Olympische Spiele Ein Autor kämpft sich durch 80 Disziplinen

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Rituale, Philosophie und Umgangsformen

Was haben Sie bei Ihren Begegnungen mit Exprofis gelernt?

Sie waren in der Schule oft Außenseiter, weil sie trainierten, wenn die anderen feierten. Wenn wir die sehen, ist eine ganz tiefe Identifikation mit ihrer Sportart da. Das ist ihr Lebensentwurf. Viele Sportler haben Mühe, das hinter sich zu lassen.

Zumal sie wissen, dass Erfolg nicht wiederholbar ist.

Sie ahnen und vermuten es. Denn eigentlich sind ihre Fähigkeiten, die sie haben, in der freien Wirtschaft begehrt. Sie merken es einem Spitzensportler sofort an, dass er Pünktlichkeit, Disziplin, Präzision, Hingabe und Konzentration lebt.

Welche Schönheiten im Sport haben sie entdeckt, die sie vorher nicht gesehen hatten?

Das war die schöne Erfahrung, dass ich entdeckt habe, dass selbst Sportarten, die von außen betrachtet scheinbar öde sind, viele eigene Verführungen in sich tragen. Nehmen wir Judo oder Ringen - allein die Rituale, die um das Training und die Wettkämpfe über die Jahrhunderte gestrickt wurden, sind einfach ein Genuss. Die Philosophie, die Umgangsformen, die jeweiligen Begriffe - das sind Sachen, die mich sehr bereichert haben.

Auch die Bewegung selbst?

Es gibt die Lust an einer gelungenen Bewegung. Das ist so schön, wenn sie im Judo einen Heber machen und das dann gelingt. Das ist interessant, dass sie auch als Anfänger recht schnell das Gefühl bekommen, dass sie etwas richtig machen. Es gibt einen instinktiven körperlichen Melder. Und wenn es das erst Mal gelingt. Und dann in der Wiederholung gelingt - das ist besonders. Ich hatte dieses großes Aha-Erlebnis beim Reiten. Als ich tatsächlich nur durch eine leichte Drehung des Oberkörpers das Pferd dazu brachte, zu wenden. Ohne Zügel. Das sind große Momente, wo ich eine Ahnung bekommen habe von einer eigenen Welt der Leistung und der Artistik.

Wenn sie Sie heute als junger Mensch entscheiden könnten für eine der olympischen Sportarten - welche würden Sie wählen?

Ich bin vom Körperbau für vieles nicht geeignet. Ich bin eher stabil gebaut. Viele Sportarten verlangen einen filigranen Körperbau. Mein Talent lag schon stark bei Ballsportarten. Alle Trainer haben bestätigt, dass ich eine große mentale Stärke habe und diese Möglichkeit, dass man körperliche Unterlegenheit kompensieren kann mit Willenskraft, Strategie und Taktik, das wäre das richtige für mich gewesen. Was ich überhaupt nicht könnte, wären Sachen wie Triathlon oder oder Marathon. Also diese endlos langen Ausdauersachen. Dazu bin ich zu unruhig im Geist.

Ist nicht gerade Ausdauersport eine Frage der mentalen Stärke?

Beim Rennen schon, ja. Aber die ganzen Trainingseinheiten. Also diese 80 bis 100 Kilometer die Woche, das ist für einen regen Geist schwierig, ich musste mich da schon sehr zwingen. Ich habe ja die Kenianer beobachet. Aufstehen, laufen, Frühstück, kurzer Schlaf, Laufen, Mittagessen, langer Mittagschlaf, Laufen, frühes Abendessen, Schlafen - das zehn Jahre lang. Ich würde durchdrehen.                                                  

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