Nebengeschäfte Womit sich deutsche Konzerne etwas dazu verdienen

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Zwischen Pudding und Côte d'Azur

Damit war Oetker auf den Geschmack gekommen. Als er mit seiner Yacht an der Côte d’Azur vorbeischipperte, sah er von seinem Schiffsdeck ein ausladendes, weißes Haus hoch oben auf dem Felsen einer Bucht. Ein Premiumhotel, in dem schon die Kennedys, Marlene Dietrich oder Liz Taylor genächtigt hatten. Die Oetkers verliebten sich in den Prachtbau und kauften es kurze Zeit später. Bis heute ist das Hotel du Cap Eden Roc in Familienbesitz.

Über die Jahre kamen immer mehr Luxushäuser dazu: Ob ein Château in der Provence (Saint-Martin) oder ein Luxushotel gegenüber des Pariser Élysée-Palasts (Le Bristol). So wurden aus einer Liebhaberei mittlerweile zwei Absätze im Geschäftsbericht eines Unternehmens, das sein Geld sonst mit Pizza, Pudding oder Backmischungen verdient.

Seit 2009 werden die Hotels in der Gruppe Oetker Collection geführt. Zu den vier eigenen Hotels betreut sie fünf fremde Häuser, eine Privatinsel nahe der Seychellen und ein Palais in Marrakesch. Häuser, in denen Mehrzimmersuiten, Butler und hauseigene Sterneköche zum Standard gehören und in denen eine Nacht mehr als 1000 Euro kostet. Im vergangenen Jahr machte die Gruppe einen Umsatz von 150 Millionen Euro.

Während sich die Oetkers ein zusätzliches Taschengeld mit Produkten für Reiche verdienen, setzen andere deutsche Konzerne bei ihrem Nebenjob eher auf Masse. Drei Millionen Mittagessen servieren die 500 Mitarbeiter von Sascha Witt jedes Jahr. Er ist Geschäftsführer der Bayer Gastronomie, eines Tochterunternehmens des Chemie- und Pharmakonzerns. Witt bietet Catering im großen Stil an: Mehr als 50 Millionen Euro Umsatz macht das Gastrogeschäft mittlerweile, die Hälfte davon in Kantinen. Doch die wirklich lukrativen Geschäfte laufen woanders.

Witt läuft über einen Marmorboden, vorbei an einem Flügel und Blumenarrangements. Die Gründervilla wirkt mit ihrer ausladenden Treppe und dem großen Garten mit Terrasse ein wenig deplatziert inmitten des Chemieparks und seinen rauchenden Schornsteinen. Das Gebäude ist nicht nur firmeneigenes Hotel für Bayer-Gäste und Touristen, sondern auch Hochzeitslocation. Die Bayer-Tochter organisiert rund 100 Trauungen im Jahr – entweder in Leverkusen oder auf dem Bayer-Landsitz im Bergischen Land.

Auch Junggesellenabschiede hat das Unternehmen im Programm, mit mehrgängigem Menü, Sommelier und Weinprobe. Statt über Chemie und Pharmaprodukte denken jene Bayer-Mitarbeiter über Essensabfolgen, Fotografen und Dekorationen nach. Statt auf Industrie- gehen sie auf Hochzeitsmessen. „Das hat mit dem eigentlichen Geschäft des Bayer-Konzerns natürlich nichts zu tun“, sagt Witt, „das macht unsere Arbeit aber umso interessanter.“

Die Konzerntochter muss dabei trotzdem stets beweisen, dass sie profitabel ist. „Am Ende regiert die Zahl“, sagt Witt. Deshalb hat er bis vor einigen Jahren auch den Bonner Post-Tower oder die Kölner Messe mit Mittagessen beliefert. Sein ehemaliger Konzernchef Marijn Dekkers wollte schließlich ein Stück weit zurück zum Kerngeschäft. Seitdem kochen die 100 Bayer-Köche nur noch für die eigenen Häuser. Mit wenigen Ausnahmen: Die Currywurst im Stadion von Bayer Leverkusen stammt weiter von hier.

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