
"Wenn sie nach dem Preis fragen müssen, können sie es sich nicht leisten." Mit wohl kaum einer Aussage, kommt man der Beschreibung von Reichtum näher als dieser. Ein Lottogewinn, so der wöchentlich gelebte Glaube, bedeutet den erhofften Geldsegen, der alle Probleme löst. Wer hat sich noch nie gefragt, was er mit einem Lottogewinn machen würde? Neues Haus? Lange Fernreisen? Traumauto? Die Liste wird länger und länger und je höher der Jackpot, desto exklusiver die Wünsche.
Mit 76.766.891 Euro besitzt man viel Geld. Sehr viel Geld. Diese Summe hatte Ostern ein Spieler beim Eurojackpot gewonnen. Das Bundessozialministerium ermittelte in seinem jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht, dass 2013 zehn Prozent der Haushalte 51,9 Prozent des Nettovermögens besitzen. 1998 waren es noch 45,1 Prozent.
So schnell sind 78 Millionen Euro weg
Hamburg ist die schönste Stadt der Welt - in München aber das Wetter besser. Und für die nordischen Momente im Leben gibt es noch das Ferienhaus auf Sylt - Kampen, natürlich. Die 8,1 Millionen für eine leer- und freistehende Villa mit 548 Quadratmetern Wohnfläche erzeugen allein eine Courtage von 289.170 Euro. Da in Kampen derzeit die Angebote dürftig sind, muss es Morsum tun - schön ist es dort auch. Für fast 4 Millionen. Plus Courtage - selbstredend, hier gar 5,95 Prozent des Kaufpreises.
- 8.389.170 München
- 3.973.125 Sylt
Dazu gesellen sich Grunderwerbssteuer und Notarkosten, gut zwei Prozent des Kaufpreises = 247.245 Euro.
Dazu kommt die Einrichtung. Da mit dem Gewinn nicht auch gleichzeitig guter Geschmack kommt, überlässt man die Einrichtung besser einem Innenarchitekten. 10 bis 15 Prozent des Kaufpreises für einen renommierten Anbieter sind eine grobe Annäherung - immerhin inklusive Möbel. Bei den oben genannten Immobilien wären das zwischen 1.236.229 und 1.854.344 Euro. Dafür sieht es dann auch gut aus.
In der Garage der Villa ist Platz, in der der Ferienwohnung auch. Da München und Sylt weit voneinander entfernt sind, braucht es natürlich mehr Autos. Ein standesgemäßer Porsche liegt bei etwa 250.000 Euro. Einen für daheim, einen für die Insel und noch ein Vernunftmobil der schönen Art. Mit einem Bugatti sprengt der Autofan locker die Millionengrenze. Abschied muss selbst der Jackpotgewinner nehmen vom Traum der Sammlung historischer Fahrzeuge. Bei den Auktionen von Pebble Beach liegen die Preziosen bei bis zu 16 Millionen Euro. Die Kosten für die Instandhaltung kämen eh noch oben drauf.
Der Traum vom eigenen Boot. Mit nichts lässt sich auch in der Welt der Megareichen schneller Geld versenken. In die Welt der Superyachten der Liga Larry Ellison oder russischen Oligarchen lässt sich mit 76 Millionen Euro nicht vordringen. Die Azzam von der deutschen Yachtbaufirma Lürssen soll 490.000.000 Euro gekostet haben. Aus dem gleichen Schiffsbauunternehmen stammt die Kismet mit 94 Metern Länge - sie bietet Platz für 12 Personen, die sich darauf locker verteilen. Die Miete für eine Woche auf dem Schiff liegt bei 1,3 Millionen US-Dollar. Wer als stolzer Eigner niemanden Fremdes in seinem Masterbed liegen haben möchte, sollte die Folgekosten nicht aus den Augen verlieren.
Für eine Superyacht mit 55 Meter gelten derzeit folgende Preise. Maltas Yachthäfen verlangen in der Nebensaison 305 Euro, in der Hauptsaison 405 Euro. Pro Tag und zuzüglich Mehrwertsteuer. Im türkischen Bodrum liegen die Preise laut Engel & Völkers zwischen 880 und 1463 Euro, ebenfalls pro Tag. In Monacos Port Hercules sind 1053 Euro am Tag fällig.
Versicherungen für eine Yacht liegen bei etwa 0,4 Prozent des Bootswertes, so Volker Reichelt von der Hamburger Yacht Versicherung. Bei einer Yacht für 10 Millionen sind auch das: 40.000 Euro p.a. plus Versicherungssteuer.
