Kreislaufwirtschaft Ökologisch und edel? Das kann das geliehene Büro-Outfit

Quelle: imago images

Mode mieten statt kaufen? In der Theorie ist das durchaus sinnvoll, in der Praxis aber konnte sich das bislang nicht durchsetzen. Nun wollen Start-ups es erneut versuchen. Wie stehen ihre Erfolgschancen?

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Morgen in einer rosafarbenen Collegejacke aus Satin ins Büro? Das kostet knapp 200 Euro, so teuer ist das hippe Blouson eines Modelabels. Die Jacke lässt sich aber auch ausleihen, für zwei Wochen werden dafür im Webshop des Hamburger Start-ups Unown knapp 30 Euro fällig, für einen Monat sind es zehn Euro mehr.

Ende 2019 gründeten Linda Ahrens und Tina Spießmacher Unown. Seitdem bieten sie deutschlandweit Markenkleidung, Schmuck und Taschen in einem Leasing-Modell an, Kunden können einmalig oder, wenn sie sich registrieren, im monatlichen Abo etwas leihen. Dabei setzt Unown sowohl auf teurere Alltagskleidung wie schickere Outfits. 60 Prozent im Webshop sind schlicht, geradlinig geschnitten – eben bürotauglich. Die verbleibenden 40 Prozent sind ausgefallener. Sachen, die sich je nach Saison für festliche Anlässe eignen. Zwischen casual und chic, „das ist unser Zielkorridor“, sagt Gründerin Ahrens. Wer wolle, könne sich heutzutage problemlos ein Auto leihen und sich tageweise eine Privatunterkunft buchen, sagt Ahrens. „Aber in der Modeindustrie passiert noch sehr wenig, was neue Nutzungskonzepte angeht.“

Ein Kleid von Versace oder Moschino ab täglich sechs Euro, darauf setzt beispielsweise Jasmin Manai-Huber. 2020 gründete sie das österreichische Start-up WeDress Collective. Bei günstiger Kleidung rechneten die Kundinnen und Kunden schnell gegen, wie teuer es stattdessen sei die Klamotten zu kaufen. Bei WeDress bewerben sie ihre Produkte hingegen damit, welche Prominenten sie schon getragen haben. Etwa die Unternehmerin Paris Hilton oder die Schauspielerin Scarlett Johansson, wie sie aufzählt. Der Bestseller, ein Kleid mit Erdbeeren, ist bereits 50 Mal über die Plattform verliehen worden. Ihre Kunden können dort aber nicht nur etwas ausleihen, sondern eigene Kleidung auch verleihen. Die Nutzerin SamanthaCeline aus Frankfurt bietet gerade ein weißes Trägerkleid an, „für besondere Anlässe und warme Sommertage“. Auf einem ihrer Bilder posiert sie in dem knöchellangen Kleid vor einer Fototapete mit Störchen. Dafür will SamanthaCeline täglich 12 Euro. Zuzüglich der zehn Euro Reinigungs- und sechs Euro Versandkosten kommt man bei einer Leihdauer von zwei Tagen auf 40 Euro für das Maxikleid, das ursprünglich einmal 190 Euro gekostet haben soll.

Ganz neu ist die Idee nicht. Erst im Januar hatte Amazon bekanntgegeben, künftig mit dem bereits 2009 gegründeten Online-Modeverleih Rent the Runway zu kooperieren. Auch hierzulande gibt es bereits etablierte Anbieter. Das Unternehmen Mietwäsche kleidet deutschlandweit rund 250.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein, beispielsweise aus der Industrie. Hier muss die Kleidung etwa vor Hitze, Kälte, Chemikalien oder Dunkelheit schützen. Um all das kümmert sich Mietwäsche für seine Unternehmenskunden. Für Privatkunden sind solche Konzepte hingegen schon öfter gescheitert. Das schreckt Start-ups wie Unown oder WeDress aber nicht ab.

