Ohne Skrupel: Psychopathen in der Chefetage

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Was im normalen Leben als Persönlichkeitsstörung wahrgenommen wird, gilt in der Business-Welt als hoher Wert. Dies hat die klinische Psychologin Belinda Board in Feldstudien an der britischen University of Surrey nachgewiesen. Tatsächlich kommen Psychopathen im Wirtschaftsleben mit ihren Wesenszügen voran, sie erhalten Gehaltserhöhungen und werden befördert. Knigge - Können Sie sich gut benehmen? Einer, der Millionendeals eintütet, ohne mit der Wimper zu zucken und dabei noch die anderen über den Tisch zieht, wird als ausgebuffter Verhandler beklatscht. Jemand, der mit seinen Kollegen auf der Betriebsfeier gesellig trinkt, obwohl er am Vormittag ihre Kündigungen unterschrieben hat, wird als knallharter Sanierer gelobt. Einer, der vor Fernsehkameras selbst Lügen mit einem Lächeln verkaufen kann, gilt als gerissener Kommunikationsprofi. „Konzerne belohnen dieses Extremverhalten bei Managern“, sagt die Psychologin Board. Zwar ist nicht jeder, der kalt lächelnd trickst, ein Psychopath. Doch ein Psychopath besitzt genau dieses zweifelhafte Talent und macht damit Karriere.

Nur was tun, wenn ausgerechnet der eigene Chef emotional verkümmert ist? Ist sich zu wehren zwecklos? „Wer mit einem Psychopathen in den Ring steigt, wird verlieren“, warnt Jens Hoffmann vom „Team Psychologie & Sicherheit“, das für Unternehmen die Persönlichkeitsstruktur von Managern analysiert. Einen psychopathischen Chef zu ändern, könne nicht gelingen. Wer aber verstanden hat, wie solche Vorgesetzten denken und fühlen, kann lernen, mit ihnen umzugehen. „Der Trick besteht darin, den richtigen Zugang zum Chef zu finden“, sagt Gabriele Cerwinka, Persönlichkeitscoach und Co-Autorin des gerade erschienenen Buchs „Nervensägen. So zähmen Sie schwierige Mitarbeiter, Chefs und Kunden“. Das bedeutet allerdings auch, das eigene Urteil kritisch zu überprüfen: Ist es mein Boss, der psychopathische Züge aufweist, oder vergifte möglicherweise ich das Klima mit meinen Marotten? Wer sich von seinem Vorgesetzten drangsaliert fühlt, verfällt leicht in einen Tunnelblick und übersieht, dass er selbst auch nicht vollkommen ist.

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