Nebengeschäfte Womit sich deutsche Konzerne etwas dazu verdienen

BASF verdient sein Geld mit Chemikalien – gehört aber auch zu den zehn größten Weinhändlern Deutschlands. Still und unauffällig floriert in manchem Milliardenkonzern ein Nebenerwerb, etwa mit Wein, Gastronomie oder Kunst.

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Für die Schatzkammer drei Stockwerke unter der Erde braucht der Chef einen eigenen Schlüssel. „Höchste Sicherheitsstufe“, sagt Bernhard Wolff, lacht und schiebt die Tür auf. Kühle Luft dringt nach außen. Optimale Lagerbedingungen. Wolff geht an ein Regal und zieht eine Flasche aus einer Holzkiste – ein Bordeaux-Rotwein aus dem Jahr 1958, mehrere Hundert Euro wert. Nur eine von etwa einer Million Flaschen, die in diesem unterirdischen Weinkeller lagern.

Das Labyrinth aus Paletten erstreckt sich über mehrere Ebenen. Ein Stockwerk Deutschland, dann Frankreich, Spanien, USA, Australien: Weine aus der ganzen Welt werden hier zwischengelagert. Von solchen Bunkern gibt es nur eine Handvoll in Deutschland. Doch dieser Keller gehört keinem Weinhändler oder Weingut – sondern BASF.

Das Unternehmen verdient sein Geld vor allem mit Chemikalien: Pflanzenschutzmittel, Lacke oder Weichmacher. Mit insgesamt 70 Milliarden Jahresumsatz ist BASF inzwischen der größte Chemiekonzern der Welt. Doch was kaum jemand weiß: Er gehört auch zu den zehn größten Weinhändlern Deutschlands. Mehr als 7,5 Millionen Euro Umsatz macht das Unternehmen mit dem Handel internationaler Weine.

In der Branche ist BASF damit ein Schwergewicht, im Konzernabschluss ist der hauseigene Flaschenhandel hingegen nur eine kleine Randnotiz wert. Trotzdem ist der Geschäftszweig für BASF mehr als ein nettes Nebengeschäft. „Der Weinkeller ist unsere emotionale Visitenkarte“, sagt Wolff. Dazu gehört der Kellerchef selbst: Mit seinem gestärkten Hemd, dem dunklen Anzug und der Fliege würde er viel besser in ein Sternerestaurant passen als in einen Chemiekonzern. Einzig der kleine grüne Anstecker an seinem Revers identifiziert ihn als BASF-Angestellten: „We create chemistry“, steht darauf.

Während sich Wolffs Kollegen an das Firmenmotto halten und auf dem überirdischen Gelände beispielsweise an neuen chemischen Pflanzenschutzmitteln tüfteln, verkauft er sogar Weine, deren Winzer chemische Produkte aus Überzeugung ablehnen. Bioweine gehören heute eben zu jedem gut ausgestatteten Weinregal, Ärger habe das bislang nicht gegeben. „Wir messen uns am Markt“, sagt Wolff, „schließlich sind wir mehr als ein Spielzeug des Vorstands.“

Also muss mehr als Spaß am Wein dahinterstecken. Vor allem in Zeiten, in denen Unternehmensberater zur Fokussierung auf das Kerngeschäft raten und Controller auf Effizienz pochen. Da kann sich eigentlich kein Vorstand eines börsennotierten Unternehmens erlauben, Zeit, Geld und Ansehen mit Sperenzchen zu riskieren. Uneigentlich pflegen manche Konzerne trotzdem eine nette Nebentätigkeit, wie einen geliebten, aber etwas versteckten Garten.

Mal ist das Seitengewerbe naheliegend, mal etwas spleenig. Porsche gibt es nicht nur auf vier Rädern, sondern auch als Uhr am Handgelenk. ProSiebenSat.1 hat eine eigene Fitness- und Wellnesssparte namens 7NXT Health, die Lufthansa-Tochter LSG Sky Chefs beliefert Hunderte von Fluglinien mit Essen, die Schörghuber Unternehmensgruppe (Paulaner, Kulmbacher) betreibt eine Farm für Zuchtlachse in Chile. Doch im Falle von BASF ist daraus ungewollt ein lukratives Geschäftsfeld geworden.