Anders als ein Schmuckstück, das in der Vitrine nicht schlecht wird, geht das Dümpeln im Meerwasser an die Substanz des Bootes. Pflege des Rumpfs, Besatzung und und und. Das Portal Yacht 360 veranschlagt als Größenordnung rund 20 Prozent des Kaufpreises als jährliche versteckte Kosten einer Yacht von etwa 60 Metern Länge. Yacht 20 Mio=400.000 p.a.. Es läppert sich.
Im Schnitt haben Kunden im Jahr 2012 für Uhren aus der Schweiz 737 US-Dollar ausgegeben. Seitdem hat die Branche einige Preiserhöhungen gesehen. In der Haute Horlogerie, wie die feine mechanische Uhrmacherei auch heißt, bekommt man für 737 Dollar natürlich nichts. Und wenn die Armbanduhr als Schmuck des Mannes auch als Statussymbol gelten soll, dann ist die dezente Untergrenze wohl eher 10.000 Euro. Sobald die Sammellaune jedoch geweckt ist, reicht das nicht lange hin. Uhren mit Komplikationen wie Stoppuhr, ewigem Kalender oder gar der Minutenrepetition, die mit Klangfedern die Uhrzeit mitteilt, können schnell sechsstellige Summen kosten. Ist dann das Gehäuse noch aus Platin und bei den Damenmodellen reichlich Besatz mit Diamanten dabei - dann landet ein Haushalt schnell im oberen sechsstelligen Bereich. Drei verschiedene Uhren sind angemessen, für den Alltag, für den Tauchsport und für die Abendgarderobe. 200.000 sind da rasch fort, 2.000.000 wären kein Problem. Ähnliches gilt für Schmuck. Ein 3-Karäter in bester Farbe und mit wenigen Einschlüssen kostet um die 230.000 Euro - ohne Fassung, ohne alles. Cartier fertigt Ringe mit bis zu 4,99 Karat. Preis auf Anfrage. Und wer fragt, kann es sich nicht leisten.
Francis Ford Coppola hat einen. Gerard Depardieu hat einen. Brad Pitt hat einen! In Deutschland ist es Günter Jauch, der zu den prominentesten Winzern gehört, aber auch die Familie Scheufele von Chopard oder Wolfgang Reitzle haben Freude am eigenen Wein. Der eigene Weinberg ist etwas, das wohlhabende bis reiche Menschen neben dem eigenen Hotel (Dietmar Hopp) und Restaurants (Jürgen Großmann) lockt. Der Winzer und Blogger Dirk Würtz erinnert an folgenden Witz: "Wie macht man aus einem großen Vermögen ein kleines? Man kauft sich ein Weingut." Eine gute Lage im Rheingau läge bei 25 Euro der Quadratmeter - "so man überhaupt was bekommt" - 5000 Quadratmeter sollten es schon sein. Dazu kämen die Produktionskosten von 3,50 Liter im Fass für einen Top-Riesling. 2500 Liter (3333 Flaschen) kämen aus den 5000 Quadratmeter in etwa raus.
-125.000 Weinberg
-17.500 Produktionskosten
-1 Euro Korken pro Stück 3333 Euro
-700 Etikett, Karton, Schraubverschluss
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-146.533 Euro
Wer viel hat, kann viel geben. Reiche Menschen spenden in den vergangenen Jahren öfter publikumswirksam. Meist Summen, die weit über dem Jackpot der Eurolotterie liegen. Die moralische Bewertung einer Großspende ist schwierig. Und der Lottomillionär sicher in einer anderen Position als Unternehmer, die schließlich Geld verdienen. Die Durchschnittspende in Deutschland betrug 2015 laut einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung 35 Euro. Gleichwohl spenden die reichsten Menschen der Welt gerne, das Projekt Giving Pledge versammelt einige der reichsten Menschen der Welt, darunter Elon Musk und Mark Zuckerberg. Mit 76 Millionen Euro im Rücken ist der Gewinner zwar weit von dieser Liga entfernt - aber wer will schon lumpig dastehen: 3 Prozent des Gewinns gehen an wohltätige Zwecke. Das wären 2.340.000 Euro. Auf dem Spendometer landet man dann ganz oben. Auch ein gutes Gefühl.