Viel Furore, wenig Kunden

Leihen passt schließlich in unsere Zeit, Nachhaltigkeit ist in der Modeindustrie gerade ein großes Thema. Erst kürzlich geriet der Online-Modehändler Zalando wegen seiner Retouren in die Kritik. 34 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten kaufen bereits regelmäßig „gebraucht“ ein, Secondhandkleidung boomt. Der jährliche Umsatz für getragene Textilien, Schuhe und Accessoires liege bei zu 120 Milliarden Dollar, schätzt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Binnen von zwei Jahren hat sich der Weltmarkt für gebrauchte Kleidung damit verdreifacht und könnte jährlich um bis zu 30 Prozent wachsen. Ausschlaggebend für das Secondhand-Interesse ist aber vor allem der geringere Preis, wie eine Befragung unter 2000 Verbrauchern und Verbraucherinnen ergab. 

Zwar erholt sich die Konsumlaune der deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher gerade wieder leicht. Trotzdem scheuen viele weiterhin größere Käufe.

Aber nur weil auf das eigene Budget geachtet wird, lässt man sich nicht automatisch auch auf ein Leihmodell ein. Wie schwer es ist, eine neue Kundschaft zu gewinnen, hat der Hamburger Einzelhändler Tchibo bereits selbst erfahren. 2018 startete Tchibo Share. Zunächst ließ sich über den Onlineservice Baby- und Kinderkleidung bestellen. Klamotten, die teuer sind, aber nur für einen begrenzten Zeitraum gebraucht werden. Statt lange auf einem Flohmarkt nach dem passenden Strampler suchen zu müssen, sollten Kundinnen und Kunden das Gewünschte einfach online bestellen können. „Unsere Idee war, Secondhand möglichst einfach zu machen“, sagt Sarah Herms, die Tchibo Share damals verantwortete und heute den Bereich Kreislaufwirtschaft bei Tchibo leitet. Das kam an. Vor allem die Outdoorkleidung für Kinder sei gut gelaufen. Irgendwann kam Alltagskleidung im Share-Sortiment dazu, es folgten Spielwaren und Kindermöbel. Die mediale Resonanz war groß, erzählt Herms. „Aber die tatsächliche Nutzung blieb gering.“ Tchibo Share gewann zu wenig Neukunden. Zu groß war die Unsicherheit, sich auf die neue Nutzungsform einzulassen. Nach knapp drei Jahren folgte 2020 das Aus, Tchibo Share wurde eingestellt.

Auch ein anderer Pionier in Deutschland gab auf, das Start-up Kleiderei musste nach fünf Jahren Insolvenz anmelden. Gescheitert seien sie damals aber nicht wegen der mangelnden Nachfrage, berichteten die Gründerinnen Pola Fendel und Thekla Wilkening. Im Gegenteil. Es gab so viele Interessierte, dass sie irgendwann Wartelisten einführen mussten. Aber es fehlte das nötige Geld, um mehr Personal einzustellen und das Lager zu erweitern.

Günstiger und grüner?

Wer viele Kunden locken will, braucht eine große Auswahl an Kleidung. Die erst einmal gekauft, gelagert, anschließend beworben und verschickt werden muss. „Dafür benötigt es sehr viel Kapital“, sagt die Ökonomin Vera Demary, die am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) das Cluster Digitalisierung und Klimawandel leitet. Das rechne sich nur, wenn der Preisunterschied wie bei den Luxusartikeln im Vergleich zum Neukauf groß genug sei. Die Zielgruppe dafür sei noch eher klein. „Deshalb ist die Möglichkeit, Kleidung zu leihen bei den meisten noch nicht angekommen“, sagt Demary.