Impuls des Finanzamts

Eigentlich war der Keller ausschließlich für eigene Angestellte zugänglich. Die BASF gründete das Weingeschäft 1901, um sich bei Mitarbeitern und jungen Talenten beliebt zu machen. Hier konnten sie sich nach Betriebsschluss mit Wein eindecken oder sich direkt vor Ort ein Gläschen gönnen. In den Sechzigerjahren wollte das Finanzamt den Feierabendschoppen der Belegschaft als geldwerten Vorteil definieren. Daraufhin beschloss das Unternehmen, den Laden für die Allgemeinheit zu öffnen. Mit Erfolg.

An einem Dienstagnachmittag läuft rund ein Dutzend Kunden durch das Ladengeschäft direkt über dem Keller, viele schieben einen vollen Einkaufswagen vor sich her. Mittlerweile arbeiten etwa 20 Mitarbeiter für den Weinhandel des Chemiekonzerns. Die zwölf Regalreihen decken nahezu jedes Anbaugebiet der Welt ab, insgesamt umfasst das Sortiment rund 2000 Produkte. Der Laden auf dem BASF-Betriebsgelände macht etwa 40 Prozent des Umsatzes aus.

Einen ebenso großen Teil erwirtschaftet Wolff über den Versandhandel. Die Weinlieferungen gehen an BASF-Standorte weltweit: nach Fernost, nach Südamerika, in die USA. Die internationalen Kollegen bestellen bei der pfälzischen Konzernmutter, einen Mitarbeiterrabatt gibt es allerdings nicht. „Man muss sich immer wieder daran erinnern: Wir haben über 112 000 Kollegen“, sagt der Kellerchef, „und wir müssen genauso wirtschaftlich sein wie alle anderen Geschäftsbereiche.“

Die besten Flaschen unter 15 Euro
Alain Brumont Madiran Château BouscasséDie strammen Tannine und die Säure geben nach Ansicht des Wine Spectators dem Fruchtaroma genügend Halt, um den Wein nicht nur als Fruchtsaft erscheinen zu lassen. Herausgeschmeckt haben sie "getrocknete Erdbeeren, Rote Johannisbeeren, Schwarzen Tee, neues Leder und zuguterletzt auch Tabakblätter. Platz 51. bestvita.de Quelle: PR
Descendientes de J. Palacios Bierzo PétalosKräftige Schwarzkirsche, Lakritz, Rauch - das sind die Noten, die nach Ansicht des Wine Spectators dennoch einen sanften Wein auszeichnen, dessen Tannine, die im Gaumen ein beißendes Gefühl auslösen können, gut im Wein eingebunden sind. Sprich: Sie geben dem Wein ein Fundament, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln. Platz 53.silkes-weinkeller.de Quelle: PR
Torre Rosazza Pinot Grigio Friuli Colli OrientaliDer Pinot Grigio, aka Grauburgunder, aka Pinot Gris, hat es dank seiner Beliebtheit dorthin gebracht, wo der Chardonnay einst landete: In die Missgunst derjenigen Weinliebhaber, die allzu oft mit schlechten Pinot Grigios konfrontiert wurden, weil sich die Traube gut verkauft. Dieser hier schafft es aber auf Platz 83 in der Top100 der Liste 2015 des Wine Spectator. Zu verdanken hat er das seinem cremigen Körper, der mit einer feinen Säure abschließt. Unter Fruchtaromen notieren die Tester: Guave, Sternfrucht, eingelegten Ingwer und Eiche. weinquelle.de Quelle: PR
Jean-Marie Brocard Quelle: PR
Domaine Terlato et Chapoutier Shiraz-Viognier Victoria 45 Cent über der 15-Euro-Schallgrenze - dafür eine der ungewöhnlichsten Mischungen aus zwei Rebsorten: Shiraz, der in Frankreich Syrah heißt, angereichert mit Viognier - einer Weißweintraube. Fünf Prozent hat die Domaine Terlato & Chapoutier davon dem Wein beigefügt. Das macht ihn "frisch und ausdrucksstark" schreiben die Tester des Wine Spectator. Schwarze Kirsche seien gut balanciert mit einer Mineralität, die "in ein langes Finish mit feinen Tanninen gleitet". vinatis.de Quelle: PR
Vina Montes Syrah Colchagua Valley AlphaDunkle Farbe mit würzigem Aroma und reichlich Noten von Schwarzer Kirsch, Blaubeeren und dunkler Pflaume. Dazu gesellt sich dunkle Schokolade und reichlich Mokka-Akzente, haben die Tester herausgeschmeckt. Platz 37. edelrausch.de Quelle: PR
d'Angelo Aglianico del VultureErdige Noten und die von Schwarzer Kirsche sind in diesem "harmonischen, mit mittelgroßem Körper" vereint. Herausgeschmeckt wurden ebenso noch schwarze Oliven, Feigenbrot und getrocknete Kräuter. Platz 74.weinhandel-italien.de Quelle: PR

