Mehr Erfolg mit Englisch
ARCHIV - 01.06.2021, Bayern, Augsburg: Ein Eurozeichen (M) ist auf der Tastatur eines Laptops zu sehen. Verbraucher sollen künftig besser geschützt werden, wenn sie online Geld leihen oder auf Kredit im Netz einkaufen. (zu dpa «EU-Länder für stärkeren Verbraucherschutz bei Online-Krediten») Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa

DeepL oder DeepFAIL? Höhen und Tiefen maschineller Übersetzungen

Um das weltberühmte deutsche Übersetzungsprogramm DeepL zu nutzen, sollte man wissen, wann es zuverlässig funktioniert – und wann (noch) nicht. Ein Praxistest unseres Kolumnisten.

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Automaten, die reibungslos funktionieren, sind langweilig. Überraschungen kommen zum Beispiel mit dem Faktor Mensch ins Spiel – wie man auch am „Scholzomat“ erkennt, der dröge Sprechapparat des deutschen Bundeskanzlers. Für mich ist er meistens erst interessant, wenn er in den Englischbetrieb schaltet und wirkt wie aus dem Stegreif – off-script, offhand, off-the-cuff oder impromptu –, als wolle er einen auf Freestyle machen.

So wie neulich, als sich Olaf Scholz im Bundestag an Friedrich Merz von der Opposition richtete und „More beef!“ verlangte, statt vielleicht „mehr Substanz!“ – more substance! – „bessere Argumente“ – more convincing arguments – oder einfach „weniger heiße Luft“ – less hot air!

To beef or not to beef? – lag mir auf der Zunge, und ich musste über die alte Frage nachdenken: Ist das überhaupt Englisch?

Nun kommt es vor, dass ich ein Wort oder eine Wendung nicht kenne. Der versammelte Bundestag schien „More Beef!“ jedenfalls zu verstehen: Statt auf allgemeine Verwunderung zu stoßen, löste der Ausspruch kräftigen Applaus und laute Buhrufe aus.

Ich kenne den Ausdruck to beef up …: Peter, beef up your story about the Scholzomat! Oder to put flesh to the bone, um den Detailgrad einer Angelegenheit zu steigern. Aber „more beef“?

Das war der Moment andere Automaten einzuschalten. Zuerst „Google Translate“, jene Übersetzungsmaschine, die früher „Kernseife“ zu „nuclear soap“ machte und die weiterhin poor performt, wenn man to pour eingibt. Versuchen Sie es mal!

Als ich Googles Übersetzer mit „More beef!“ füttere, kommt hinten „Mehr Rindfleisch!“ raus. Dann versuche ich es – umgekehrt – mit „Butter bei die Fische!“, und es erscheint bloß „butter by the fish!“. Die beiden letzten Chancen, die ich Google gebe, sind die Fragen:
What‘s the beef? und
Are you having a beef?
Die Antworten sind vollends unbrauchbar:
– „Was ist das Rindfleisch?“ und
– „Isst Du ein Rindfleisch?“.

Anders „DeepL“, das längst weltberühmte Übersetzungsprogramm aus meiner Heimatstadt Köln. Seine Gründer behaupten, „mit Hilfe von neuronalen Netzen menschliche Möglichkeiten zu erweitern, Sprachbarrieren zu überwinden und Kulturen einander näherzubringen“.

Gebe ich „Butter bei die Fische!“ in das Testkonto ein, das mir ein echter und freundlicher Mensch zur Verfügung gestellt hat, erwidert DeepL: Let‘s get down to brass tacks! Der Gegencheck: „Lass uns zur Sache kommen!“ Damit kann man starten!

Aus der Frage What’s the beef? macht DeepL unterdessen „Worum geht es?“ Auch das ist brauchbar – selbst wenn die Frage im realen Leben zwischen „Was geht?“ und „Willst Du Stress, Alter?“ liegt. Denn beef oder beefs ist im Englischen auch „Streit“.

Die viel gepriesene „künstliche Intelligenz“ hinter DeepL lässt keinen Zweifel, dass sie Ahnung hat, worum es geht. Wenn man auf die Frage Are you having beefs? in der Eingabemaske zwischen den vorgegebenen Kategorien „formell“ und „informell“ wechselt, erscheint: „Haben Sie Streitigkeiten?“ und „Habt ihr Streit?“

Erst in der Frage ohne unbestimmten Artikel Do you have/are you having beef? macht DeepL beef zu Rindfleisch. Zugleich erkennt es, dass „to have“ „essen“ oder „trinken“ bedeuten kann. Entsprechend übersetzt es Are you having dinner? mit „Essen Sie/isst Du zu Abend?“, und es unterscheidet aufmerksam:
Are you having wine?: „Trinkst Du/trinken Sie Wein?“
Are you having soup?: „Essen Sie/Isst Du Suppe?“

