Mode Der deutsche Stil ist besser als sein Ruf

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„Es ist in Deutschland nicht leicht, als Label nach oben zu kommen“

Würde „Marina Hoermanseder“ auch für Männer funktionieren?

Hoermanseder: Ich arbeite ja viel und gerne mit Leder und Schnallen, das ist nun nicht jedermanns Sache (lacht). Jedenfalls nichts fürs Büro. Aber wir haben sehr viele männliche Fans. Und ich überlege auch, für Männer zu entwerfen. Aber das wäre ganz anders als meine Entwürfe für Frauen. Klassischer. Cleaner. Ein weißes Hemd mit perfektem Sitz. Vielleicht ein paar Details. Mehr nicht.

Cloppenburg: Es gibt eben mittlerweile auch Männer, die sich dafür interessieren, ob das Hemd Perlmuttknöpfe hat, die eine exzellente Passform zu schätzen wissen, die auf Details eines Anzugs Wert legen.

So finden Sie den richtigen Anzug
Das ReversSchmale Revers sind gerade angesagt. Das wirkt jung und dynamisch, die klassischere, elegantere Variante ist etwas breiter. Stil-Experte Bernhard Roetzel empfiehlt, nicht mit der Mode zugehen: "Wer sich wirklich gut kleiden will, wählt die Reversbreite passend zur eigenen Statur", sagt Roetzel. "Eine schmale Brust wirkt durch schmalere Revers breiter, eine breite Brust wirkt durch breite Revers schmaler." Quelle: Fotolia
Die SchulterpartieDie Schulternaht sollte nicht über die Schulter selbst hinausragen. Das führt zu länglichen Falten am Rücken und zu Hängeschultern. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die SakkolängeDas Sakko muss das Gesäß komplett bedecken. Der Autor von "Der Gentleman. das Handbuch der klassischen Herrenmode", Bernhard Roetzel, kennt eine Ausnahme: "Kleinere Herren dürfen die Jacke etwas zu kurz tragen, das streckt." Quelle: AP
Die ÄrmellängeDie Hemdmanschette sollte ein bis eineinhalb Zentimeter aus dem Ärmel herausschauen. Quelle: Fotolia
Die HosenlängeDer Absatz des Schuhs muss frei sein. Die Hose sollte ein bis eineinhalb Zentimeter über der Absatzoberkante enden. Quelle: AP
Die SchuheSchwarze Schuhe passen zu schwarzen, anthrazitfarbenen, grauen und blauen Anzügen. Braune Schuhe lassen sich mit brauen, grauen und blauen Anzügen kombinieren. Außer dem Anzugstoff zählt jedoch auch der Gürtel: „Schuh und Gürtel sollen zusammenpassen, man muss aber nicht die identische Farbe anstreben“, sagt Modefachmann Bernhard Roetzel. Sein Tipp: „Ein schönes Detail kann es sein, wenn man zu Raulederschuhen einen Rauledergürtel trägt. Das ist aber kein Muss." Quelle: Fotolia
Der GürtelBeim geschlossenen Gürtel sollten zwei bis drei freie Löcher am Ende sichtbar sein. Wenn nur ein kurzes Ende herausragt, bezeichnet das Bernhard Roetzel als einen "kümmerlichen Eindruck und man wirkt auch dick." Quelle: Fotolia

Aber es ist immer noch einfacher, sich als junger Designer mit Frauenmode einen Namen zu machen. Gibt es in Deutschland überhaupt gute Designer für Herren?

Hoermanseder: Schwierig. Herr von Eden ist vielleicht so ein Beispiel.

Cloppenburg: Stimmt, das ist wirklich jemand, der Mode machen will. Aber es ist in Deutschland nicht leicht, als Label nach oben zu kommen. Im eigenen Land gilt der Prophet oft nichts. Aber nehmen wir zum Beispiel Drykorn, mittlerweile eine ziemlich große Marke. Die haben mich immer begeistert, weil sie von Anfang an konsequent auf Mode gesetzt haben.

Käme klassischer Handel wie P&C für Sie infrage, Frau Hoermanseder?

Hoermanseder: Natürlich. Das ist kein Entweder-oder. Ich brauche die tollen, extravaganten Teile, um meine Kreativität auszuleben, meine Philosophie in ihrer Bestimmtheit präsentieren zu können, das Markenprofil zu bilden. Aber ich brauche auch Pullover und T-Shirts, die schön, aber alltagstauglich und erschwinglich sind. Basics, die man sich leisten kann. Ja, es ist toll, wenn die eigene Marke in Hongkong gefeiert wird. Aber sie sollte erreichbar bleiben. Demokratisch, wenn Sie so wollen.

Was halten Sie dann von Start-ups, die gerade Männern Mode näherbringen wollen?

Hoermanseder: In einem Wort: super. Outfittery zum Beispiel. Ich glaube, da sind viele Männer über etwas Hilfe extrem dankbar. Und sie lassen sich was sagen. Einkaufen gehen die meisten ja weiterhin eher ungern ...

Also ist das Internet heute das, was früher die Mutter an meiner Seite war?

Hoermanseder: Exakt.

Cloppenburg: Wer nicht genau weiß, was er will, und auch nicht, was es überhaupt gibt, der ist für diese Hilfe sehr dankbar. Für die Beratung. Aber am Ende für die Sicherheit.

Die beliebtesten Textilhersteller

Haben Start-ups nicht noch mehr getan: nämlich die Dresscodes für Arbeit komplett verändert? Es gibt doch kaum noch einen CEO, der noch Krawatte trägt.

Cloppenburg: Dazu habe ich eine ganz eigene Theorie: Wer sie ablegt, demonstriert, dass er in der Position ist, sie einfach ablegen zu können. Es ist in erster Linie also ein Symbol, eine Geste, der manchmal schon der Inhalt abhandenkommt. Ich bin deshalb fast schon so weit, eine Gegenbewegung anführen zu wollen. Zumindest habe ich meistens eine dabei (Cloppenburg zeigt auf seine Brusttasche, die Krawatte fungiert als Einstecktuch). Die Krawatte ist schließlich eine der wenigen Möglichkeiten, wo der Mann spielen und experimentieren kann.

Hoermanseder: Danke, ich bin auch eine Freundin der Krawatte. Mein Vater ist jeden Morgen mit vier Stück zu meiner Mutter gegangen und hat sich beraten lassen. Das prägt. Und wenn mein Vater früher von der Arbeit kam, dann war da bei der Umarmung dieses kühle, gebügelte Hemd und diese Botschaft: Honey, I’m home and had a hard day. Ich habe dafür echt eine Schwäche. Da bin ich eine österreichische Spießerin (lacht).

Der Sommer hat Deutschland kaum erreicht – da liegen bald schon die ersten Herbstklamotten in den Läden. Worauf Sie sich in diesem Jahr einstellen müssen.
von Lin Freitag

Und Sneakers zum Anzug?

Hoermanseder: Nein, auf gar keinen Fall! Ich hoffe, du wolltest jetzt nicht ja sagen ...

Cloppenburg: ... Nein, keine Sorge. Zum klassischen Anzug gehen sie ganz sicher nicht. Bei manchen lässigeren Hose-Jackett-Kombinationen aber sehr gerne – Sneaker ist ja schließlich nicht gleich Sneaker.

Hoermanseder: Aber dann bitte flache, nicht so knöchelhohe. Diese Stiefel zu einer Anzughose, die noch reingestopft wird – bloß nicht.

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