Doch während der Chemiekonzern daraus ein einträgliches Nebengeschäft gemacht hat, machen andere mit ihren zusätzlichen Tätigkeiten sogar Verluste – und wissen dennoch genau, warum sie daran festhalten.

Wie zum Beispiel die Deutsche Bank. Sie betreibt seit knapp 20 Jahren eine Kunsthalle in der Nähe des Brandenburger Tors. Die vier Räume bieten viel Platz, minimalistische Inszenierung und große Bedeutung. Das Haus hat viele Fans. Im vergangenen Jahr kamen über 100.000 Besucher, zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Bank gehört zu den größten Kunstsammlern des Landes, rund 60.000 Werke befinden sich in ihrer Sammlung. Darunter Hans Arp, Joseph Beuys oder Gabriele Münter. Damit verschönert sie nicht nur die Wände und Foyers ihrer Filialen. Man verleiht auch mal Werke an Museen wie das Frankfurter Städel oder geht mit Sonderausstellungen auf Tournee. Netter Nebeneffekt: Jedes Mal fällt in Verbindung mit Sigmar Polke, Georg Baselitz, Emil Nolde ihr Name. Dafür nimmt selbst ein Geldinstitut seit Jahren rote Zahlen in Kauf. Bei der Sammlung und ihrer Kunsthalle stehe die Auseinandersetzung mit der Kunst im Vordergrund und nicht das finanzielle Investment, heißt es bei der Bank.

In anderen Konzernen wiederum ist aus dem Nebenjob ein profitables Tochterunternehmen geworden – auch wenn das so gar nicht geplant war. In den Zwanzigerjahren entschied sich die Familie Oetker aus Bielefeld, ein Haus in ihrer Lieblingsstadt Baden-Baden zu kaufen. Schnell jedoch merkte sie, dass ein unregelmäßig genutztes Häuschen mehr Arbeit macht als Freude bereitet. Als sie am Brenners Park-Hotel vorbeispazierten, kam ihnen eine Idee: Warum nicht Anteile an einem Hotel kaufen – und einen Bereich davon selbst bewohnen?

Gefragt, getan. Die Familie fühlte sich wohl. So sehr, dass Rudolf-August Oetker das Hotel im Jahr 1941 komplett übernahm. Die Angestellten erzählen, dass die Enkel Oetkers im Hotelpark das Fahrradfahren und im Pool das Schwimmen lernten. Und neben solch unverkäuflichen Erinnerungen warf der normale Hotelbetrieb auch ein bisschen Gewinn ab.

