Kosmetische Chirurgie Karriere mit künstlicher Schönheit

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Gutes Aussehen als Teil der persönlichen Leistung

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Wie auch immer - der Konkurrenz um Attraktivität entkommt heute kaum noch jemand. Für die Freunde der Gleichheit ist Schönheit schon immer ein Ärgernis gewesen. Denn anders als materieller Reichtum, so hat schon Mitte der Neunzigerjahre der Politikwissenschaftler Bernd Guggenberger festgestellt, lässt sich Schönheit nicht wirklich umverteilen. Sie ist ein natürliches Privileg – und deshalb ungerecht: Sie teilt die Menschheit ein in Schöne und weniger Schöne. Gewiss, die plastische Chirurgie verspricht eine gewisse Abhilfe, doch ist für Borkenhagen das Problem damit längst nicht erledigt. Man müsse damit rechnen, dass die künstlich verjüngte Schönheit ein Privileg der Oberschicht bleibe und auch optisch die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehe.

Der Kampf um Schönheit wird womöglich härter in einer medizinisch aufgerüsteten Gesellschaft, die, wie Winfried Menninghaus, Direktor des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main, sagt, die Verschönerung des Körpers zur modischen Pflicht macht. Das gute Aussehen werde heute dem Einzelnen als "persönliche Leistung" zugerechnet, bei der nicht nur die eigene Mühe zählt, sondern eben auch der Einsatz von Chemie und Chirurgie.

Menninghaus macht in seinem Buch "Das Versprechen der Schönheit" noch drei weitere Punkte stark. Erstens: Die für beschleunigte Gesellschaften typische Zunahme von "First-impressions-Situationen", von flüchtigen Kontakten und Situationen des Sich-Kennenlernens, in denen das äußere Erscheinungsbild oft der einzige Hinweis zur Bewertung der Person ist.

Zweitens: Die Schwächung der Rolle des Mannes durch Feminismus und Gleichberechtigung. Männer können ihr Alleinstellungsmerkmal nicht mehr durch die Ernährer-Rolle oder privilegierte männliche Berufe sichern - und suchen ihr Heil im Muskelspiel: "Da wird noch mal der Körper gezeigt", sagt Menninghaus, archaische Männlichkeitsattribute werden verstärkt.

Drittens: Die Allgegenwart unwahrscheinlich schöner Model-Körper in Fernsehen, Werbung und Design. Noch nie in der Evolution des Menschen, so Menninghaus, sei die Kluft zwischen wirklichem und idealem Aussehen so groß gewesen wie heute. Wurde Attraktivität "von den Urzeiten bis zum 19. Jahrhundert" an einem Durchschnittsmaß gemessen, das sich aus den Erfahrungen des direkten Lebensumfelds ergab, so gelten heute die Ideale des Medienzeitalters: Es werden permanent Bilder schöner Menschen präsentiert. Entsprechend groß sei das Leiden der Konsumenten, die sich einer imaginären Konkurrenz ausgesetzt sehen, gegen die sie keine Chance haben.

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