Neuerscheinung „Gen Z: Für Entscheider:innen“ Der Forderungskatalog der Generation Z an Unternehmen

Was will die Generation Z? Tipps für Manager. Quelle: Getty Images

In Zeiten des Fachkräftemangels versuchen Unternehmen mit allen Mitteln, junge Talente für sich zu gewinnen. Doch oft passen Anspruch der Bewerber und Wirklichkeit der Firmen nicht zusammen. Ein Gen-Z-Erklärbuch soll Abhilfe schaffen. Die wichtigsten Erkenntnisse.

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Wäre es doch bloß der Fachkräftemangel, mag sich manch ein Personaler denken. Nicht nur, dass sich die Unternehmen in Deutschland und vielen anderen Ländern schwertun, Personal zu finden, nein, die wenigen Nachkommen, die der demografische Wandel noch überlässt, stellen auch noch Ansprüche. Die Generation Z (Gen Z) kann es sich scheinbar leisten.

Job und Karriere stehen bei den zwischen 1995 und 2010 Geborenen längst nicht mehr über allem oder sollen mindestens sinnstiftend sein, bestenfalls so erfüllend, dass Privates und Berufliches verschmelzen. Ihre Ansprüche treffen allerdings auf große Nachfrage. Denn die Demografie sorgt dafür, dass Fachkräfte fehlen – und die Gen Z damit in einer selten guten Verhandlungsposition ist.

Doch wie nur sollen Vorstandschefinnen und Personaler aus der Boomergeneration und kurz vor der Rente die richtigen Worte auf den richtigen Kanälen finden, um auf sich aufmerksam zu machen? Wie ticken die Zoomer? Antworten auf diese Fragen bieten diverse Agenturen und Gen-Z-Versteher auf Linkedin an. Tipps und Tricks, wie die Unternehmen die scheinbar unbekannten Wesen, vollständig digital sozialisiert, Zweitwohnsitz: Internet, für sich gewinnen können. Die Kluft zwischen den Generationen ist längst zum Geschäftsmodell geworden. Und nun ist dazu das passende Buch erschienen: „Gen Z: Für Entscheider:innen“.

Herausgegeben haben das knapp 200 Seiten schmale Werk Gen-Z-Vertreter und -Versteherinnen. 15- bis 78-Jährige, unter den bekanntesten Flix-Mitgründer Daniel Krauss, die Influencerin Diana zur Löwen und Hugo-Boss-Chef Daniel Grieder, haben Beiträge geschrieben, die sich an Recruiter, Führungskräfte und Marketingleute richten. Ohne verallgemeinernde und teilweise kaum neue Zuschreibungen kommt zwar auch diese Betrachtung einer ganzen Generation nicht aus. Die Autorinnen und Beispiele sind aber vielseitig, anschaulich – und liefern einige konkrete Erkenntnisse.

1. Junge Mitarbeiter fühlen sich von Älteren nicht ernst genommen

Passend zum Erscheinungstermin des Buches haben die Züricher Beratungsagentur Zeam und das Hamburger Marktforschungsinstitut Appinio die Ergebnisse einer Studie über die Zufriedenheit junger Talente im Arbeitsleben veröffentlicht, oder besser: die Unzufriedenheit. Etwa ein Viertel der 1000 Befragten zwischen 16 und 25 Jahren gaben demnach an, sie fühlten sich im Job nicht ernst genommen. „Für 72 Prozent ist klar, dass es nichts mit ihren Fähigkeiten zu tun hat, sondern nur aufgrund ihres Alters passiert“, schreibt Zeam-Chefin Yaël Meier, die maßgeblich an dem Buch mitgewirkt hat, auf Linkedin.

Die Konsequenzen: Diejenigen, die so empfänden, „freuen sich weniger auf ihr künftiges Berufsleben als junge Menschen, die sich ernst genommen fühlen“.

Der Aufforderung: Unternehmen sollten den Mut und das Vertrauen aufbringen, den Nachwuchs nicht nur mitlaufen zu lassen, sondern federführend einzubinden. „Die Befähigung zum Machen“ heißt das im Buch.

