Hinter den Bismarckbergen liegt am Südwestzipfel Afrikas für manche deutsche Rentner das Paradies. Die frühere Rinderfarm Sonnleiten in Namibia ist eine kleine deutsche Oase. Hier gibt es reichlich Sonne und Safari-Gefühl, aber sonst ist Afrika weit weg. Die Nachbarn sprechen Deutsch, die Vorgärten sind penibel gepflegt. Für den Alltag können sich die Senioren Schwarzwälder Schinken und Curry-Wurst besorgen, und für den Notfall gibt es in der nahen Hauptstadt Windhuk auch deutschsprachige Ärzte.
„Ich habe für mich beschlossen, dass ich keinen Winter mehr möchte“, sagt Rainer Schwertfeger. Der 60-jährige Baden-Württemberger war früher Projektleiter bei Siemens, seit vier Jahren hat er seinen Alterssitz in der früheren deutschen Kolonie Namibia. „Hier kann ich auf meiner Terrasse sitzen und zuschauen, welche Tiere gerade vorbeikommen. Hier gibt es zum Beispiel Erdmännchen, Warzenschweine, Springböcke, Kudu-Antilopen und natürlich Paviane. Die gibt's hier überall.“ Wenn es von Mai bis September dann in der südlichen Hemisphäre kälter wird, macht Schwertfeger Urlaub in Deutschland.
ABC der Rentenansprüche
Alle, die bis 1946 geboren sind und das 65. Lebensjahr vollendet haben, können Rente bekommen, wenn sie mindestens fünf Jahre eingezahlt haben. Bei ab 1947 Geborenen wird die Altersgrenze mit jedem Jahrgang stufenweise weiter angehoben. Wer ab 1964 geboren ist, kann erst mit 67 Jahren in Rente gehen.
Langjährig Versicherte haben ab dem 65. Lebensjahr Rentenanspruch, wenn sie mindestens 45 Jahre eingezahlt haben.
Langjährig Versicherte können schon mit 63 Jahren in Rente gehen, wenn sie mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Jedoch müssen bis 1948 Geborene einen Abschlag von 7,2 Prozent in Kauf nehmen, danach steigen die Abschläge stufenweise an. Wer ab 1964 geboren ist, muss sich mit 14,4 Prozent weniger Rente zufrieden geben, wenn er früher in Rente will.
Wenn der Arzt einen Behinderungsgrad von 50 und mehr bescheinigt, kann man Altersrente schon mit 63 bekommen. Voraussetzung sind 35 Jahre Anwartschaftszeiten und Geburt vor dem 1. Januar 1952. Ab 1964 Geborene können erst mit 65 Jahren eine abschlagsfreie Rente für Schwerbehinderte bekommen.
Frauen können Altersrente mit 60 beanspruchen, wenn sie vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Gehen sie mit 60 in Rente, müssen sie 18 Prozent Abschlag zahlen, ab dem 65. Lebensjahr werden 7,2 Prozent abgezogen.
Hier gelten die gleichen Regeln wie bei der Frauen-Rente.
Kann jemand am Tag wegen seiner Krankheit weniger als sechs Stunden arbeiten, hat er Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Voraussetzung: Mindestens fünf Jahre Beiträge und während der letzten fünf Jahre vor Beginn der Rente sind drei Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden.
Wer am Tag zwischen nur noch zwischen drei und sechs Stunden arbeiten kann, hat Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Nach dem Tod des Versicherten können Witwe oder Witwer und die Waisen als Hinterbliebene Rente beziehen. Der Rentenanspruch endet, wenn ein Waise das 18. Lebensjahr erreicht oder danach eine Ausbildung abgeschlossen hat. Die Witwen-Rente endet beispielsweise, wenn neu geheiratet wird.
Rund 70 Senioren verbringen in den etwa 50 Häusern der Senioren-Siedlung Sonnleiten ihren Lebensabend. Sie sind weiß und sprechen Deutsch, die 22 Angestellten sind schwarz.
Man könnte manchmal schnell vergessen, dass man in Afrika ist: In der Cafeteria im Gemeinschaftshaus gibt es Mittags als Beilage gerne Spätzle oder Salzkartoffeln. Nachrichten und Musik auf Deutsch liefert in Namibia der private Sender „Hitradio“, und zum Lesen gibt es die deutschsprachige „Allgemeine Zeitung“.
„Meine „AZ“ hole ich mir jeden Morgen“, sagt die 64-jährige Ilka Heiling. Ihr 183 Quadratmeter-Haus kaufte die vor langem nach Namibia ausgewanderte Österreicherin bereits 2008. Damals hieß Sonnleiten gerade die ersten Bewohner willkommen. Das Wohnrecht auf Lebenszeit kostete nur eine Million namibische Dollar (74.000 Euro nach heutigem Kurs). Ihr Mann ist verstorben, nun will sie verkaufen und etwas kleineres finden. „Das Beste hier ist die Ruhe, die Natur. Aber ich werde auch die Freunde vermissen, die ich hier gemacht habe.“
Insgesamt haben wohl mehrere Hundert Deutsche ihren Alterssitz an den Südwestzipfel Afrikas verlegt. Zahlen der deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es bislang knapp 400 Senioren, deren Zahlungen nach Namibia gehen. Wahrscheinlich sind es jedoch noch mehr, da viele Rentner ihr Geld weiter auf ihr deutsches Konto bekommen.
