Nach sehr schlechten Erfahrungen mit Outsourcing denken manche Unternehmen ans Selbermachen Die Probleme sind nicht weg – sie sind jetzt nur in Indien

Das Experiment dauerte nur wenige Monate. Dann verlegte die GE Money Bank, der Finanzdienstleister des US-Mischkonzerns General Electric (GE), das Call-Center, das sie in Polen eröffnet hatte, wieder zurück – nach Hannover. Bei dieser Entscheidung ging es nicht nur um Verständigungsprobleme, urteilt Thomas Limberger, GE-Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sondern auch um „Unterschiede im Dienstleistungsverständnis.“

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Limberger ist nicht der einzige, der solche Unterschiede zu spüren bekommt. Die Berichte über massive Probleme bei Outsourcing-Deals häufen sich seit Monaten. Meist geht es dabei um die so genannte Offshoring-Variante des Auslagerns: also um Dienstleistungen und Produkte, die aus Indien oder China aus Kostengründen kommen. Nicht nur im Falle von General Electric, auch beim Technologiekonzern Sartorius oder Lufthansa Cargo zum Beispiel sorgten solche Projekte für Enttäuschungen. Kommunikationsdefizite und mangelndes Businessverständnis beim ausländischen Partner sind die häufigsten Ursachen der Probleme beim Outsourcen über die Landesgrenzen. Die Einspareffekte sind oft kleiner als erhofft. Und das trifft keineswegs nur auf Projekte in Indien oder China zu, sondern auf Auslagerungs-Deals generell. Nachdem der US-Marktforscher Meta-Group im vergangenen Sommer noch einen „Goldenen Herbst für Outsourcing in Europa“ angekündigt hatte, ist die Euphorie inzwischen vorbei: Vor drei Wochen präsentierten die Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater von Deloitte & Touche eine Studie, in der sie vor versteckten Kosten und zu hoher Komplexität bei solchen Projekten warnen. „Ironischerweise bereiten genau die Punkte Schwierigkeiten, bei denen man sich vorher die entscheidenden Verbesserungen versprochen hatte“, resümiert Gerd Schwarz, einer der Autoren der Studie. Sie zeigt, dass 70 Prozent der Befragten dabei sehr negative Erfahrungen gemacht haben. 44 Prozent erklärten, aus dem externen Outsourcing hätten sich keine Einsparungen ergeben. Häufigste Ursache: versteckte Kosten. 57 Prozent der Befragten mussten für Leistungen extra bezahlen, von denen sie vorher glaubten, sie seien vom Pauschalpreis des Deals gedeckt. In jedem vierten Fall führte das dazu, dass ausgelagerte Funktionen wieder in das Unternehmen zurück geholt wurden. Die Studienautoren raten Unternehmen generell dazu, die eigenen IT-Abteilungen oder -Töchter als hauseigene Dienstleister aufzustellen und ihnen mehr statt weniger Aufgaben zu übertragen. Bei vielen Entscheidern rennen Deloitte & Touche damit offene Türen ein. „Eon hat ein Bekenntnis abgegeben zum internen Dienstleister,“ berichtet Torsten Ecke, IT-Chef des Energieriesen. Um diese neu entdeckte Bande zur Familie auch nach außen zu demonstrieren, heißt die IT-Tochter seit April nicht mehr ganz neutral IS:Energy, sondern Eon IS. „Gleichzeitig spiegelt das reinbringe die erweiterten Aufgaben wider, die das Unternehmen künftig im gesamten Eon-Konzern in Europa übernehmen wird,“ so der Eon-IS-Pressetext. Der bisherige Mitgesellschafter Cap Gemini ist inzwischen ausgestiegen. Die neuen Aufgaben resultieren vor allem daraus, dass Eon seit Jahren im Umbruch ist und ständig neue Töchter integrieren muss. IT-Leistungen dabei extern einzukaufen statt vom eigenen Dienstleister, hat oft schon deshalb keinen Sinn, weil der Riesenkonzern die Skaleneffekte, die Dritte regelmäßig versprechen, mühelos im eigenen Haus realisiert. Der Eon-IT-Chef kann wie viele seiner Kollegen oft nicht nachvollziehen, woher die von Externen Dienstleistern versprochenen Spareffekte kommen sollen.

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Im Gegenteil: Jedes Unternehmen, das IT-Dienstleistungen anbietet, muss zum Beispiel Rücklagen bilden für den Fall, dass mal ein Projekt im Desaster endet. Und diese Vorsorge bezahlt natürlich der Kunde. „Im Gegensatz dazu können wir dieses Risiko im Konzern abfedern,“ so Ecke. Kompensiert werden sollen diese Kosten – so die Verheißung von Outsourcing-Dienstleistern – durch effiziente Strukturen und extreme Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben. Damit ließen sich natürlich Spareffekte erzielen, so Gerd Schwarz, Mitautor der Deloitte-Studie. „Aber diese Potenziale können Unternehmen auch selber heben, anstatt Externe damit zu beauftragen.“ Die meisten Unternehmen haben das längst erkannt. So heißt es zum Beispiel in einem internen Strategiepapier von Voith ITS, einer Tochter des Maschinenbauers Voith: „Konsolidierung/ Optimierung muss zuerst in eigenem Hause realisiert werden, sonst erzielt der outsourcen diesen offensichtlichen Profit.“ Um Dienstleistungen so effizient wie möglich anbieten zu können, empfiehlt Deloitte & Touche den Unternehmen, eigene so genannte Shared Service-Center zu gründen, die sich auf ein bestimmtes Thema spezialisieren. Eon zum Beispiel arbeitet nach diesem Prinzip: Das Unternehmen betreibt ein riesiges eigenes Servicecenter für die Personalabrechnung. „Und wenn mir bei diesem Thema ein externer Anbieter sagt: Okay, ich betreue zwar nicht so viele Mitarbeiter wie du, aber bei mir wird es trotzdem viel billiger, dann kann ich nur müde lächeln,“ berichtet IT-Chef Torsten Ecke. Die Quintessenz der Deloitte-Studie ist dieser Aufruf: dass die Unternehmen erst selber einen Prozess verbessern sollen, bevor sie die ganze Aufgabe nach draußen geben. Und gerade an der Bereitschaft, das auf sich zu nehmen, hat es nach Ansicht des Chefs von Bayer Business Services in der Vergangenheit gefehlt. Andreas Resch: „Hinter vielen großen Outsourcing-Deals steckte eine Mischung aus Strategie und der Verzweiflung darüber, irgendeinen Bereich überhaupt nicht in den Griff zu kriegen. Aber wenn sie ein Problem haben, das sie dann nach Indien outsourcen, dann sind sie ja das Problem nicht los – sondern dann haben sie ein Problem in Indien.“

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