Der Vorwurf der Eindimensionalität der bisherigen Debatte richtet sich letztlich auch gegen die Aktivisten, die in den vergangenen Jahren diese Debatte überhaupt erst angestoßen haben. Gegen Leute also wie Stefan Schridde und seinen Verein „Murks? Nein Danke!“. Schridde ist dementsprechend mit der Studie ganz und gar nicht einverstanden. Denn: „Das Papier liest sich insgesamt eher wie eine Verteidigung für die Position der Hersteller in Reaktion auf die seitens der Studie kritisierte öffentliche und mediale Debatte“. Er macht den Autoren in einer Pressemitteilung den schwersten denkbaren Vorwurf: „Zweifel an der gebotenen Neutralität“, und listet zahlreiche Mängel auf.
Schriddes Argument ist die Erfahrung zahlreicher Konsumenten, die auf seiner Website über Geräte klagen, die verdächtigerweise kurz nach Ablauf der Garantie nicht mehr funktionieren. Es geht zum Beispiel um Drucker, die von einem Tag auf den anderen den Geist aufgeben. So schreibt jemand auf der Website des Vereins über seinen Canon-Drucker: „Fehler trat während des laufenden Druckvorgangs auf, einige Seiten waren grade frisch gedruckt. Zudem ist rein zufällig die Garantie seit drei Wochen abgelaufen (der Drucker war ein Sonderposten bei Media Markt mit zwei Wochen Angebotsdauer…). Ich habe daher nicht nur das Gefühl der generellen geplanten Obsoleszenz dieses Produktes, sondern sogar der an das Angebot von Media Markt angepassten geplanten Obsoleszenz dieses Druckers.“
In manchen Fällen, können Schridde und seine Mitstreiter den Murks konkret benennen: einen Computerbildschirm, in dem hitzeempfindliche Bauteile unnötigerweise direkt neben Hitzequellen eingebaut sind; einen Staubsauger, dessen Filterhalterung leicht bricht; einen Drehstuhl, dessen Scharniere aus weichem Plastik statt Eisen bestehen.
Auch wenn diese Vorwürfe nur schwerlich juristisch angreifbar sind, solange es in Deutschland - anders als etwa in Frankreich - keine Gesetze gegen geplante Obsoleszenz gibt: Die im Verdacht stehenden Hersteller sind mittlerweile höchst sensibilisiert für das Thema. Andreas Beck, Director Service bei Samsung Deutschland bekundet: „Wir haben keine Geräte, die darauf ausgelegt sind, kurz nach Ablauf der Garantie kaputt zu gehen, wie das manchmal unterstellt wird. Wir werten die Zahlen über Materialverbrauch und Reparaturen sehr genau aus und die deuten nicht darauf hin, dass wir ein solches Problem haben.“ Auch Samsung-Geräte kommen in Schriddes „Murksbarometer“ vor – neben vielen anderen großen Marken-Namen wie Philips, Apple, Panasonic, Bosch und Bauknecht.
Die Debatte um die Obsoleszenz erinnert an den uralten Glaubenskampf der Ökonomie: Kommt die verändernde Dynamik in einer Marktwirtschaft eher von den Anbietern oder von den Nachfragern? Konkret: Produzieren die Hersteller Murks, weil die Konsumenten es nicht anders wollen, oder müssen die Konsumenten ihn kaufen, weil die Hersteller es so wollen?
Für Schridde ist klar, dass die Hauptverantwortung für Murks und dadurch bedingte Ressourcenverschwendung vor allem bei den Herstellern liegt. Diese wiederum argumentieren mit Marktbedingungen.
„Die Lebensdauer eines Samsung Geräts ist in Verkaufsgesprächen nie ein Thema“, sagt Andreas Beck. „Irgendwann reicht den Kunden die Leistung des Handys für eine neue App nicht mehr aus. Sie kaufen dann ein neues, leistungsfähigeres, obwohl das alte Gerät noch läuft.“ Bei stark technologiegetriebenen Produkten, wie Smartphones, deren Verkaufserfolg außerdem noch von Modetrends bei jungen Zielgruppen geprägt ist, ist die absichtliche Verkürzung der Lebensdauer also aus Sicht der Hersteller gar nicht notwendig, um den Konsum anzukurbeln.