Mitbestimmung Koppeln, kungeln,korrumpieren im Betriebsrat

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Eine Rollenverteilung, die Gerichte nur selten infrage stellen – etwa im Falle Ikea. Die Betriebsratsvorsitzende einer deutschen Filiale des schwedischen Möbelhauses behauptete in einem Fernsehinterview, dass „jeden zweiten Tag der Krankenwagen da war“, dass „Mitarbeiter umgefallen sind, einfach, weil sie überlastet waren, bis hin zum Burn-out“.

Weil sich der Arbeitgeber durch diese Aussagen denunziert fühlte, kündigte er der Mitarbeiterin fristlos – zu Recht: Das Arbeitsgericht Mannheim wertete die Aussagen der Betriebsrätin als falsch: Die behauptete Zahl der Krankenwageneinsätze war stark übertrieben und galt überwiegend der Versorgung von Kunden.

Für Aufsehen sorgte auch ein Vorfall in Mainz: Die rheinland-pfälzische Landesregierung etablierte ein „betriebsrätliches Schnellinformationssystem“, über das der DGB wöchentlich noch bis 2009 Betriebsräte befragte – zu so sensiblen Themen wie geplanter Kurzarbeit, möglichem Personalabbau oder Finanzierungsproblemen. Die betroffenen Unternehmen erfuhren nur davon, wenn die Betriebsräte von sich aus davon erzählten. „Ein Kollateralschaden für vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Da sind Reformen überfällig.“

Geplante Reformen

Die will die Bundesregierung nun anstoßen: Im Koalitionsvertrag mahnt sie die Arbeitnehmervertreter, einen Ehrenkodex ähnlich dem Corporate-Governance-Kodex für Vorstände und Aufsichtsräte zu unterzeichnen, der auch die Bezüge von Betriebsräten offenlegt.

So wie das seit drei Jahren schon bei BASF üblich ist: Der Chemiekonzern ist bisher das einzige Dax-Unternehmen, das die Gehälter seiner Betriebsräte freiwillig kommuniziert – auch, um Gerüchten von überhöhten Einkommen entgegenzutreten. Demnach verdiente ein BASF-Betriebsrat 2009 im Schnitt knapp 65 700 Euro jährlich – und ist damit, so der Betriebsratsvorsitzende Robert Oswald, „weder besser noch schlechter gestellt als ein vergleichbarer Mitarbeiter.“

Auch andere Änderungen im Gesetz sind laut Institut der deutschen Wirtschaft erwünscht: 67 Prozent der befragten Geschäftsführer und rund jeder fünfte Betriebsrat fordern etwa eine Mindestbeteiligung bei Betriebsratswahlen. Jeder zweite Arbeitnehmervertreter könnte mit zwei statt vier Betriebsratssitzungen pro Jahr auskommen – auch, weil es Geld sparen würde: Pro Mitarbeiter kostet eine solche Versammlung im Schnitt rund 150 Euro.

Der größte Wunsch auf Arbeitgeberseite: mehr Beschleunigungsvorschriften. Die würden es Unternehmen ermöglichen, Maßnahmen vorerst auch gegen den Willen des Betriebsrats durchzuführen, bis ein Gericht endgültig über deren Rechtmäßigkeit entschieden hat. Selbst 41 Prozent der Betriebsräte halten diese Veränderung für sinnvoll.

Diese Reform würde sich auch Ewald Quast wünschen. Der heute 50-Jährige hatte im Sommer 2002 per Management-Buy-out den Bereich Biegetechnik vom schwäbischen Baggerhersteller Schaeff übernommen und so vor der Schließung bewahrt. Bald darauf kommt es jedoch mit dem Betriebsrat zum Schlagabtausch. Während dessen Vorsitzender dem IG-Metall-Organ „Metallzeitung“ erzählt, er habe sich von Quast über Monate so bedrängt gefühlt, dass er „psychisch am Boden war“, wirft Quast dem Betriebsrat vor, Kollegen zum Faulenzen angestiftet zu haben („Mach doch nicht so schnell, das Geld kommt sowieso!“).

Die Sticheleien eskalieren. Quast spricht gegenüber mehreren Betriebsräten Abmahnungen unter anderem wegen Arbeitszeitverstößen aus. Als er wenig später wegen zusätzlicher Aufträge die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich anheben will, stellt sich der Betriebsrat quer: „Nehmen Sie die Abmahnungen zurück, dann stimmen wir zu“, rät der Betriebsratsboss dem Geschäftsführer vor Zeugen. Doch statt sich auf den Kuhhandel einzulassen, spricht Quast gegen mehrere Betriebsräte fristlose Kündigungen aus – der Streit endet vor dem Arbeitsgericht Heilbronn mit einem Vergleich: „Ich wollte diese Angelegenheit abschließen“, sagt Quast.

Für Westfalia-Van-Chef Dübbers sieht es derweil nicht ganz so rosig aus: Das Unternehmen hat im Januar Insolvenz angemeldet. Mickeleit arbeitet wieder Vollzeit als Betriebsrat, handelt Sozialpläne aus. „Derzeit entspricht das auch den Anforderungen“, sagt Dübbers. „In so einer Situation ist es notwendig, dass sich der Betriebsrat seiner Verantwortung stellt.“

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