Dass sich die Parteien von gutem Aussehen Vorteile versprechen, belegen regelmäßig die Wahlplakate. Sie zeigen behutsam retuschierte Porträtfotos, die den Kandidaten an den entscheidenden Stellen das Quäntchen jünger erscheinen lassen, als er offensichtlich ist. "Frischer, so heißt das Stichwort, das gern benutzt wird", sagt die Bildbearbeiterin einer auf Retouchen spezialisierten Agentur, die auch die "Verjüngung" des Fotos auf Seite 1 vorgenommen hat. Die Weisheit des Alters scheint den Parteien weniger attraktiv als die Anmutung von Jugendlichkeit.
In der Wirtschaft ist es ganz ähnlich. Attraktives Aussehen wird allemal prämiert. Der Finanzwissenschaftler John Graham von der US-Universität Duke legte für eine Studie 2010 knapp 2.000 Teilnehmern die Porträtfotos von 100 CEOs vor. Das Ergebnis: Die Wirtschaftsbosse wirkten auf die Befragten nicht nur kompetenter und attraktiver als normale Angestellte. Jene Bosse, die als besonders fähig und gut aussehend galten, verdienten in Wirklichkeit im Schnitt auch 7,5 Prozent mehr.
Die äußere Erscheinung kann Bonus oder Malus sein. Wir können gar nicht anders, als vom Äußeren eines Menschen auf dessen Persönlichkeit zu schließen. In den leistungsorientierten westlichen Gesellschaften gelten Übergewichtige oft als undiszipliniert und schwach - Eigenschaften, die Aktionäre oder Wähler ungern an der Spitze eines Unternehmens oder Staates sehen. Dort sind Wille und Härte gefragt. Anderen, aber auch sich selbst gegenüber.
Preis der Schönheit
Stirnfalten/Zornesfalten ab 350 €
Unterlider ab 2.200 €
Oberlider ab 1.500 €
Facelift ab 8.500 €
Hals ab 2.000 €
Brust ab 2.200 €
Bauch/Hüfte ab 3.500 €
Haartransplantation ab 6.000 €
Ohranlegeplastik ab 1.800 €
Wange, Lippe, Mittelgesicht ab 250 €
Botoxbehandlung: Schweißdrüsen ab 2.200 €
Bauchstraffung ab 5.500 €
Das wissen natürlich die deutschen Manager. Und so haben sich in den vergangenen Jahren die Vorstellungen darüber verändert, wie der Leiter eines Milliardenkonzerns auszusehen hat. Korpulente Leute wie Jürgen Großmann, Zweimetermann, Feinschmecker und Ex-Chef von RWE, oder Solarworld-Chef Frank Asbeck wirken wie von gestern.
Ein Blick auf die Riege führender Manager von deutschen Großunternehmen zeigt: Lauter ranke, schlanke, stromlinienförmige Leistungsathleten. Mercedes-Chef Dieter Zetsche ist mit seinem gutmütigen grauen Schnauzer eher eine Ausnahme. In der Regel werden derlei Eigenheiten mit der Zeit abgeschliffen.
So trug Herbert Hainer zu Beginn seiner Karriere bei Adidas noch einen Schnurrbart - er wich über die Jahre ebenso wie etliche Kilos, damit der CEO auch äußerlich das Ideal eines Sportartikelherstellers verkörperte. Und der neue Siemens-Chef Joe Kaeser, als Ur-Bayer bis vor Kurzem ebenfalls noch Schnauzbartträger, ist auf den jüngeren Bildern kaum wiederzuerkennen: Bart und überflüssige Pfunde sind weg, das Gesicht ist kantiger geworden.
Damit entspricht der Siemens-Chef ganz dem herrschenden Attraktivitätsstandard des dynamischen Machers, wie er etwa von Henkel-CEO Kasper Rorsted oder Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain verkörpert wird. Manager, die nicht nur einen Großkonzern mit Milliardenumsätzen im Griff haben, sondern auch ihren eigenen Körper. Natürlich wollen sie damit ihre Stress- und Krankheitsanfälligkeit verringern. Gleichzeitig geht vom durchtrainierten Körper immer auch eine Botschaft aus: Er signalisiert Selbstbewusstsein, Tatkraft und Durchsetzungsfähigkeit.