Kooperation im Büro Nette Egoisten setzen sich am erfolgreichsten durch

nette Egoisten setzen sich im Büro am erfolgreichsten durch Quelle: imago images

Kooperation am Arbeitsplatz wird großgeschrieben. Ob kooperiert wird, entscheiden jedoch nur die egoistischsten Kollegen – ohne Widerrede. Das haben Evolutionsbiologen in einer Studie herausgefunden.

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Er ist nett. Freundlichkeit beantwortet er stets mit Freundlichkeit. Im Grunde ist er ein angenehmer Arbeitskollege. Wären da nicht diese Missverständnisse, die sich in der Zusammenarbeit mit ihm häufen. Missverständnisse, die ihn vor dem Chef immer besser aussehen lassen als die anderen Teammitglieder. Zufall oder kaltblütiger Egoismus? 

Wenn Ihnen dieses Gefühl bekannt vorkommt, dann arbeiten Sie möglicherweise mit einem sogenannten Ausbeuter zusammen. Insbesondere in Situationen mit hohem Wettbewerbsdruck wechseln die Ausbeuter geschickt zwischen Kooperation und Egoismus und setzen sich so erfolgreich durch. „Die konkurrierenden Kollegen werden immer wieder über den Tisch gezogen und glauben an ein Missverständnis, da es sich bei den Ausbeutern ja grundsätzlich um nette Kollegen handelt“, erklärt Manfred Milinski, Professor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.

Zu diesem Schluss sind Milinski und sein Kollege Lutz Becks kürzlich in ihrer Studie gekommen, die den Willen zur Zusammenarbeit und Ausbeutung bei Menschen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Grundlage für die Experimentreihe mit Studierenden der Universität Kiel war das Gefangenendilemma. In diesem Spiel profitieren zwei Teilnehmer stärker davon, wenn sie kooperieren statt sich egoistisch zu verhalten. Ist einer jedoch egoistisch und der andere kooperiert, erhält der Egoist den größten Gewinn und der Kooperierende geht leer aus.

Kooperation lohnt sich demnach nur, wenn für die Teilnehmenden die Möglichkeit besteht, egoistisches Verhalten zu sanktionieren. Dies geschieht, indem mit egoistischen Mitstreitern in einer nächsten Spielrunde nicht mehr kooperiert wird. In diesem Falle gehen beide Parteien leer aus. Der in der ersten Runde betrogene Spieler nimmt diesen Verlust in Kauf, weil er auf diese Weise die vorhergegangene Ungerechtigkeit kompensieren und den Egoisten bestrafen kann. Dieses Prinzip der Ungleichheitsaversion ist ein bekanntes Verhaltensmuster, das der Ökonom Ernst Fehr bereits in den Siebzigerjahren beschrieb.

Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass dieses Prinzip das erfolgreichste Rezept für beidseitige Kooperation sei. Im Büroalltag sieht es jedoch oft anders aus: Kollegen verhalten sich weniger kooperativ als die Theorie voraussagt. Die Ausbeuter-Strategie kann diese Diskrepanz erklären. „Der Ausbeuter nutzt seine Mitstreiter systematisch aus, indem er sie zu ständiger Kooperation zwingt“, erläutert Milinski. Er verhält sich in sechs von zehn Fällen kooperativ, in den restlichen vier ist er egoistisch und setzt seine Interessen durch. Das Gegenüber des Ausbeuters muss mitspielen, damit es sich für ihn längerfristig auch lohnt.

„Nun würde man annehmen, dass die Ausgebeuteten sofort versuchen würden, den Ausbeuter zu disziplinieren. Zu unserer großen Überraschung widersetzten sich die Ausgebeuteten in unserer Studie dem Ausbeuter immer seltener, umso höher der Wettbewerbsdruck war“, erklärt der Evolutionsbiologe. Die Ausbeuterstrategie ist besonders erfolgreich, weil der Wechsel zwischen Kooperation und Egoismus sehr geschickt und konsequent vollzogen wird. Deshalb ist die Strategie auch besonders beliebt: „Unsere Studie hat gezeigt, dass jeder Zweite die Ausbeuterstrategie erfolgreich anwendet. Außerdem ist die Strategie sehr einfach erlernbar.“

Identifizieren Sie also einen Ausbeuter an Ihrem Arbeitsplatz und ärgern Sie sich nicht. Begegnen Sie ihm freundlich und spielen Sie mit gleichen Karten zurück.

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