Für einen Renoir, einen Picasso oder Richter von Weltrang reicht ein normaler Eurojackpotgewinn schon lange nicht mehr aus. 179 Millionen US-Dollar brachte Les femmes d’Alger (Version "O") von Pablo Picasso am 11. Mai bei einer Versteigerung von Christie's ein. Egal, was man für 76 Millionen an Kunstwerk ersteigern würde - es wäre damit nicht unter den 20 teuersten Gemälden, die je verkauft wurden. Also eher ein Streifzug über die Art Cologne, der dann dennoch ein großes Loch ins Portemonnaie gerissen hätte. Marc Chagalls „Soleil au cheval rouge“ kostete dort bereits 5,5 Millionen Euro.
Zuhause ist es am schönsten - aber die Welt will entdeckt werden. Und im Gegensatz zu Yacht, Ferienhaus auf Sylt oder einer großen Beschallung des Hauses, ist Luxus unterwegs noch ein überschaubarer Posten. 25.000 Euro sichern einem eine wunderbare Woche auf den Malediven, drei Wochen Australien für 38.000 Euro und eine Woche New York in schönen Hotels: 15.000 Euro. Das bedeutet: Wer ansonsten genügsam lebt, kann für 2,8 Millionen Euro im Jahr mit zwei Personen in Luxus reisen. Das reicht für 27 Jahre, so die Preise für Traumreisen nicht eklatant ansteigen. Eine lange Zeit und irgendwann hat man ja auch alles gesehen. Und will einfach nur nach Hause.
Beim Lottogewinn träumen viele Menschen davon, nicht mehr arbeiten zu müssen. Und mit Sicherheit nicht mehr bügeln zu müssen. Der ehemalige Concierge des Hotel Adlon, Raffaele Sorrentino, betreibt heute einen Concierge-Service in Berlin und vermittelt auch Personal für Privathaushalte. Gut 70.000 Euro aufwärts kostet ein Butler Jahresgehalt laut Sorrentino. Die International Butler School in den Niederlanden nennt gar 200.000 Euro Jahresgehalt. Dazu kommen die Kosten für dessen Reisen an die Orte, die der Lottomillionär besucht. Weiteres Personal für den Haushalt ist einzuplanen, zumindest Teilzeit. 100.000 Euro pro Jahr sind dann rasch weg. Und es sind laufende Kosten.
Auch wenn die Wohlhabenden bis Reichen immer reicher werden, ist ein Lottogewinner mit 78 Millionen Euro auch in dieser Gruppe weit vorn. Selbst unter den Immobilienbesitzern liegt das durchschnittliche Vermögen bei unter 400.000 Euro, bei Mietern ist es deutlich geringer.
Der Autor und Finanzberater Thomas Corley definierte für sein Buch „Rich Habits“ über die Lebensgewohnheiten reicher Menschen, dass Menschen mit einem Vermögen von mehr als drei Millionen Dollar und jährlichem Einkommen von 160.000 Dollar reich sind. Sicher ist: Auch im reichen Deutschland ist der Lotto-Gewinner mit 76 Millionen locker in den oberen fünf Prozent der Bürger gelandet.
Und da beginnt das Problem. Eine Fernsehwerbung der Sparkassen war mit dem Spruch „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ (https://www.youtube.com/watch?v=U0MU-2_MuUE) erfolgreich. Der Wettbewerb zweier alter Freunde, die mit ihren Errungenschaften prahlen, brachte humorvoll die entscheidende Bewertung für Reichtum auf den Punkt: Der Vergleich.
Wichtig ist nicht, was ich habe. Wichtig ist, ob es mehr oder weniger als mein Umfeld ist. „Es stimmt, dass Geld nicht glücklich macht. Allerdings meint man damit das Geld der anderen.“, sagte George Bernhard Shaw.
Jeder sozialversicherungspflichtige Angestellte dürfte sich mit 76 Millionen Euro sofort aus seinem Umfeld absetzen. Auch wenn die eine Freundin den örtlichen Möbelhandel geerbt oder der Fußballfreund gut dotierter Berater ist – mit 78 Millionen Euro netto zur freien Verfügung verändern sich die Verhältnisse.
Der Schweizer Theologe Hans Küng mag gemahnt haben: „Lebensstandard ist kein Ersatz für Lebenssinn.“ Doch bei der Neurorientierung hat der vom Füllhorn überschüttete Lottogewinner dennoch genug damit zu tun, sein nun mögliches neues Leben auf ein angemessenes Niveau zu heben und unter den neuen Seinesgleichen entsprechend akzeptiert zu werden.
Der Mensch ist ein soziales Tier. Und die rümpfende Nase des Nachbarn, wenn der Neu-Millionär in Schwabing aus der Villa heraustritt, um seinen alten Golf zu besteigen, möchte vermutlich jeder vermeiden.