Kunst Wie Museen gegen das Spardiktat kämpfen

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Gründe für die Malaise sind zahlreich und widersprüchlich

Was aber bedeutet es, in Zahlen ausgedrückt, wenn eine arme Mittelstadt sich den letzten Rest ihrer (Bildungs-)Bürgerlichkeit zu erhalten versucht? Mönchengladbach hat eine Milliarde Euro Schulden. Der Haushalt umfasst 900 Millionen. Fast die Hälfte davon verschlingt der Sozialetat: Arbeitslosengeld, Grundsicherung, Asylbewerber ... – jeder sechste Mönchengladbacher ist Leistungsempfänger.

Für die Kultur hingegen, für das Surplus, das eine Stadt als Stadt erst lebenswert macht, erübrigt Mönchengladbach gerade mal 22 Millionen Euro – knapp 15 Millionen für das Orchester und den mit Krefeld geteilten Theaterbetrieb, rund 2,3 Millionen für das Museum. „Wir schämen uns für unseren Kulturetat“, sagen Reiners-Fischer-Titz. Die jährlichen Zuschüsse für Ausstellungen liegen seit drei Jahrzehnten bei immer gleichen 53.900 Euro (100.000 Mark). Und mit dem immer gleichen Ankaufsetat (25.000 Euro) kann Susanne Titz heute kaum mehr als fünf Quadratzentimeter einer frisch bemalten Richter-Leinwand erwerben.

Längst ist der Abteiberg, vor zehn Jahren für fünf Millionen Euro saniert, das Musterbeispiel eines Kunstmuseums, das teuer gebaut und billig betrieben wird. Künstlerisch über dem Schnitt kann Titz ihr Institut allein mit Co-Finanzierungen, Zuschüssen, Schenkungen halten.

Die Gründe für die Malaise der regionalen Kunstmuseen sind so zahlreich wie widersprüchlich. Da ist zum einen die übermächtige Konkurrenz der Metropolen, die ihre Museen in Erlebnisparcours für Stadttouristen umgewidmet haben und mit aufgeplusterten Blockbuster-Ausstellungen den schnellen Kulturkonsumhunger der Massen stillen: In die Londoner Tate Modern pilgern in zweieinhalb Tagen so viele Besucher (50.000) wie jährlich nach Mönchengladbach und Leverkusen zusammen.

Da sind zum anderen die Künstler, für die das Museum keine Letztinstanz mehr ist, keine Institution, die die Qualität der ausgestellten Kunst beglaubigt: Für die meisten Maler und Bildhauer ist der Erfolg in Topgalerien, auf Messen und Auktionen längst wichtiger als ein Ehrenplatz im Museum: Ihr Ruhm bemisst sich an steigenden Faktorpreisen und medialer Aufmerksamkeit, nicht an der Präsenz in einer öffentlichen Sammlung.

Und da sind schließlich drittens die Kunstmuseen selbst, die paradoxerweise unter zu viel Homogenität und Beliebigkeit zugleich leiden: Sie stellen einerseits das Leichtgängig-Stiltypische aus, um überhaupt Besucher anzuziehen – und ächzen andererseits unter der schieren Masse einer richtungslos gewordenen Kunstproduktion. In den Depots stapeln sich 95 bis 99 Prozent der Bestände, schätzt der Kunsthistoriker Walter Grasskamp – so manches Meisterwerk und auch so manches, was zu Recht vergessen ist.

Morsbroicher Ausstellung

Die Frage, ob auch Leverkusen – neben Köln, Düsseldorf, Duisburg, Mönchengladbach – ein paar Leinwände von Gerhard Richter sein Eigen nennen muss, liegt daher nahe. Zuletzt warnte Christiane Lange die Museen vor „ständigem Wachstum“. Die Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart schlug vor, kleinere Sammlungen zusammenzulegen, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu bündeln.

Ihr Argument: Parallel zur Inflation der Museen – seit 1990 sind mehr als 700 neu gegründet worden – stünden viele von ihnen heute zur Disposition. Überraschend ist daher vor allem, dass es bisher noch nicht zu spektakulären Schließungen gekommen ist. Vielleicht, weil die Respektreste vor den klassischen Aufgaben des Museums zu groß sind?

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