Olympische Spiele Ein Autor kämpft sich durch 80 Disziplinen

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Am schnellsten lässt sich Schießen lernen

Sie schreiben, dass das Abspeichern von Erfolgen zum Kern der Sportpsychologie gehört. Ist das etwas, das sich in das normale Leben übertragen lässt?

Es war mir nicht so bewusst und war eine interessante Erkenntnis. Es hört sich natürlich so einleuchtend banal an. Aber es setzt einen bewussten Prozess voraus. Im Alltag kann ich selber das nicht nutzen, da ich als Literat genau das Gegenteil mache: Ich versuche eher nicht, mich von vorangegangenen Erfolgen leiten zu lassen, um die Welt jedes mal neu zu entdecken.

Hatten Sie bei irgendeiner Sportart am Ende ihres Ausprobierens das Gefühl, sie zu beherrschen?

Nein, gar nicht. Nicht mal annähernd. Ich fand es auch beruhigend zu hören, dass der Nationaltrainer der Mountain-Biker sagt, dass es nur wenige Fahrer gibt, die ihr Fahrrad beherrschen. Und je besser sie werden, desto mehr versuchen sie, ihre Grenzen auszuloten und was neues zu machen. Und immer wenn sie etwas Neues probieren, stellen sie fest, dass sie ganz ganz weit Weg sind von irgendeiner Beherrschung.

Was war das Leichteste zu erlernen?

Am schnellsten reingekommen bin ich beim Schießen. Gerade auf der Distanz 10 Metern, da ist die Technik in zwei Stunden erklärt. Die Leistungsdichte bei den Profis ist deswegen auch so hoch. Das würde mich auch immens frustrieren. Sie trainieren vier Jahre und dann entscheidet ein einziger Schuss. Sie müssen drei Stunden konzentriert sein und einmal zuckt ihr Augenlid und dann sind die ganzen Jahre futsch.

Und am schwersten?

All die Sachen, die mit Gymnastik zu tun haben. Also, das ist eigentlich kaum noch nachzuvollziehen, was die Reck, an den Ringen oder die Wasserspringer am 10-Meter-Brett machen. Es dauert Monate, bis sie so eine Kombination einstudiert haben. Es ist am weitesten weg von dem, was ein normaler Mensch erreichen könnte.

Verletzt haben Sie sich erstaunlicherweise gar nicht!

Nein, zum Glück nicht.

Tischtennis ist für Trojanow guter Stoff für ein ganzes Buch. (Copyright Thomas Dorn / S. Fischer) Quelle: PR

Haben Sie nach dieser Zeit eine Idee, warum es Sportarten gibt, die in der Zeit zwischen den Spielen so gut wie gar nicht geschaut werden?

Nein, keine. Ich halte das für eine große kulturelle Tragik, dass es diese Fokussierung auf den Fußball gibt. Ich schaue sehr gerne Champions League und Welt- und Europameisterschaften. Aber wenn ich sehe, dass stundenlang bei uns Zweit- und Drittligaspiele übertragen werden, es aber gleichzeitig eine Weltmeisterschaft in einer viel ästhetischeren und aufregenderen Sportart gibt, die nicht übertragen wird, empfinde ich das als Einfalt der Gesellschaft. Das ist sehr bedauerlich. Es gibt Sportarten, wie das Fechten, die sind durch das Fernsehbild nicht zu vermitteln. Man sieht kaum, was passiert und das geht so wahnsinnig schnell. Aber Trampolinspringen - das ist nicht zu verstehen, warum Menschen viel Geld zahlen, um in den Zirkus zu gehen und bei einer WM oder EM der Trampolinspringer kein Fernsehsender überträgt. Der Sport ist sofort zu begreifen, schön anzuschauen. Die Athleten springen bis zu neun Meter hoch, das ist eine Akrobatik sondergleichen.

Olympiateilnehmer trainieren oft von früher Kindheit an und hören meist in einem Alter auf, in dem andere ins Berufsleben einsteigen.

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