2. Veränderte Ansprüche an die Arbeit erfordern eine neue Firmenausrichtung

Die Personalentwicklerin Laura Bornmann berichtet von einer 25-jährigen Kollegin, die von montags bis freitags einen Serientermin mit dem Betreff „Feierabend“ eingestellt hat – um 15 Uhr. Dass sie Terminanfragen am Nachmittag rigoros ablehne, habe aber nichts mit Ambitionslosigkeit zu tun, sagt Bornmann. Die Mitarbeiterin erbringe „gute Leistungen – nur eben nicht, wie früher Usus, an zehn oder mehr Stunden am Tag“.

Ähnliches hat Microsoft-Managerin Annahita Esmailzadeh erlebt: In den ersten fünf Minuten des Bewerbungsgesprächs habe eine Anwärterin auf eine Praktikumsstelle sie „sehr deutlich auf ihr ausgeprägtes Bedürfnis nach frühem Feierabend und flexibler Rücksichtnahme auf ihr Privatleben hingewiesen“. Das hätte es bei ihr früher in der Generation Y nicht gegeben.

Während für viele Arbeitskräfte älterer Generationen nach wie vor gilt, dass Arbeit dazu da ist, den Lebensunterhalt zu verdienen, und das Pensum steigt, je höher die Hierarchieebene ist, sehen Zoomer das ganz anders. Sie wollen den Job auch mit Sinn und Spaß verbinden. Und „Arbeitszeit hat in ihrer Welt nichts mit Leistung zu tun“, schreibt Bornmann.

Firmenchefs können sich natürlich dagegen wehren. Theoretisch. Denn praktisch könnten sie damit den Fortbestand ihres Unternehmens in Gefahr bringen. Fakt ist: Bis 2030 werden Gen Z und Millennials am Arbeitsmarkt in der Mehrheit sein. Und Firmen müssen sich den veränderten Ansprüchen und der Tatsache, dass sich die Verhandlungsmacht zugunsten der Arbeitnehmer verschiebt, anpassen.

3. Zoomer brauchen Freiheit und Flexibilität – oder sie kündigen

Um im Kampf um Fachkräfte nicht ins Hintertreffen zu geraten, sollten Unternehmen dem Verlangen der Jungen Sorge tragen, fordern die Buchautoren. Die Option, von überall arbeiten zu können, nicht unbedingt da, wo der Chef ist, ist für die Generation Z nicht verhandelbar. Einer McKinsey-Umfrage zufolge ist die Bereitschaft zu kündigen, wenn es die Option nicht gibt, bei 18- bis 34-Jährigen 60 Prozent höher als bei älteren Kollegen.

Die britische Großbank Citi ging mit ihren Bemühungen, aufstrebenden Analysten möglichst attraktiv zu erscheinen, so weit, dass sie sich in Málaga an der andalusischen Mittelmeerküste ansiedelte. Auf 30 Analystenstellen bewarben sich 3000 Leute.

Jo Dietrich, der andere Gründer von Zeam, warnt in seinem Text: „Mit einem Obstkorb gewinnt man keine Talente.“ Unternehmen müssten verstehen, dass sie in einer Welt, in der physische Präsenz eine viel geringere Rolle spielt, nicht mehr (nur) mit dem Wettbewerber im Nachbardorf oder dem nächstgrößeren Unternehmen auf dem deutschen Markt um Personal konkurrieren, sondern weltweit.

4. Purpose, Purpose, Purpose: Die Gen Z will zu den „Guten“ gehören

Werte sind für Unternehmen auch wirtschaftlich gesehen wertvoll. Denn sie werden für Bewerber immer wichtiger und damit entscheidend, damit Firmen junge Talente für sich gewinnen. Personaler und Vorgesetzte sollten darauf gefasst sein, kritische Fragen zu beantworten: Wo und unter welchen Bedingungen lassen wir produzieren? Wie nachhaltig sind unsere Lieferketten und unsere Verpackungen? Und welche sozialen Projekte unterstützen wir als Unternehmen eigentlich? Interessenten der Gen Z, die darauf keine zufriedenstellenden Antworten bekommen, ziehen weiter. Purpose rules.

Glaubwürdigkeit sei entscheidend, schreiben die Herausgeber. „Nichts verachtet die Gen Z mehr als Greenwashing.“ Ebenso hart bestraft würden Verfehlungen oder falsche Versprechungen im Bereich Diversität.

