Mitbestimmung Koppeln, kungeln,korrumpieren im Betriebsrat

Seite 2/3

Wohl auch den einen oder anderen Mittelständler: Laut einer Untersuchung der auf Familienunternehmen spezialisierten Beratung Weissmann & Cie haben 42 Prozent der 500 befragten Geschäftsführer einen Betriebsrat und davon wiederum mehr als die Hälfte die Erfahrung gemacht, dass sich dadurch die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten sowie das Betriebsklima verbessert haben.

Dass sich diese Partnerschaft größtenteils bewährt, glaubt auch Oliver Stettes, Experte für Arbeitsorganisation und Mitbestimmung beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Doch er sagt auch: „Das Betriebsverfassungsgesetz ist an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß.“

Wie eng Kooperation und Korruption, Kommunikation und Kungelei beieinanderliegen können, machten nicht nur die Skandale um die mit Lustreisen und Geldbeträgen geschmierten Betriebsräte bei Volkswagen und Siemens deutlich.

Üppiger Zuschuss zur Rente

Auch im kleineren Maßstab kommt es immer wieder zu Eklats: Statt wie vorgegeben an einer Weiterbildung zum -Thema „Gleichbehandlung“ in Rostock teilzunehmen, vergnügten sich der Betriebsratsvorsitzende eines Seniorenheimbetreibers und seine Stellvertreterin in einer für Sadomaso-Spiele eingerichteten Ferienwohnung. Obendrein drängte der frivole Arbeitnehmervertreter den Seminaranbieter, die Seminarteilnahme zu bestätigen – sonst kämen keine Buchungen mehr.

In einem Industriekonzern ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft, warum drei Betriebsräte 157.000 Euro mehr Altersgeld erhalten haben, als ihnen eigentlich zustand. Der Verdacht: Mit der Summe sei die Zustimmung zur Schließung eines Betriebes gekauft worden.

Bei einem Mittelständler in Baden-Württemberg wiederum machte der Betriebsratsvorsitzende Dienstfahrten nach eigenen Vorstellungen geltend: Statt Fahrtziel, -grund und Entfernung detailliert aufzuführen, bestand er auf einer pauschalen Abrechnung von 300 Kilometern im Monat. Seine Begründung: Der Arbeitgeber dürfe nicht erkennen, wo der Betriebsrat seine Arbeit geleistet habe.

Möglich sind solche Missbrauchsfälle auch, weil die Unternehmensleitung das Spiel zuweilen gerne mitspielt – freilich meist unterhalb der Schwelle zur Straftat. Da werden vom Betriebsrat zustimmungspflichtige Überstunden genehmigt, wenn der Arbeitgeber Bildungsveranstaltungen in reizvoller Umgebung spendiert. Auch Massenentlassungen werden eher abgenickt, wenn umgekehrt davon bestimmte Mitarbeiter verschont bleiben.

Fehlende Kontrollmöglichkeiten

„Das sind zwar Einzelfälle, aber doch weitaus mehr als nur ein paar schwarze Schafe“, sagt etwa Helmut Naujoks. „Viele Betriebsräte missbrauchen ihre Machtfülle – sie koppeln, kungeln und korrumpieren in einer Form, die für den Arbeitgeber nur schwer nachweisbar ist, aber die Existenz des Unternehmens gefährden kann.“

Wegen Aussagen wie dieser zählt der Düsseldorfer Anwalt, der ausschließlich Arbeitgeber vertritt, zu den schillerndsten und umstrittensten Vertretern seiner Zunft. Bekannt wurde er durch seinen Leitfaden „Kündigung von ,Unkündbaren‘“. In den Rechtsabteilungen der deutschen Gewerkschaften gilt er seitdem als „Mann fürs Grobe“.

Kritik, von der sich der bullige Jurist nicht beirren lässt – und nun mit seinem neuen Buch „Schwarzbuch Betriebsrat“ nachlegt. Naujoks, der sich selbst „ausdrücklich“ zum Betriebsverfassungsgesetz bekennt, kritisiert darin vor allem die fehlenden Möglichkeiten, die Arbeit von Betriebsräten zu kontrollieren: „Der Bundeskanzler kann abgewählt werden – der Betriebsrat nicht“, moniert der Autor. Zudem müssten die Arbeitnehmervertreter ihr Handeln von keiner Kontrollinstanz bewerten lassen. „Und haften müssen sie auch nicht.“ Naujoks Fazit: Das Betriebsratswesen berge die Gefahr eines subtilen Klassenkampfs: In diesem gelte „der Betriebsrat per se als der Gute und der Unternehmer als der Böse“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%