Die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia ging vor 100 Jahren zu Ende. Inzwischen gibt es schätzungsweise nur noch 14.000 deutschsprachige Menschen im Land, doch ein starker kultureller Einfluss des Deutschen hat sich über die Jahrzehnte gehalten. Auch deswegen ist das frühere „Deutsch-Südwestafrika“ für Deutsche immer noch ein beliebtes Urlaubs- und Auswanderungsziel.
„In Namibia kann ich in den Supermarkt gehen und die deutschen Lebensmittel kaufen, auf die ich gerade Appetit habe“, sagt Schwertfeger. Seine Landjäger könne er sogar auf Deutsch bestellen. Auch an der Brottheke wüssten die Verkäuferinnen was „Laugenbrötchen“ sind. In Windhuk gebe es auch sehr gute Curry-Wurst.
Keine Idylle ist perfekt
Doch keine Idylle ist perfekt. In Sonnleiten knirscht es bisweilen zwischen den zwei großen Bewohnergruppen, den „Deutschländern“ und den Deutschen. „Deutschländer“ heißen in Namibia die, die aus der Bundesrepublik eingewandert sind. Deutsche oder „Südwester“ hingegen sind deutschsprachige Namibier, deren Wurzeln zumeist auf Einwanderer aus der Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgehen.
„Wir Südwester sehen uns als Afrikaner“, sagt Heidemarie Rapmund. Ihr Großvater kam 1909 nach Namibia. „Wir haben die deutsche Kultur, aber auch die afrikanische.“ Die eingewanderten Senioren seien manchmal zu deutsch in ihrer Anspruchshaltung und Argumentation. „Wir sind hier aber in Afrika. Da gibt es manchmal Reibungspunkte“, sagt die 65-jährige pensionierte Journalistin. Schwertfeger drückt es weniger diplomatisch aus. „Als anständiger Deutscher muss man immer Rummaulen.“
Manche sagen auch, dass es den Euro-Rentnern oft allzuleicht falle, Preissteigerungen etwa bei den Nebenkosten zu akzeptieren. Für die Namibier sei das bisweilen schwierig. Etwa 20 der 70 Rentner sind aus Europa eingewandert. Der Manager von Sonnleiten, Fanie Hawanga, sieht jedoch keinen Konflikt. „Wenn es Kaffee und Kuchen gibt, dann sitzen die Deutschen und die Namibier alle zusammen.“ Auch abends zum „Sundowner“-Drink mischten sich die Gruppen auf den Terrassen.
Namibia lockt nicht nur mit trockenem Klima, schönen Landschaften und Safari-Parks, sondern auch weil es ein friedliches Land ist, in dem die meisten Dinge für afrikanische Verhältnisse sehr gut funktionieren. Die aus Europa eingewanderten Sonnleiten-Bewohner seien vorher schon mal im Urlaub in Namibia gewesen. „Die wussten, worauf sie sich einlassen“, erklärt Caroline Rust. Ihrem Mann Joachim gehört das 270-Hektar-Anwesen in der Steppenlandschaft rund 40 Kilometer außerhalb von Windhuk. Für Notfälle ist rund um die Uhr eine Krankenschwester im Dienst, auch Pflegedienste werden angeboten. „Aber die Leute sind rüstig. Die meisten versorgen sich selbst.“
Die stärker nachgefragten Dienstleistungen sind der Garten- und der Reinigungsdienst, die jeweils umgerechnet nur 1,60 Euro pro Stunde kosten. Auch der Tarif fürs Bügeln oder kleinere Reparaturen am Haus schlägt mit 2,50 Euro sicher keine zu tiefen Löcher in die Budgets jener, deren Renten in Euro ausbezahlt werden.
Die Preise für den Kauf des lebenslangen Wohnrechts haben über die Jahre wegen hoher Nachfrage angezogen, sie sind im Vergleich zum europäischen Preisniveau aber weiter sehr attraktiv. Schwertfeger etwa wohnt in einem Haus mit 130 Quadratmeter. „In einer vergleichbaren Anlage auf Fuerteventura bekäme ich für den Preis nur eine Einzimmerwohnung mit 40 Quadratmetern“, sagt er.
Schwertfeger hatte auch Australien als Alterssitz in Erwägung gezogen. Für Namibia sprach für ihn neben dem deutschen Essen jedoch auch, dass es gute deutschsprachige Ärzte gibt. „Noch bin gesundheitlich gut drauf, aber das kann sich ändern. In einer Stresssituation wäre es dann blöd, mit einem Arzt Englisch reden zu müssen“, sagt er. Zudem hätten sich in Namibia die deutschen Werte seit der Kolonialzeit eingeprägt. „In Namibia ist es für afrikanische Verhältnisse top sauber und ordentlich.“ Das zeige sich auch in den Armenvierteln. „Sogar in den Slums sind die Straßen rechtwinklig, und der Müll wird nicht einfach auf die Straße geworfen.“