5. Digital Natives brauchen unmittelbares Feedback – sonst sind sie weg

Das Warten auf die zwei Häkchen bei Whatsapp, die Gewissheit, ob jemand die Nachricht gelesen hat oder nicht, kann für Digital Natives belastend sein. „Sie sind an Internetgeschwindigkeit und sofortige Reaktionen gewöhnt“, heißt es im Buch. Und das gilt eben auch für den Arbeitsmarkt. Monatelange Stille nach einem Bewerbungsgespräch – ein No-go. Die Zoomer verlangen direktes, ehrliches und häufiges Feedback, auch im Gespräch mit Vorgesetzten. Konkrete Handlungsempfehlung: „Formate wie ‚Ask-Me-Anything‘ können zwar manchmal auch unangenehme Themen aufwerfen, sorgen aber für mehr Einblicke und besseren Informationsfluss innerhalb der Firma.“

Die Generationen auf dem Arbeitsmarkt

Und das quasi angeborene digitale Verständnis der Generation können sich Firmen zunutze machen. In einem umgekehrten Mentoring können Neulinge das Wissen um Technologie und soziale Medien an die Alteingesessenen weitergeben.

6. Die Marke muss in die Lebenswelt der Gen Z: ins Netz

Daniel Grieder hat Hugo Boss verjüngt. Sein Ansatz: Social first. Mit Topmodels, Tiktokern und anderen Talenten als Werbefiguren ist der Modekonzern konsequent auf die Plattformen der Zoomer gegangen. Zum Start der Kampagne veröffentlichten Grieder zufolge mehr als 220 Influencer Boss-Inhalte auf ihren Kanälen. Das Ergebnis: 21,3 Milliarden Ansichten und 900 Millionen Interaktionen in elf Wochen. Fashion Shows sollen künftig keine exklusiven Veranstaltungen mehr für wenige sein, sondern digitaler Content für viele.

Die Platzierung und Positionierung der Marke – dazu zählt etwa auch, sie gezielt in bestimmte Interessengruppen einfließen zu lassen, in Nerdkulturen wie E-Sports, Fantasy oder Anime. Ein Beispiel, von dem Toan Nguyen, Gründer von Jung von Matt Nerd, berichtet: die Verschmelzung von Haribo und Mario Kart. Die Agentur überzeugte den Süßigkeitenhersteller, ein speziell zugeschnittenes Produkt herauszubringen: eine bedruckte Verpackung – und Super-Mario-Figuren nachempfundene Haribo darin. „Ein Ritterschlag für alle Nerds und ein Gefühl der Wertschätzung für die gesamte Popkultur“, kommentiert Nguyen.

Das Fazit

Die Gefahr solcher Betrachtungen: die Verallgemeinerung. Das Buch spart Widersprüche aber nicht aus. So könnte man die forsche wie fordernde Generation auch als Generation Ziellos bezeichnen. Denn in einer Umfrage haben 70 Prozent der Befragten zwischen 16 und 19 angegeben, keinen Traumberuf zu haben. Nur einer von fünf antwortete auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, später Geschäftsführer zu werden, mit Ja.

Und ja, im letzten Teil des Buches weisen die Herausgeber auch noch darauf hin, dass „die Kategorisierung in Generationen nicht dogmatisch“ zu betrachten sei. Verhaltensweisen einer Gen-Z-Angehörigen gibt es schließlich auch bei älteren Menschen und nicht jeder Zoomer verhält sich wie der andere.

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Diejenigen, die das alles nicht interessiert und einfach ihr Ding machen, antriebslos wie manche Teenager nun mal sind, kommen natürlich nicht zu Wort und antworten eher nicht mit einem wohlformulierten Post auf Linkedin. Aber Entscheidern, an die sich das Buch auf dem Cover explizit richtet, liefert es allemal eine klare Tendenz, voller Denkanstöße – und Aufforderungen.

Hinweis: In einer früheren Hinweis hieß es, mehr als zwei Drittel der Befragten in der Appinio-Umfrage fühlten sich im Job nicht ernst genommen. Tatsächlich sind es rund ein Viertel. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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