Neben diesen Stärken erkenne ich allerdings auch erste Schwächen:
Are you having beef?: „Haben Sie Rindfleisch?“, was möglich ist, aber auch klingt, als wäre man in einem Geschäft – statt „Essen Sie/Isst Du Rindfleisch?“

Was nun das Scholz‘sche „Beef“ betrifft, war es zwar in der politischen Form ein Streit. Inhaltlich bezog es sich auf eine Bedeutung, die 1984 durch die Fernsehwerbung der Hamburgerkette „Wendy“ zum geflügelten Wort wurde: Where‘s the beef? Die Frage war an die Konkurrenz von McDonalds & Co gerichtet und bedeutete sinngemäß: „Ganz schön dünn, eure Buletten!“, „Habt ihr nicht mehr drauf?“ oder schlicht „Ungenügend!“

Seitdem fordert man sich in der US-amerikanischen Politik gelegentlich mit der Frage What‘s the beef? heraus. Davon scheinen die Neuronen von DeepL allerdings noch nichts gehört zu haben. Gebe ich What‘s the beef? ein, erscheint – wie bei Google Translate – bloß „Wo ist das Rindfleisch?“ Eine Enttäuschung!

Unterdessen dürfen wir den Maschinen nicht vorwerfen, dass sie „More beef!“ mit „Mehr Rindfleisch!“ übersetzen. Nicht einmal mein britischer Telefonjoker Joe konnte mit der Äußerung des Bundeskanzlers etwas anfangen. Erst Matthew, ein US-amerikanischer Kollege, versteht sie. Sagen würde es trotzdem niemand, der mit der englischen Sprache groß geworden ist.

„More Beef“ fällt also ohne Zweifel in die Kategorie Pseudoenglisch oder English made in Germany – das wir verstehen, aber die Welt nicht. Und der Scholzomat ist dafür ein Haus- und Hoflieferant.

Das führt mich am Ende dieser fleischhaltigen Kolumne dazu, DeepL mit zehn weiteren Pseudoanglizismen zu füttern:

1. „Unser Invest betrug 10 Millionen“: Our investment was 10 million. Bingo! So lässt sich in der großen weiten Welt investieren.

2. „Schalten Sie den Beamer an/ein!“: Switch on the projector! (Funktion „UK Englisch“) Turn on the projector! (Funktion „US Englisch“) Der internationalen Präsentation steht nichts im Weg.

3. „Ich arbeite im Home Office.“: „I work in a home office.“ Das ist in den meisten englischsprachigen Ländern unbrauchbares Denglisch. Nur aus Irland und einzelnen Teilen der USA ist mir vom home office berichtet worden. In Großbritannien sagt man vor allem remote work oder work from home.

4. „Ich benötige einen Telefonjoker.“: „I need a phone joker“ Das ist denglischer Unsinn! Gefragt wäre helpline oder phone-a-friend lifeline.

5. „Mobbing ist in unserer Firma verbreitet.“: Bullying is common in our company. Unschön, aber verständlich übersetzt!

6. „Wir machen morgen ein Team Shooting.“: We are doing a team shoot tomorrow. Volltreffer!

7. „Das ist ein schöner (Werbe-) Spot.“: That’s a nice commercial (UK Englisch) oder This is a nice commercial (US Englisch). Den Unterschied kann ich nicht erklären, die Übersetzung ist gängig.

8. „Ich trage einen Smoking.“: I wear a dinner jacket (UK Englisch) oder I wear a tuxedo (US Englisch). Damit können Sie ausgehen!

9. „Deine Kleidung ist in.“: Your dress ist in. Sehr gut! Englisch wäre auch: The dress is in fashion/in vogue. Der Gegencheck ist hingegen uneinheitlich: The dress is in wird im informellen Modus von DeepL als „Das Kleid ist da“ übersetzt – was Sinn ergibt, wenn man es in einem Geschäft kaufen möchte. Der formelle Modus bleibt beim Thema: „Das Kleid ist in“.

10. „Das Kleid ist out.“: The dress ist out. Das könnte bedeuten, dass das Kleid nicht (mehr) im Laden ist. Gemeint war etwas anderes. Verständliches Englisch wäre: The dress is outmoded/passé.

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Mein Fazit aus diesem (ersten) Test mit DeepL – the bottom line is: Obwohl der Algorithmus schon einige Jahre Zeit hatte, sich auf unser English made in Germany einzugrooven, stürzt er weiterhin in typische Übersetzungsfallen – und reißt gutgläubige User mit. Die Simulation menschlicher Intelligenz ist beeindruckend gut und doch so eigensinnig wie der Mensch selbst. Langweilig wird also damit vorerst nicht.

Unser Kolumnist ist unter anderem Autor des Bestsellers „Hello in the Round! Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“. Das Buch ist bei C.H. Beck erschienen.

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