Allerdings könne sich das mit einer jüngeren digital affinen Zielgruppe ändern. „Die ist offen für neue Nutzungsformen und legt viel Wert auf Nachhaltigkeit.“ Die angebotene Mode, die im Moment online verliehen werde, sei aber nicht immer auch fair und nachhaltig produziert worden. Gleiches gilt für das eigentliche Geschäftsmodell. Schließlich muss die Kleidung jedem Kunden zugestellt werden, danach wird sie gereinigt. Das ist nicht nur energieintensiv, es zehrt auch an der Langlebigkeit der Sachen. „Da geht es manchmal mehr um die wahrgenommene als um die tatsächliche Nachhaltigkeit“, kritisiert Demary. 

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Bei Unown wandert ein Kleidungsstück zehn bis 20 Mal hin und her, dann geht es zurück an die eigentlichen Hersteller. Selbst eingekauft hat Unown die Kleidung nämlich nicht. Sie sind von den jeweiligen Textilmarken auch nur geliehen, das senkt die Kosten. Werden die Textilien an die Kundinnen und Kunden von Unown weitergereicht, teilt sich das Start-up die Einnahmen mit den Markenherstellern. WeDress handhabt es ebenso. Zwischen 20 und 50 Prozent führt das Start-up an Privatkunden und Hersteller, die auf der Plattform ihre Kleidung verleihen, ab. Insgesamt seien dort monatlich inzwischen 10.000 Nutzer aktiv. Bis zum Jahresende sollen es 100.000 werden, dafür will das Start-up nicht nur europaweit expandieren, sondern auch eine erste Finanzierungsrunde abschließen. 1,5 Millionen Euro möchte es einsammeln, eine vergleichsweise geringe Summe. Aber selbst das ist momentan schwer. Investoren zögern, sagt Manai-Huber.

Software verkaufen statt Mode vermieten

Ob verleihen oder verkaufen, der Aufwand dafür sei am Ende gleich. „Mit dem Unterschied, dass beim Verleihen die Marge geringer ausfällt“, sagt Jochen Strähle, Professor für International Fashion Management am Texoversum der Hochschule Reutlingen. Im mittleren oder niedrigen Preissegment würden Verleihplattformen es schwer haben, profitabel zu werden. „Es sei denn die Verleihplattformen dienen nur als Marketinginstrument, um Kunden zu binden“, sagt Strähle. Ansonsten könnte das System nur in Kombination mit Neuwaren funktionieren.

In diese Richtung gehen Unown und WeDress bereits. Die eigentliche Zukunft sehen beide nicht mehr im direkten Privatkundengeschäft. Stattdessen positionieren sie sich als Softwareunternehmen. WeDress will eine White-Label-Softwarelösung für Unternehmen entwickeln, die das ergänzende Mietmodell damit in ihren eigenen Onlineshop einbinden können, Unown bietet so ein Modell zum Verkaufen und Leasen bereits an. „Das könnte dann so aussehen, dass Kunden neben dem Kaufpreis auch direkt den fürs Leasing sehen“, sagt Ahrens. Eine erste Kooperation hat Unown mit dem Modehändler Marc O‘Polo abgeschlossen. Sogar Großhändler H&M bietet Mitgliedern inzwischen nach einer Beratung an, die eigene Mode auch zu leihen. H&M Rental heißt der Versuch. In Deutschland ist H&M Rental in Berlin gestartet, je nach Kleidungsstück liegt der Preis für fünf Tage Leihzeit zwischen zehn und 45 Euro.

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Das Konzept spricht nicht nur das Umweltbewusstsein der Kunden an. „Es vermittelt vielen das Gefühl, sie hätten etwas gefunden, was sonst keiner besitzt“, sagt Strähle. Gleichzeitig wird durch das Leihen und Verleihen die eigene Kleidung schneller ausgetauscht. Schließlich sind die Kleiderschränke voll. Deshalb versuchen Unternehmen, ihre Kunden zum Ausmisten zu bewegen. Gelingt das, bieten sie schnell Ersatz an. Bei Unown beispielsweise können Kunden das geliehene Stück statt es zurückzugeben am Ende auch einfach kaufen.

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