Zwischen Pudding und Côte d'Azur

Damit war Oetker auf den Geschmack gekommen. Als er mit seiner Yacht an der Côte d’Azur vorbeischipperte, sah er von seinem Schiffsdeck ein ausladendes, weißes Haus hoch oben auf dem Felsen einer Bucht. Ein Premiumhotel, in dem schon die Kennedys, Marlene Dietrich oder Liz Taylor genächtigt hatten. Die Oetkers verliebten sich in den Prachtbau und kauften es kurze Zeit später. Bis heute ist das Hotel du Cap Eden Roc in Familienbesitz.

Über die Jahre kamen immer mehr Luxushäuser dazu: Ob ein Château in der Provence (Saint-Martin) oder ein Luxushotel gegenüber des Pariser Élysée-Palasts (Le Bristol). So wurden aus einer Liebhaberei mittlerweile zwei Absätze im Geschäftsbericht eines Unternehmens, das sein Geld sonst mit Pizza, Pudding oder Backmischungen verdient.

Seit 2009 werden die Hotels in der Gruppe Oetker Collection geführt. Zu den vier eigenen Hotels betreut sie fünf fremde Häuser, eine Privatinsel nahe der Seychellen und ein Palais in Marrakesch. Häuser, in denen Mehrzimmersuiten, Butler und hauseigene Sterneköche zum Standard gehören und in denen eine Nacht mehr als 1000 Euro kostet. Im vergangenen Jahr machte die Gruppe einen Umsatz von 150 Millionen Euro.

Während sich die Oetkers ein zusätzliches Taschengeld mit Produkten für Reiche verdienen, setzen andere deutsche Konzerne bei ihrem Nebenjob eher auf Masse. Drei Millionen Mittagessen servieren die 500 Mitarbeiter von Sascha Witt jedes Jahr. Er ist Geschäftsführer der Bayer Gastronomie, eines Tochterunternehmens des Chemie- und Pharmakonzerns. Witt bietet Catering im großen Stil an: Mehr als 50 Millionen Euro Umsatz macht das Gastrogeschäft mittlerweile, die Hälfte davon in Kantinen. Doch die wirklich lukrativen Geschäfte laufen woanders.

Witt läuft über einen Marmorboden, vorbei an einem Flügel und Blumenarrangements. Die Gründervilla wirkt mit ihrer ausladenden Treppe und dem großen Garten mit Terrasse ein wenig deplatziert inmitten des Chemieparks und seinen rauchenden Schornsteinen. Das Gebäude ist nicht nur firmeneigenes Hotel für Bayer-Gäste und Touristen, sondern auch Hochzeitslocation. Die Bayer-Tochter organisiert rund 100 Trauungen im Jahr – entweder in Leverkusen oder auf dem Bayer-Landsitz im Bergischen Land.

Auch Junggesellenabschiede hat das Unternehmen im Programm, mit mehrgängigem Menü, Sommelier und Weinprobe. Statt über Chemie und Pharmaprodukte denken jene Bayer-Mitarbeiter über Essensabfolgen, Fotografen und Dekorationen nach. Statt auf Industrie- gehen sie auf Hochzeitsmessen. „Das hat mit dem eigentlichen Geschäft des Bayer-Konzerns natürlich nichts zu tun“, sagt Witt, „das macht unsere Arbeit aber umso interessanter.“

Die Konzerntochter muss dabei trotzdem stets beweisen, dass sie profitabel ist. „Am Ende regiert die Zahl“, sagt Witt. Deshalb hat er bis vor einigen Jahren auch den Bonner Post-Tower oder die Kölner Messe mit Mittagessen beliefert. Sein ehemaliger Konzernchef Marijn Dekkers wollte schließlich ein Stück weit zurück zum Kerngeschäft. Seitdem kochen die 100 Bayer-Köche nur noch für die eigenen Häuser. Mit wenigen Ausnahmen: Die Currywurst im Stadion von Bayer Leverkusen stammt weiter von hier.

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