nur in sieben Prozent der Fälle befördert. Das Ergebnis darf man allerdings auch nicht missverstehen: Sich nur um der Karriere willen bei den Kollegen anzubiedern geht garantiert nach hinten los, warnt Achor.

Soziologen zufolge hat sich der Wert von Freundschaft mit der sinkenden Zahl von Ehen und Familien erhöht. Sie lieferten "ersatzweise Vertrautheit und Geselligkeit", sagt Christof Wolf.

Risikofaktor Büro-Freunde

Tatsächlich rangieren "Freundschaften" in Umfragen über das Wichtigste im Leben bei den Deutschen regelmäßig an der Spitze – manchmal noch vor "Partnerschaft" und "Familie".

Der Begriff "Freund" bleibt jedoch im konservativen Sinne ein enger: Im Privaten wie im Berufsleben zählt nach wie vor Qualität vor Quantität. Daran ändert die inflationäre Begriffsverwendung auf Plattformen wie Facebook genauso wenig wie das mittlerweile übliche "Du" im Büro.

Zwar definiert jeder die Bezeichnung "richtiger Freund" anders. Doch ein gemeinsamer Nenner ist der Grad der Vertrautheit, der sich – wenn überhaupt – erst mit der Zeit entwickelt. Intuitiv ahnt allerdings jeder, dass hier ein Stolperstein liegt.

Auf keinen Fall sollten gute Zusammenarbeit und Freundschaft vorschnell miteinander verwechselt werden. Der Kontext der Arbeit gibt viel Ähnlichkeit vor – und die kann trügen.

Loyalität, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft sind bei gemeinsamen Projekten zwar gefragt. Dies sollte jedoch nicht dazu verführen, "die persönlichen Bindungen bei der Arbeit zu überschätzen", sagt der Frankfurter Psychologe Hermann Refisch.

Unangebrachte Vertraulichkeit schadet der Arbeit genauso wie der persönlichen Beziehung. "Lassen Sie alles weg, was den Zuhörer belastet. Und wägen Sie ab, wie weit Sie im Vertrauen etwas preisgeben, was möglicherweise gegen Sie verwendet werden könnte", sagt Refisch. Dazu gehören zunächst alle heiklen Gesprächsthemen wie Krankheiten oder Beziehungsprobleme. Im modernen Büroalltag und der zunehmenden virtuellen Vernetzung gilt das speziell für soziale Netzwerke. Wenigstens aber sollten private und berufliche Profile voneinander getrennt sein.

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